Das Dach des Smart Fortwo besteht im Kern aus Papierwaben, die von einem Gemisch aus Polyurethan und verstärkenden Fasern ummantelt sind sowie einer durchgefärbten Class-A-Oberflächenfolie.

Das Dach des Smart Fortwo besteht im Kern aus Papierwaben, die von einem Gemisch aus Polyurethan und verstärkenden Fasern ummantelt sind sowie einer durchgefärbten Class-A-Oberflächenfolie. (Bild: Daimler AG)

Geringes Gewicht bei hoher mechanischer Festigkeit, geringerer Rohstoffeinsatz, mechanische Dämpfung, Schalldämpfung, niedrige Wärmeleitfähigkeit und gute Bearbeitbarkeit sind die Eigenschaften der Kunststoffschäume, die sie für die Automobilhersteller so attraktiv machen.

Polymerschäume definiert man als Kunststoffe mit zellulärer Struktur auf Basis von Thermoplasten oder Duroplasten. Dabei lassen sich die Schäume in zwei Untergruppen einteilen: Schäume mit gleichmäßiger Zellstruktur und Integral- beziehungsweise Strukturschäume. Es existieren vier grundsätzliche Verfahren zur industriellen Verschäumung von Kunststoffen: Spritzgießen und Extrusion bei den Thermoplasten sowie Partikelschaum und Mehrkomponentensysteme bei Duroplast-Materialien.

Der Thermoplastschaumspritzguss (TSG) eignet sich beispielsweise für PP, ABS, PE, PA, PC und PP mit Glasfasern. Für den Standardschaumspritzguss lassen sich konventionelle Spritzgießmaschinen einsetzen. Der Nachdruck wird bei diesem Verfahren durch ein Treibmittel erzeugt. Das Treibmittel kann auf drei unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen: Eine chemische Reaktion erzeugt das Treibgas, das gasförmige oder flüssige Treibmittel wird direkt injiziert oder Luft wird mechanisch in ein Harz oder eine Paste eingerührt. Im Spritzgießverfahren lassen sich nur Integralschäume herstellen und ohne aufwendige Sonderverfahren sind Dichten unter 700 kg/m³ nur bedingt realisierbar.

Die Vorteile des Schaumspritzgießens gegenüber dem konventionellen Spritzgießverfahren ist die Zykluszeitreduzierung durch Wegfall von Nachdruck und Reduktion der Kühlzeit. Die reduzierte Schmelzeviskosität sorgt für eine niedrigere Prozesstemperatur. Das Verfahren bietet die Möglichkeit, geringere Wandstärken zu realisieren. Durch den Wegfall des Nachdrucks ist der Forminnendruck ebenfalls deutlich geringer und führt zu geringeren Schließkräften, die am Werkzeug benötigt werden. Das mit diesem Verfahren hergestellte Bauteil hat eine geringere Dichte, keine Einfallstellen, einen geringeren Verzug und weniger Spannungen sowie verbesserte Isolationseigenschaften.

Hohe Qualität mit Schaumspritzguss

Beim MuCell-Verfahren werden durch das Einbringen von Treibmittel direkt in die Kunststoffschmelze im Bauteil mikrozellulare Strukturen gebildet. (Bildquelle: Pöppelmann)

Beim MuCell-Verfahren werden durch das Einbringen von Treibmittel direkt in die Kunststoffschmelze im Bauteil mikrozellulare Strukturen gebildet. (Bildquelle: Pöppelmann)

Ein Beispiel für das Schaumspritzgießen mit physikalischen Treibmitteln ist die MuCell-Technologie. Ausschlaggebend für den großen Erfolg dieser Technologie sind vor allem zwei Faktoren: Zum einen der generelle Leichtbautrend und zum anderen die hohe Qualität der im Schaumspritzguss produzierten Bauteile.

Beim MuCell-Prozess wird während des Plastifizierens ein Treibgas in die Kunststoffschmelze injiziert. Nach dem Einspritzen in die Form geht das Gas wieder aus der Schmelze und bildet eine feinzellige Schaumstruktur. Auf diese Weise wird im Vergleich zum Standardspritzguss zum Füllen der Form deutlich weniger Material benötigt und das Bauteilgewicht sinkt. Gleichzeitig erweisen sich mithilfe des MuCell-Verfahrens produzierte Bauteile als äußerst dimensionsstabil. Da sich durch das Schäumen die Fließeigenschaften der Schmelze verbessern, lassen sich auch anspruchsvolle Geometrien mit Hinterschnitten vollständig füllen.

Doch das Verfahren birgt auch einen unschönen Nachteil: Auf den Oberflächen der Kunststoffteile bilden sich Schlieren. Schlieren entstehen, weil die heiße Polymerschmelze Schaumblasen bildet, wenn sie durch das kühle Werkzeug fließt. Diese werden durch den Druck der Polymerschmelze an der Werkzeugwand zerdrückt – die Unebenheiten erstarren mit der Schmelze und bleiben an der Oberfläche des fertigen Bauteils sichtbar. Der MuCell-Spezialist Trexel präsentierte auf der letzten Fakuma eine Lösung, die mithilfe einer schnellen 3D-Wechseltemperierung des Werkzeugs Bauteile mit hochwertigen Oberflächen ermöglicht. Das Polymer bleibt durch die höhere Werkzeugtemperatur während des Einspritzens länger verformbar, wenn es mit dem Werkzeug in Kontakt kommt. Die Blasen erstarren daher nicht sofort, stattdessen wird die Oberfläche glatt gedrückt. Hochglanzoberflächen lassen sich damit ebenso realisieren wie strukturierte Bereiche, womit sogar neue Designansätze ermöglicht werden. Wesentlich ist, dass keine Einschränkungen hinsichtlich Leichtbaudesign oder Oberflächengüte berücksichtigt werden müssen, sondern sich die Vorteile beider Technologien – Spritzgießen und Schäumen – zu einer Gesamtlösung verstärken.

Der im Schaumspritzgieß-Prozess hergestellte Demonstrator hat hochwertige Oberflächen durch 3D-Wechseltemperierung des Werkzeugs.

Der im Schaumspritzgieß-Prozess hergestellte Demonstrator hat hochwertige Oberflächen durch 3D-Wechseltemperierung des Werkzeugs.

Die Nachfrage im Markt nach ästhetischen Leichtbauteilen steigt zunehmend, primär getrieben durch einen enormen Preis- und Kostendruck seitens der Endabnehmer. Auf der Fakuma präsentierte das Unternehmen ein Demonstratorbauteil, das einerseits eine hochwertige Anmutung hat, andererseits aber die technischen Gestaltungsmöglichkeiten des MuCell-Prozesses nutzt. Damit lassen sich außerdem Wanddickensprünge an den Stellen realisieren, an denen dies für die Bauteilfunktion nötig ist.

Polyurethan ist unverzichtbar für den modernen Automobilbau

Das Verschäumen von PUR ist ein Reaktionsschäumverfahren. PUR besteht aus den Komponenten Isocyanat und Polyol und ist ein Duroplast. Während der Verarbeitung findet eine Polyaddition statt. Die Polyaddition und das Aufschäumen finden parallel statt. Es lassen sich Dichten im Bereich von etwa 30 kg/m³ erreichen.

Polyurethan ist unverzichtbar für den modernen Automobilbau und macht den größten Anteil unter den Kunststoffen aus. In zahlreichen Anwendungen wie Armaturentafeln, Dachhimmel, Fahrwerk, Kabelummantelungen, Kopfstützen, Lenkräder, Schaltknäufe, Sitze, Stoßfänger und Türverkleidungen ist der Werkstoff in weicher oder harter Ausführung oder als Sprühhaut das Standardmaterial. Die neueste Entwicklungen sind Bauteile für die Karosserie. Dafür kommt die PUR-Papier-Wabentechnologie zur Anwendung, wie sie schon seit Jahren im Autoinnenraum für Ladeböden, Dachhimmel und Hutablagen verwendet wird.

Der Composite-Werkstoff besteht im Kern aus Papierwaben, die von einem Gemisch aus Polyurethan und verstärkenden Fasern ummantelt sind. Er eignet sich wegen seiner besonderen Steifigkeit ideal für die Produktion von Außenteilen mit einer Fläche von mehr als zwei Quadratmetern. Autodächer sind für diese Anwendung optimal geeignet. Außen ist das Dach mit einer genarbten, thermogeformten und wetterfesten Folie überzogen, die Innenseite wird passend zum Interieur beflockt. Erstmals in Serie gegangen ist ein Dachsystem aus diesem Faserverbundwerkstoff im Jeep Renegade. Dieses besteht aus zwei Dachelementen aus Polyurethan-Composite-Material, die komplett aus dem Fahrzeugrahmen entnommen und im Kofferraum verstaut werden können.

Neben der Gewichtsreduzierung von über 50 Prozent im Vergleich zu Stahl sprechen die sehr gute 3-D-Formbarkeit sowie die ausgeprägten akustischen und wärmedämmenden Eigenschaften für das Material. Dank der niedrigen Werkzeugkosten eignet sich diese Leichtbautechnologie vor allem für Auftragsvolumina mit kleinen bis mittleren Stückzahlen. Mittlerweile sind auch Autodächer mit einer durchgefärbten Class-A-Oberflächenfolie wie bei dem Smart Fortwo auf dem Markt.

Hochleistungs-Sandwichverbunde lassen sich mittlerweile einstufig herstellen. (Bildquelle: TUD/ILK)

Hochleistungs-Sandwichverbunde lassen sich mittlerweile einstufig herstellen. (Bildquelle: TUD/ILK)

Die bisher sehr aufwendige Fertigung von Sandwich-Strukturen mit komplexer Geometrie soll im Rahmen des AiF-Forschungsvorhabens SHAPE vereinfacht und zur Serienreife entwickelt werden. Ein neuartiges Verfahren nutzt die Expansionsreaktion von schäumbarem Polyurethan in einem geschlossenen Werkzeug, wobei das reaktive PUR-Gemisch die eingelegten textilen Halbzeuge durchdringt und für eine endkonturnahe Werkzeugfüllung sorgt. Sowohl die Fertigung des Schaumstoffkerns als auch die Tränkung der späteren Sandwich-Decklagen erfolgt in einem Schritt. Neben reinen Schaumstoffkernen ist darüber hinaus auch die Integration unkaschierter Papierwaben möglich.

Passive Sicherheit und Insassenschutz

Formteile aus expandiertem Polypropylen (EPP) werden im Auto als Einbauteile an unterschiedlichen Positionen verwendet. Sie optimieren die passive Sicherheit im Fahrzeug und dienen dem Insassenschutz. Da dieser Partikelschaum ein sehr geringes Gewicht besitzt, wird dazu verwendet, um eine Gewichtsreduzierung beim Fahrzeugbau zu erreichen. Da expandierbares Polypropylen energieabsorbiende Eigenschaften und ein sehr gutes Rückstellverhalten besitzt, wird es für Stoßfänger im Frontend-Bereich, Fußeinleger, Absorber, Verkleidungen, Kopfstützen und andere Aufpralldämpfer verwendet. Falls es zu einem Auffahrunfall kommt, nehmen diese Komponenten die Energie auf und erhöhen auf diese Weise die Sicherheit in einem Fahrzeug.

Aufgrund ihrer charakteristischen Dampfdüsen- und Perlenstruktur werden Formteile aus expandiertem Polypropylen häufig unter Blechgehäusen versteckt oder mit Stoff oder Folie kaschiert. Neu ist eine spezielle Werkzeugtechnik ein, die EPP-Formteile mit einer seidenmatten Oberfläche veredelt. Der zum Versintern der Polypropylenpartikel notwendige Dampf durchströmt die Werkzeugoberfläche gleichmäßig, sodass die sonst üblichen Dampfdüsen komplett entfallen können. Bei dem Verfahren verschwimmen auf der Oberfläche die üblicherweise sichtbaren und für Schaumteile so typischen Grenzen zwischen den einzelnen Schaumperlen und die Abdrücke von Dampfdüsen verschwinden. Das Ergebnis ist eine seidenmatte, ebene und darüber hinaus wasserdichte Oberfläche, die sich auch lackieren lässt.

Als Verfahrenskombination zur Herstellung von Mehrkomponentenbauteilen verbindet das Partikelschaum-Verbund-Spritzgießen (PVSG) das Schäumen von Partikelschäumen wie EPS oder EPP mit dem Spritzgießen thermoplastischer Kunststoffe. Dabei entsteht in der Grenzfläche zwischen Partikelschaum und Kunststoffkomponente eine stoffschlüssige, unlösbare Verbindung. Die positiven Eigenschaften von Partikelschäumen lassen sich so mit den Vorteilen von Thermoplasten zu völlig neuen, funktionsintegrierten Leichtbaulösungen vereinen.

ist freier Redakteur des Plastverarbeiter.

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