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Andreas Osterwalder prüft den 3D-gedruckten Strahlteiler. Im Hintergrund die CAD-Konstruktion einer Elektrodenstruktur für die Molekülsteuerung. (Bild: alle www.formlabs.com)

Andreas Osterwalder nennt sein Büro ein Museum: Was wie eine Sammlung von kleinen Maschinen aussieht, sind teilweise galvanisierte, also metallbeschichtete 3D-Drucke, die der Forscher für seine Experimente an der Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) nutzt. Ein Versuchsaufbau wie Osterwalders Strahlteiler fungiert als eine hochkomplexe Maschine. Zwischen der Forschungsidee und dem eigentlichen Experiment können Monate oder sogar Jahre liegen. Ein Engpass stellt oft die eigentliche Fertigung von spezifischen, maßgefertigten Komponenten dar. Gemeinsam mit einem Beschichtungsunternehmen, das sich auf die Galvanisierung von Rapid-Prototyping-Teilen spezialisiert hat, ist es Osterwalder gelungen, 3D-Drucktechnologie und Galvanik-Methode so zu kombinieren, dass er komplexe Experimente mit großen Zeit- und Kostenersparnissen realisieren kann.

Osterwalders Forschung ist Teil eines relativ neuen Feldes, der sogenannten kalten Chemie. Bei Raumtemperatur oder höheren Temperaturen kann man eine starke Bewegung von Molekülen oder Atomen beobachten. Treffen diese aufeinander, finden chemische Reaktionen statt. Doch auch bei weitaus niedrigen Temperaturen lassen sich Reaktionen beobachten – selbst bei fast nicht vorhandener Bewegung.

Das Ziel in Osterwalders Forschung ist es, Chemie am absoluten Temperaturtiefpunkt, -273,15°C, zu untersuchen, um einige der grundlegendsten Aspekte von intermolekularen Interaktionen zu verstehen. Damit man die Moleküle bei solch niedrigen Temperaturen untersuchen und kontrollieren zu kann, ist es essentiell, ihre Bewegung genau zu steuern.  “Man kann sich die Molekülstrahlen wie einen Wasserstrahl vorstellen, nur als Gasphasenmoleküle im Vakuum. Unter diesen Bedingungen können wir beginnen, diesen Strahl in seiner Bewegung zu kontrollieren”, so Osterwalder, der für dieses Experiment einen makroskopischen Strahlteiler herstellte.

Erste Schritte zum 3D-Druck

Die Herstellung des Versuchsaufbaus hängt von Feintechnikern ab und dauert mit traditionellen Fertigungsmethoden wie CNC-Fräsen oder Zerspanung in der Regel mehrere Monate. Osterwalder wollte eine schnellere, kosteneffizientere Methode finden, um von der Idee zum Experiment zu kommen. Für 3D-Druck begann er sich 2009 zu interessieren, aber die damals erhältliche 3D-Drucker für Fused Deposition Modelling (FDM), Stereolithografie (SLA) und Metal Sintering waren entweder nicht präzise genug oder zu teuer für seine Zwecke.

Von dem SLA 3D-Drucker Form 2 von Formlabs, mit Sitz in Boston und Berlin , den Osterwalder 2015 kaufte, sobald er auf dem Markt kam, war er schließlich überzeugt: “Stereolithografie bietet die Auflösung, die ich brauche”, sagt Osterwalder. “So kann ich mich auf darauf fokussieren, komplexe Strukturen zu entwerfen, und weiß, dass sie genauso aus dem Drucker kommen.”

Strahlteiler in Tagen statt in Monaten hergestellt

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Für die Produktion des Strahlteilers, wurde ein Stereolithografie (SLA) 3D-Drucker mit maximaler vertikale Bauhöhe von 17,5 cm verwendet. Die Elektrodenstruktur wurde in klarem Kunstharz gedruckt und danach mit Nickel beschichtet.

Osterwalders 3D-gedruckter und galvanisierter Strahlteiler erlaubt ihm, einen Strom von Gasphasenmolekülen in zwei Ströme zu spalten, ohne die Moleküle zu berühren. Die Metallstruktur wird verwendet, um starke elektrische Felder zu erzeugen, in denen Spannungen in der Größenordnung von 10.000 Volt angelegt werden. Diese Felder erzeugen dann eine Kraft, die dann auf die Moleküle wirkt. Strahlteiler sind einfach zu konstruieren für Lichtstrahlen − zum Beispiel durch Einsatz eines teilweise reflektierenden Fensters −, aber sie sind viel schwerer für Moleküle zu erreichen.

Mit der Kombination von 3D-Druck und Metallbeschichtung durch Galvanisierung konnte Osterwalder die Produktionszeit dieses Versuchsaufbaus von mehreren Monaten auf unter eine Woche reduzieren. Osterwalder brauchte ein paar Tage, um den Strahlteiler zu entwerfen und nur 36 Stunden für den 3D-Druck in seinem eigenen Labor. Das Beschichten der Struktur mit Nickel dauerte nur noch einen Tag. Am Ende dauerte das Versenden der-3D gedruckten Teile zu dem Galvanik-Unternehmen und wieder zurück länger als alles andere.

Galvanisieren von 3D-Druckteilen

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Der Molekülstrahl-Teiler hat eine Elektrodenstruktur von 35 cm Länge. Er wurde mit Nickel beschichtet und in drei Segmente von 15 cm, 10 cm und 10 cm bei einer Auflösung von 0,025 mm gedruckt.

Verchromte Wasserhähne oder die Stoßstange eines Autos – mit Metall beschichtete, galvanische Teile gibt es überall: Sie sind mit Chrom, Silber oder einem anderen hochwertigen Metall durch Elektrolyse beschichtet, um das Aussehen und die Materialeigenschaften wie Verschleißfestigkeit und elektrische Leitfähigkeit zu verbessern. Galvanotechnik bei Kunststoffen funktioniert aber nicht ohne Weiteres, da Kunststoffe in der Regel nicht leitfähig sind, was für den Galvanisierungsprozess unerlässlich ist. Eine chemische Vorbehandlung kann dieses Problem lösen, aber bis in die frühen 2000er Jahre zeigte dieser Prozess nur mit wenigen Kunststoffen wie ABS Erfolg. Osterwalder wandte sich an die Schweizer Firma Galvotec. „Die Herausforderung auch andere Materialien galvanisch beschichten zu können hat mich schon immer interessiert und dementsprechend motiviert“, sagte Rico Schuhmacher, Gründer von Galvotec. „Deshalb hatte ich im Jahr 2009 bereits geforscht und experimentiert, um auch andere Materialien als nur ABS beschichten zu können, im Jahr 2011 war ich dann erfolgreich und habe 2012 Galovtec gegründet.“

Es gibt nur wenige Galvanik-Unternehmen, die sich auf Rapid Prototyping weltweit spezialisiert haben, und Galvotec ist das einzige in der Schweiz. „Bei Andreas Osterwalders Teilen mussten nur bestimmte Bereiche galvanisiert werden und andere nicht. Durch das Erstellen von Masken haben wir dieses Ergebnis erreicht „, erinnert sich Schuhmacher. „Eine weitere Herausforderung war, den elektrischen Kontakt zwischen zwei Flächen zu verhindern, also mussten wir die Beschichtung für sie separat durchführen.“

Laut Schuhmacher kann das Anwendungsgebiet von 3D-Druckteilen durch Metallbeschichtung enorm ausgeweitet werden. Die neuen Materialeigenschaften, die dadurch erreicht werden können, reichen von elektrischer Leitfähigkeit, elektromagnetischer Verträglichkeit, Verschleißbeständigkeit, besserer Formbeständigkeit, Magnetismus, Temperaturbeständigkeit bis hin zu einer ganzen Palette an dekorativen Beschichtungen, zum Beispiel in Gold.

Schnelles, flexibles, replizierbares Experimentieren

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Der Wissenschaftler bewertet die Oberfläche des 3D-gedruckten und galvanisierten Strahlteilers als genauso gut oder besser als diejenige traditionell gefertigter und polierter Geräte.

Das Galvanisieren von 3D-gedruckten Teilen ist immer noch eine Neuheit. Während es offensichtliche Vorteile für Ingenieure birgt, sieht Osterwalder auch ein großes Potenzial für wissenschaftliche Anwendungen. “Unsere Versuchsaufbauten sind richtige Maschinen, mit vielen Rohren und Pumpen, und sehr schwierig zu fertigen für traditionelle Methoden wie Zerspanung oder CNC-Fräsen. Viele dieser Komponenten können in einer viel kürzeren Zeit und mit größerer Flexibilität 3D-gedruckt werden.” Der Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass mit der Kombination von 3D-Drucktechnologie und Metallbeschichtung durch Galvanisierung Experimente möglich sind, die anders nicht realisiert werden können.

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Sortiment von 3D-gedruckten, teilweise galvanisierten, Bauteilen für wissenschaftliche Experimente

Osterwalder ist sich sicher, dass diese Vorteile nicht auf seine spezifische Forschung beschränkt sind. Für ihn ist die Frage nicht, was man mit einem 3D-gedruckten und galvanisierten Strahlteiler machen soll, sondern wie seine Methode für andere Experimente reproduziert werden kann. “Es ist für jede Forschung wichtig, dass man ein Experiment reproduzieren kann, identisch in einem anderen Labor, um es zu wiederholen und zu verifizieren. Man kann sich vorstellen, dass man ein Art Legosystem entwickeln könnte, um mit 3D-gedruckten, galvanisierten Teilen Experimente aufzubauen”, so Osterwalder. Seine Vision ist es, Forschungsinstitute und Labore auf der ganzen Welt zu befähigen, Experimente durchzuführen und zu reproduzieren, indem sie einfach eine STL-Datei verschicken.

 

ist verantwortlich für Presse und Inhalt bei Formlabs, Berlin. anna.hantelmann@formlabs.com

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