PV1017_Sandwich_Spritzgießen_2K_KUZ

Eine Verfahrenskombination aus Spritzgießen von Metallersatzkunststoffen mit leichten Schäumen erzeugt leichte, hochfeste Bauteile im Zwei-Komponenten-Sandwichspritzguss. Das Leichtbauteil im Bild hat eine Gesamtbauteildichte von 0,77 g/cm³. (Bild: KUZ)

Eine spezielle schaumgerechte Rippengeometrie, die in einem bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt entwickelt wurde, bildet die Basis für eine auf industrielle Bauteile anwendbare flächige Rippenstruktur. Festigkeits- und Spritzgießsimulationen, jeweils im Vergleich zum kompakten ungeschäumten Bauteil, zeigen bereits im Vorfeld Vorteile bezüglich des Leichtbaus sowie die spritzgießtechnische Machbarkeit. Führende Anbieter von Spritzgieß-Simulationssoftware haben daher ihr Angebot um spezielle Module für das thermoplastische Schaumspritzgießen erweitert. Da sich die Softwaremodule der verschiedenen Anbieter noch im Aufbau bzw. in der Optimierungsphase befinden, werden am Kunststoffzentrum in Leipzig (KUZ) Simulationsbenchmarks mit Praxisvergleichen durchgeführt.

Die Vorhersagegenauigkeit der Spritzgießsimulation des thermoplastischen Schaumspritzguss hängt maßgeblich von dessen rheologischer Datengrundlage ab. Das rheologische Verhalten kompakter und gasbeladener Schmelzen kann durchaus unterschiedlich sein. Daher werden am KUZ die Fließkurven der gasbeladenen Schmelzen mittels eines Spritzgieß-Rheometers bestimmt. Die Fließ­kurven dienen wiederum als Datengrundlage zur Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit der Spritzgieß­simulation.

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Sandwichartig aufgebauten Leichtbauteile demonstrieren die Eignung für flächige, schalenförmige Anwendungen mit tragender oder lastaufnehmender Funktion. Ihre besondere Eigenschaft ist ihre höhere Biegesteifigkeit im Vergleich zu einem Bauteil aus kompaktem Material. (Bildquelle: KUZ)

Werkstoff-Kombinationen für die Serienproduktion

Die stoffliche und rheologische Kompatibilität sind Vorrausetzungen für eine stabile Serienproduktion. Erstere wird mit einem 2K-Zugstab bestimmt, bei dem die beiden Schmelzen von zwei getrennten Aggregaten im Prüfkörperwerkzeug zusammengeführt werden. Die Abzugskraft, die ein anschließender Zugversuch prüft, sowie das Erscheinungsbild des Bruchs sind ein Maß für die Haftung der beiden Komponenten. Nur Kombinationen mit einer hohen Abzugskraft und ohne Kohäsionsbruch werden für die Serienproduktion ausgewählt.

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Mit dem am KUZ entwickelten Spritzgieß-Rheometer werden Viskositätskurven der Hautschicht aus PA6.6+PA6-IX (Metallersatzkunststoff) und des Schaumkerns aus PA6.6 ermittelt. (Bildquelle: KUZ)

Aber nicht jede kompatible Haut-Kern-Kombination läuft problemlos in Serie. Auch die rheologische Kompatibilität ist hier entscheidend. Daher bestimmt das KUZ die Fließkurven des Hautmaterials und des geschäumten Kernmaterials unter Produktionsbedingungen. Das dafür verwendete Spritzgieß-Rheometer ist eine Eigenentwicklung und wird direkt an der Verarbeitungsmaschine angebracht. Die mit diesen Daten erstellten Fließkurven dienen als wichtige Grundlage für die Materialauswahl.

Verfahrenskombination für Leichtbauanwendungen

Die Herstellung von Demonstrator-Formteilen mit unterschiedlichen Materialkombinationen veranschaulicht die Eignung der Verfahrenskombination für Leichtbauanwendungen verschiedener Anwendungsbereiche. Hier einige Beispiele:

  • Das PA/PP-Compound Akromid A3ICF20 4 L von Akro-Plastic ist mit Sekundär-Kohlefasern verstärkt. Durch den Anteil an PP sinkt die Neigung zur Feuchtigkeitsaufnahme und zusätzlich wird die Dichte reduziert. Durch die zusätzliche Einarbeitung von Glass Bubbles von 3M, Glashohlkugeln aus Borosilikatglas, sank die Dichte des Compounds auf 1,02 g/cm³, bei einem Zug E-Modul von 10.700 MPa im trockenen Zustand und einer Bruchspannung von 112 MPa. Das Compound lässt sich unproblematisch in Kombination mit einem Schaum aus unverstärktem PP verarbeiten.
    Die Haftung zwischen Haut- und Kernschicht, ein kritischer Punkt bei der Herstellung der Sandwichbauteile, funktioniert gut – durch den PP-Anteil des Compounds. Die Verwendung von Sekundärkohlefasern in der Hautschicht sowie der leichte Schaum in Inneren führen zu einem preislich attraktiven Leichtbauteil mit hoher Steifigkeit.
  • Der Metallersatzkunststoff Terez GT3 von Ter Hell Plastic wurde mit einem geschäumten PA6.6 zu einem Leichtbauteil mit einer Dichte von 1,02 g/cm³ verarbeitet. Terez GT3 hat eine Festigkeit von 10.000 bis 21.500 MPa, je nach Materialtyp, und nimmt im Vergleich zu Standard-PA6.6-Typen weniger Feuchtigkeit auf, was die Maßhaltigkeit der Leichtbauteile positiv beeinflusst.
  • Da Metallersatzkunststoff sehr kostenintensiv sind, wird in industriellen Anwendungen sehr häufig der Einsatz von PP erwogen. Der Nachteil von PP ist seine vergleichsweise geringe Wärmeformbeständigkeit. Das vom KUZ entwickelte Leichtbauteil mit einer Hautschicht aus langglasfaserverstärktem PP und einer Kernschicht aus geschäumten wärmeformbeständigen Cyclo-Olefin-Copolymer (COC) hat eine Dichte von 0,88 g/cm³. Somit ließen sich 40 Prozent an Gewicht im Vergleich zu langglasfaserverstärktem PP einsparen.
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Verfahrenskombination chemisches Schäumen und 2K-Sandwich-Spritzguss:links: eine Visualisierung der Ergebnisse aus der Spritzgießsimulation mittels des Simulationstools REM3D; rechts: ein Praxisvergleich des KUZ. (Bildquelle: KUZ)

Projektbegleitend werden weitere kundenspezifische Applikationen entwickelt. Prädestiniert sind verrippte, flächige, plattenartige oder schalenförmige Bauteile mit tragender Funktion, die biegesteif sein müssen. Beispiele im Bereich Automotive sind: Front-End-Träger, Säulenverkleidung, Schwellerverkleidung, Batterieträger, Haube für Zylinderkopf, Verdeckkastendeckel, Trittstufenverkleidung, Sitzschale, Kofferboden, Heckspoiler. Beispiele für technische Anwendungen sind hochfeste flächige Gehäuse, Aufbauten für Roboterköpfe, bewegte Schließmechanismen, schnell rotierende Maschinenelemente.

Unter Beachtung der stofflichen und rheologischen Kompatibilität lassen sich geometrieabhängig Verhältnisse von Haut- zu Kernschichtanteile von 30:70, maximal von 20:80 erreichen. Die Kernschichtdichten liegen bei ca. 0,5 g/cm³ oder darunter. Die so erzielten Gewichtsreduzierungen liegen im Bereich von 25 bis 45 Prozent, je nach Materialpaarung.

Annerose Hüttl_KUZ
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunststoff-Zentrum in Leipzig (KUZ). (Bild: KUZ)

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunststoff-Zentrum in Leipzig. huettl@kuz-leipzig.de

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