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Bettina Schall, Geschäftsführerin des Messeveranstalters P. E. Schall. (Bild: P. E. Schall)

Gestatten Sie mir zu Beginn eine etwas ausgreifende Frage, verbunden mit der Bitte um eine kompakte Antwort: Wie haben sich seit der Fakuma-Premiere im Jahr 1981 die Herausforderungen an den Messe-Veranstalter verändert?

Bettina Schall: Vereinfacht ausgedrückt: Aus der Präsentationsfläche für Technologien, Verfahren und Maschinen sowie Produkte ist eine vielschichtige Business-Plattform zur Information und Technik-Kommunikation sowie zur Beschaffung innovativer, die Wettbewerbskraft der Anwender unterstützenden, Produkte, Subsysteme und Prozesslösungen geworden. Für uns als Veranstalter bedeutet dies mehr als nur „Fläche“ verkaufen, sondern ein überzeugendes Dienstleistungspaket zur Marketing-Unterstützung der Ausstellenden zu bieten.

Zweifellos hatte Paul E. Schall den richtigen „Riecher“, als er 1981 in Friedrichshafen eine Messe für Kunststoffverarbeitung ins Leben rief. Die Spritzgieß-Serienfertigung von thermoplastischen Kunststoffteilen stand damals noch relativ am Anfang ihrer weltweiten Expansion. Ist dieses Gespür für technologische und wirtschaftliche Entwicklungen Teil des Erfolgsrezepts bis heute?

Schall: Ja natürlich, wobei sich so mancher vermeintliche Trend des Öfteren als Luftnummer erweist und die Kunst somit darin liegt, zu erkennen, was in Zukunft für die Branchen-Teilnehmer wichtig ist und was sie weiter bringt. Ein vielversprechendes Thema aufzunehmen und dieses zu pushen, ist für uns zunächst mit einigem Risiko verbunden, aber mit dem Durchhalten entstehen schließlich neue Märkte und das sehen wir bis heute als unsere Hauptaufgabe an.

„Trotz Erweiterung der Ausstellungsfläche auf zwei Hallen ging die familiäre Atmosphäre der beiden vorangehenden Veranstaltungen nicht verloren.“ Dies schrieb der PLASTVERARBEITER nach der 3. Fakuma  im Jahr 1984. Schon damals machte man sich also Sorgen um den speziellen Charakter des Events. Gibt es das „Familiäre“ auch heute noch? Wenn ja, wie manifestiert es sich?

Schall: Sagen wir es mal so: Das Familiäre hat sich ein Stück weit verprofessionalisiert, aber es ist uns bis heute gelungen, die Fakuma als an der Praxis orientiertes Branchen-Event für die mittelständisch strukturierte Klientel aufrecht zu erhalten. Dabei spielt die Fokussierung auf die Verarbeitung von Kunststoffen eine zentrale Rolle, weil sich die Themen-Behandlung eben immer um die entsprechende Kompetenz und das relevante Know-how  dreht.

Ursprünglich war die Fakuma stark auf das Spritzgießen fokussiert. Heute haben alle Verarbeitungsformen von Spritzgießen über Extrusion, Thermoformen bis hin zur additiven Fertigung ihren Platz auf der Messe. Das Angebot reicht von den Werkstoffen über die Verarbeitungsprozesse samt Peripherie, Werkzeugsystemen bis hin zur Logistik. Gibt es Bereiche, die sich derzeit besonders stark entwickeln?

Schall: Innovationen sind tatsächlich in allen Segmenten zu verzeichnen, wobei Spritzgießen in Gestalt von Miniatur-/Präzisionsspritzgießen hoch funktionsintegrierter Kunststoffteile und 3D-Printing, ausgehend von verfeinerten Laserstrahlquellen und neuen Materialien, aktuell hervorstechen. Des Weiteren sind eine verstärkte Elektrifizierung sowie eine durchgängige Handhabungs- und Materialfluss-Automatisierung zu beobachten. Schließlich stellen sich so gut wie alle Komponenten und Teilsysteme heute als Industrie-4.0-fähig dar, wobei hier die Sensorik und Steuerungen sowie die Software als Schlüsselelemente angesehen werden müssen.

Welche Wachstumstreiber stehen hinter dem stetig steigenden Interesse an der Fakuma? Ist die Kunststoffverarbeitung schlicht dynamischer und interessanter als andere Branchen?

Schall: Zweifellos zählt die Kunststoffindustrie zu den Schlüsselindustrien und nimmt in vielfacher Hinsicht Einfluss auf die globale wirtschaftliche Entwicklung. Beginnend beim herkömmlichen Rohstoff über dessen material- und energieeffiziente Verarbeitung und bis hin zu ressourcenschonendem Leichtbau stehen Kunststoffe immer irgendwo positiv wie manchmal auch negativ im Rampenlicht. Weil aber gerade die Kunststofftechnik auf viele technische wie wirtschaftliche Fragen eindeutige Antworten gibt, bleibt das Geschäft damit hoch dynamisch und bietet tägliche neue Herausforderungen, die wiederum neue Lösungen generieren. Mit der Konzentration auf die Verarbeitung von Kunststoffen liegt die Fakuma immer im Zentrum der Interessen und genießt bei Ausstellern und Anbietern wie beim Fachpublikum einen sehr hohen Stellenwert.

Wo sehen Sie die Fakuma im Konkurrenzumfeld, das unter anderem von dem Großevent K sowie von kleineren Spezialmessen etwa im Bereich Werkzeugbau oder additive Fertigung geprägt ist? Kann die Fakuma Ausstellern und Besuchern einen speziellen Mehrwert bieten, den sie anderenorts nicht in dieser Form finden?

Schall: Mit der K wollen und können wir uns nicht vergleichen und wir haben im Übrigen ein sehr gutes Verhältnis miteinander, in dem wir uns im K´-Jahr nicht engagieren, was auch der Markt honoriert. Da wir uns konsequent auf die durchgängige Darstellung der relevanten Prozesskette konzentrieren, sind wir auch nicht mit den kleineren Messen vergleichbar, die sich eben nur mit einem Segment, und das auch oftmals nicht konsequent, sondern einem kurzen Trend folgend, befassen oder schmücken. Wer in der Kunststofftechnik Zuhause ist, bekommt nur an der Fakuma „sich ergänzende und verzahnende“ Informationen und das komplette Equipment dazu, um am Ende entscheidungssicher Detail- und Systemlösungen für die Prozesskette Kunststoffverarbeitung beschaffen zu können.

Traditionsgemäß sind die verschiedenen Verarbeitungs-Technologien auf der Fakuma nicht örtlich zusammengefasst, sondern auf quasi alle Hallen verteilt. Worin sehen Sie die Vorteile dieses Hallenbelegungskonzepts?

Schall: In der Kunststoffverarbeitung wie in anderen fertigungstechnischen Branchen auch werden die Disziplin-Grenzen innerhalb der Prozesskette immer fließender. Am Anfang steht die Produkt-Entwicklung, am Ende das montagefertige Produkt oder die fertige Baugruppe. Es macht in der Praxis durchaus Sinn, sich zunächst im Detail und als Ganzes informieren und diese Information noch vor Ort in Gestalt praktischer Lösung besichtigen zu können. Dabei geht es weniger um vergleichbare technische Daten, sondern um die Anschluss-Fähigkeit einzelner Prozess-Komponenten eben zur Prozesskette. Insofern spart die Hallenbelegung den Fachbesuchern viel Zeit durch kurze Laufwege und direkten Kontakt zu kompetenten Fachleuten aus nicht nur einem, sondern mehreren sich ergänzenden Fachbereichen.

Das Wachstum der Fakuma brachte es mit sich, dass nicht alle Teilnahme-Wünsche erfüllt werden konnten und können. Wie wird die erneute Flächenerweiterung 2017 genutzt? Wurde auch die Warteliste abgebaut?

Schall: Ehrlich gesagt, leider nur um einige Positionen. Durch die Hinzunahme vorhandener und zunächst eigentlich nicht für den Messebetrieb vorgesehener Foyer-Flächen in den Eingängen OST und WEST konnten wir weiteren aber eben längst nicht allen Interessenten die gewünschten Ausstellungsflächen anbieten. Diese Situation ist für alle Beteiligten sehr unbefriedigend. Wir haben schon Überlegungen zu hochwertigen temporär aufzustellenden Zusatzhallen angestellt, sind damit aber aus teilweise verständlichen Gründen auf wenig Gegenliebe gestoßen, weil die Hersteller und Anbieter natürlich mitten im Messeleben sein wollen.

Existieren langfristige Überlegungen, die expandierende Fakuma an einen anderen, größeren Messestandort zu verlagern? Der Vertrag mit der Messegesellschaft in Friedrichshafen  läuft meines Wissens bis zum Jahr 2021… .

Schall: Um es klar auszudrücken: Eine international anerkannte Fachmesse von der Größe und Reputation einer Fakuma lässt sich heutzutage nicht einfach von A nach B verlagern. Wir und die Aussteller sehen auch keinen Grund für solche Überlegungen – zumal wir die Fakuma nicht unbedingt noch größer machen wollen, weil Größe in diesem Geschäft absolut kein Garant für Qualität und nachdrückliches Besucher-Interesse darstellt. Bis zum Jahr 2021 ist es ja noch ein Stück weit hin, und die weitere Marktentwicklung bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sollte unserer Ansicht nach die Fakuma überschaubar und im Charakter erhalten bleiben, situative Anpassungen sicher nicht ausgeschlossen.

Wie hat sich im Laufe der Jahre die internationale Ausrichtung  der Messe entwickelt? Welches Konzept in punkto weitere Internationalisierung verfolgen Sie heute?

Schall: Mit der Platzierung der Fakuma im Dreiländerreck am Deutschland, Österreich und Schweiz am Bodensee befinden wir uns im Herzen Europas. Durch die starke Präsenz etwa von Werkzeug- und Formenbaubetrieben aus Süddeutschland, Vorarlberg und der Schweiz wurde internationales Publikum angezogen, das sich natürlich auch für fertigungstechnisches Equipment interessierte. So kam es zur Internationalisierung sowohl des Angebots als auch des Fachpublikums, und mit der Ost-Erweiterung öffneten sich die Märkte des nahen Ost-Europas und auch umgekehrt. Mit dem Aufkommen des Exports nach und des Imports aus Asien erfuhr die Fakuma international erneut eine Aufwertung, weil die Technologien und das Equipment dafür global verfügbar sind und sich alle Marktteilnehmer auf dem neuesten technischen Stand halten müssen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Gibt es markante Neuerungen auf der Fakuma 2017, die wir von den Vorgänger-Veranstaltungen noch nicht kennen?

Schall: Wie schon angedeutet, ist es uns gelungen, die Foyer-Bereiche der Eingänge OST und WEST als Ausstellungsflächen zu gewinnen, wodurch sich die Belegungs-Situation etwas entzerrt und die Begehung übersichtlich wird. Ansonsten steht dieses Jahr der 25. Geburtstag der Fakuma im Fokus, und das ist für uns alle ein schöner Anlass, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Mehr wollen wir an dieser Stelle aber noch nicht verraten, denn zusammen mit unserem langjährigen Partner Messe Friedrichshafen planen wir die eine oder andere Feierlichkeit mit unseren Ausstellern und auch den Fachbesuchern.

 

Kontakt

P. E. Schall, Frickenhausen,
info@schall-messen.de
www.fakuma-messe.de

 

Die Fakuma bleibt ein an der Praxis orientiertes Branchen-Event für die mittelständisch strukturierte Klientel.

In der Kunststoffverarbeitung werden die Disziplin-Grenzen innerhalb der Prozesskette immer fließender.

Mit der K wollen und können wir uns nicht vergleichen.

Mancher vermeintliche Trend erweist sich auch als Luftnummer.

 

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

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P. E. Schall GmbH & Co. KG Messeunternehmen

Gustav-Werner-Straße 6
72636 Frickenhausen
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