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Die Carbon-Karosserie des BMW i3 stellt der Autobauer vollautomatisiert her. (Bild: BMW)

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BMW hat mit i3 bewiesen, dass Carbon im Serienbau möglich ist. (Bildquelle: BMW)

Mit knapp zwölf Prozent des PKW-Gewichts spielt der Kunststoff eine bedeutende Rolle in modernen Fahrzeugen. Die Automobilindustrie als Innovationstreiber sorgt dafür, dass sich die Stärken des Werkstoffs durch die vielfältigen Anforderungen hinsichtlich Optik, Haptik und vor allem Funktionalität sowie Zuverlässigkeit voll entfalten. Bei Neuentwicklungen von Automobilen stehen daher die Themen Leichtbau, Ressourceneffizienz, Sicherheit und ein anmutiges Design im Vordergrund. Besonders der Leichtbau rückt in den Fokus der Branche, denn die Automobilindustrie muss im Zuge der Klimapolitik der EU die Schadstoffemissionen ihrer Fahrzeuge drastisch reduzieren. Die entsprechende EU-Verordnung sieht eine schrittweise Verringerung des CO2-Ausstoßes bis 2030 vor. Schon bis 2020 müssen die Hersteller die CO2-Emissionen auf 95 Gramm je Kilometer begrenzen. Bei Nichteinhaltung dieser Ziele drohen harte Strafen.

Leichtbau: Fahrzeuggewicht birgt größte Einsparpotenziale

Um diese Vorgaben zu erreichen, stehen den Fahrzeugherstellern drei Stellschrauben zur Verfügung: Antrieb, Aerodynamik und Gewicht. Besonders beim Fahrzeuggewicht sehen Automobilexperten die größten Einsparpotenziale. Bei der heutigen Fahrzeugtechnik entstehen 22 Prozent des Energieverbrauchs durch das Gewicht. Auch die Elektromobilität braucht zwingend den Leichtbau, um das hohe Gewicht der Energiespeicher zu kompensieren.

Dieser Trend zum Leichtbau hat einen Wettbewerb der Materialien ausgelöst. Noch vor zehn Jahren bestand eine Fahrzeugkarosserie fast ausschließlich aus kaltumgeformten Tiefziehstählen. Bis zu 300 dieser Blechbauteile verschweißten die Autobauer zu einer Rohkarosserie. Heute besteht eine moderne Karosseriestruktur aus Kunststoffen, Composites und metallischen Werkstoffen, wie warm- und kaltumformbare, hochfeste Stähle, Aluminium und Magnesium.

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Hybridbauweise: Das Fraunhofer LBF entwickelte eine Hinterachse für Elektrofahrzeuge mit deutlich reduziertem Gewicht. Verglichen mit dem herkömmlichen Metall-Design konnten die Wissenschaftler das Achsgewicht um 37 Prozent senken. (Bildquelle: Fraunhofer LBF)

Faserverstärkte Kunststoffe im Fokus

Aufseiten der Kunststoffe steht vor allem die Faserverstärkung duroplastischer Kunststoffe (FVK) im Mittelpunkt, denn mit gerichteten Fasern lässt sich eine mechanisch optimal ausgelegte Bauteilstruktur erzeugen. Das größte Potenzial für Gewichtseinsparungen bieten in diesem Bereich die Verbundwerkstoffe mit Carbonfasern. Mit einem Prozent Anteil der faserverstärkten Kunststoffe weltweit stehen sie aber erst am Anfang ihrer Entwicklung. Die ersten wichtigen Schritte zur Großserienreife hat BMW mit seinen Elektromodellen der i-Reihe schon gemacht. Im Vergleich zur Glasfaser, die mit einem 95-prozentigen Anteil quasi eine Monopolstellung im globalen Einsatz faserverstärkter Kunststoffe hat, führt sie aber noch ein Nischendasein im Automobilbau.

Gleich welche Faser verwendet wird, der Herstellungsprozess von FVK-Bauteilen verläuft immer ähnlich. Ungetränkte Verstärkungsfasern in Form eines vorkonfektionierten und konturnahen Preforms werden in ein Werkzeug eingelegt. Die Fasern können dabei verwoben oder gerichtet sein. Nach dem Schließen des Werkzeugs flutet man es mit einem Harzsystem. Nach dem Aushärten des Bauteils lässt es sich aus dem Werkzeug entnehmen. Die so hergestellten Bauteile benötigen eine abschließende zerspanende Bearbeitung, um die Konturen herzustellen. Obwohl diese Prozessschritte bei BMW bereits vollautomatisiert ablaufen, sind die Taktzeiten weit länger als die, die für das Umformen und Stanzen eines Stahlblechs benötigt werden.

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Die Carbon-Karosserie des BMW i3 stellt der Autobauer vollautomatisiert her. (Bildquelle: BMW)

Materialkombinationen gehört die Automobilzukunft

Um die Zykluszeiten weiter zu verkürzen, setzt die Industrie thermoplastische Systeme, beispielsweise Organobleche, ein. Die Vorteile der thermoplastischen Matrix liegen in der Warmumformfähigkeit der Halbzeuge. Die Methode der Formgebung stammt aus der Metallblechverarbeitung und wurde für Composite-Materialien weiterentwickelt.

Relativ neu ist das Insitu-Spritzgießen. Bei diesem Prozess findet die Imprägnierung der Faserverstärkung in einem Spritzgießwerkzeug statt. In dem zweiten Schritt erzeugt man im gleichen Werkzeug in einem herkömmlichen thermoplastischen Spritzgießprozess die endgültige funktionalisierte Formgebung. Der Vorteil des Verfahrens: Man erhält in relativ kurzer Zykluszeit nachbearbeitungsfreie Bauteile.

Doch nicht nur bei Strukturbauteilen für die Karosserie setzt man Kunststoffe für Leichtbauanwendungen ein. So haben etwa Polyamide aufgrund ihrer hohen mechanischen Festigkeit seit vielen Jahren Metallteile im Fahrzeugbau verdrängt. Etablierte Anwendungen sind beispielsweise Kraftstoffsysteme, Lampengehäuse und Pedalerie. Verstärkt man Polyamide mit Glasfasern, weisen sie eine deutlich höhere Wärmeformbeständigkeit auf und werden bereits seit Jahren für viele Bauteile im Motorraum eingesetzt.

Mono-Material-Fahrzeuge, wie der Ende der 90er Jahre vorgestellte Audi A8 mit Aluminium-Karosserie oder aus der heutigen Zeit der aus Carbonfaser hergestellte BMW i3, demonstrieren, was mit den jeweiligen Werkstoffen möglich ist. Einen Standard für den Automobilbau haben sie aber nicht gesetzt, da solche Fahrzeugkonzepte für die Massenfertigung zu teuer sind und somit einem Nischenmarkt vorbehalten bleiben.

Herstellverfahren müssen mit Leichtbauwerkstoffen Schritt halten

Viele Leichtbauexperten sind sich daher einig: Die Zukunft gehört der Hybridbauweise. Nach dem Motto „das richtige Material am richtigen Platz“ kombiniert man unterschiedliche Werkstoffe zu einem Bauteil. Besonders hochbelastete Strukturbauteile mit komplizierten Geometrien und dem Fokus auf rationeller Fertigung bieten viel Potenzial. Die Kombination von Faserverbundkunststoffen, Aluminium und Stahl bietet aber auch noch viele ungelöste Herausforderungen. Eine der größten ist die enorme Vielfalt an Lösungsansätzen. Es gilt die verschiedensten Materialien und unterschiedlichsten Verfahrenstechnologien miteinander zu kombinieren. Auch haben Konstrukteure oftmals nicht so viel Erfahrung mit neuen Materialien und deren Kombinationsmöglichkeiten. Dann stellt sich die Frage: Wie verbinde ich die unterschiedlichen Werkstoffe zu einem Bauteil? Kleben, Schrauben, Schweißen oder Nieten bieten sich an, müssen aber erst im Detail untersucht werden. Und wie integriere ich die neue Technologie in etablierte Fertigungsstrukturen der Automobilindustrie, ohne dass die Produktivität leidet?

Antworten auf diese Fragen gibt der internationale VDI-Kongress „Kunststoffe im Automobilbau“, der am 29. und 30. März 2017 in Mannheim stattfindet. Weitere Themen sind Naturfaseranwendungen, übergossene und folienhinterspritzte Formteile, LED- und Oled-basierte Lichttechniken sowie optisch und haptisch optimierte Anzeige- und Bedienkonzepte. Bei den etwa 80 Fachvorträgen können sich Teilnehmer ausführlich über den heutigen technischen Stand der Kunststofftechnik im Automobilbau informieren. Eine Fachausstellung und ein angegliederter Automobilsalon mit aktuellen Pkws und Nutzfahrzeugen bietet die Gelegenheit für den fachlichen Austausch am Objekt.

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ist freier Redakteur des Plastverarbeiter.

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