Durch den Verguss mit Silikongelen werden empfindliche elektronische Schaltungen wirksam und langzeitstabil gegen Korrosion und Alterung geschützt. Das Gel minimiert außerdem thermomechanische Spannungen und erhöht die dielektrische Isolationsfestigkeit der Leistungsbauteile.

Durch den Verguss mit Silikongelen werden empfindliche elektronische Schaltungen wirksam und langzeitstabil gegen Korrosion und Alterung geschützt. Das Gel minimiert außerdem thermomechanische Spannungen und erhöht die dielektrische Isolationsfestigkeit der Leistungsbauteile. (Bild: Wacker)

Leistungselektronik wird in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern eingesetzt: in der Automobilelektronik, in der Elektrifizierung von Antrieben, aber auch im Bereich von industriellen Anwendungen, bei Traktionsantrieben und der Nutzung erneuerbarer Energien. Die sensiblen Elektronikbauteile und Module müssen während ihrer gesamten Lebensdauer effizient elektrisch isoliert und vor vielfaltigen Umgebungseinflüssen geschützt werden. Zu diesem Zweck werden Leistung-Halbleitermodule, sogenannte Power-Module, mit Vergussmassen vergossen. Silikone werden in diesen Anwendungen bereits seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Durch den Verguss mit Silikongelen werden empfindliche elektronische Schaltungen wirksam und langzeitstabil gegen Korrosion und Alterung geschützt, mögliche thermomechanische Spannungen minimiert und die dielektrische Isolationsfestigkeit der Leistungsbauteile erhöht.

Dielektrische Eigenschaften

Im Vergleich zu organischen Vergussmassen besitzt Silikonkautschuk einen äußerst niedrigen Ionengehalt (< 2 ppm), eine niedrige Wasseraufnahme (< 0,1 %) und eine Durchschlagsfestigkeit von mehr als 20 kV/mm (Volumendurchgangswiderstande von > 1014 Ωcm). Die dielektrischen Eigenschaften von Silikon sind über einen breiten Temperatur- und Frequenzbereich (10 bis 106 Hz) konstant. Vergussmassen wie beispielweise Wacker Silgel und Semicosil eignen sich gut für den Einsatz als dielektrischer Isolator.

Der Elastizitätsmodul des Silikons bleibt bei Temperaturen zwischen -50 °C und  150°C nahezu unverändert. (Bildquelle: Wacker)

Der Elastizitätsmodul des Silikons bleibt bei Temperaturen zwischen -50 °C und +150°C nahezu unverändert. (Bildquelle: Wacker)

In Leistungshalbleitern und -modulen werden eine Reihe verschiedener Materialien kombiniert, die unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten besitzen. Temperaturunterschiede während des Betriebs und zur Umgebung bewirken, insbesondere an empfindlichen Bauteilen wie Bonddrähten oder Halbleiterelementen, thermische Spannungen. Das Minimieren solcher Spannungen und Kräfte ist deshalb von großer Bedeutung, um die Ausfallsicherheit, Robustheit und Lebensdauer des Systems zu erhöhen. Obwohl die Temperaturausdehnung typischer Silikonvergussmassen mit rund 300 x 10-6 m/mK fünf bis sieben Mal höher ist als bei organischen Vergussmassen, sind die thermischen Spannungen – aufgrund des um Dimensionen geringeren Elastizitätsmoduls von Silikonvergussmassen – signifikant kleiner.

Kleiner E-Modul

Die E-Module und damit auch die am Bauteil auftretenden Kräfte und Spannungen sind mit den Silkonwerkstoffen im Vergleich zu typischen organischen Vergussmassen um den Faktor 105 bis 106 geringer. Der sehr geringe E-Modul in der Größenordnung von typischerweise kleiner 100 kPa (für Shore 00 Materialien) oder kleiner 10 kPa (weiche Silikongele), minimiert Spannungen, die in Folge von Temperaturwechseln, aber auch Vibrationen in den vergossenen Strukturen potenziell auftreten können – und das konstant über einen sehr breiten Temperaturbereich (-50 bis 180 °C).

Hochtemperaturfeste Silikongele weisen auch bei Temperaturen von 210 °C auch nach 2.000 Stunden noch eine gute Mechanik auf. (Bildquelle: Wacker)

Hochtemperaturfeste Silikongele weisen auch bei Temperaturen von 210 °C auch nach 2.000 Stunden noch eine gute Mechanik auf. (Bildquelle: Wacker)

Auch dies hebt die Silkonmassen von typischen organischen Vergussmassen ab. Ihr E-Modul ist nicht nur um Größenordnungen höher. Bei organischen Vergussmassen liegen die Phasenübergange üblicherweise im Anwendungstemperaturbereich, was wiederum den Modul unterhalb der Übergangstemperatur sprunghaft ansteigen lasst. Zu den Anwendungen im Automobil- und Transportbereich gehören Steuergeräte für die Automobilelektronik, beispielsweise für die Motor-, Getriebe-, Lenkungssteuerung, aber auch innovative Fahrassistenz- und Bremssysteme oder komplette Leistungshalbleitermodule für Elektromotoren.

Tieftemperaturflexible Silikone

Bipolartransistoren mit isolierter Gate-Elektrode – sogenannte IGBT – werden beispielsweise in Traktionsanwendungen oder in elektrischen Antrieben zum Schalten höher Ströme eingesetzt. Solche Komponenten müssen auch in kalten Regionen wie Kanada oder Sibirien, wo die Temperaturen auf -60 °C fallen können, zuverlässig funktionieren. Um die Zuverlässigkeitsanforderungen an die Leistungselektronik auch beim Kaltstart oder bei raschen Lastwechseln zu gewährleisten, müssen die spannungsdampfenden Eigenschaften des Silikons auch unter solchen Bedingungen voll erhalten bleiben. Standardsilikone aus der Semicosil- und Silgel-Reihe können bis –50 °C eingesetzt werden. Bei Temperaturen unter -50 °C steigt der Elastizitatsmodul allerdings deutlich an. In solchen Fällen kommt es zu einer partiellen Kristallisation der Polydimethylsiloxanketten, welche das chemische Rückgrat des Silikons bilden. Dieser Effekt ist reversibel. Bei steigenden Temperaturen lösen sich die Kristalle auf und das Silikon erhält wieder seine ursprünglichen Eigenschaften. Die Silikonindustrie hat jedoch auch für extrem niedrige Temperaturen Lösungen entwickelt. Semicosil 920 LT und Semicosil 900 LT behalten ihr Elastizitatsmodul auch noch bis -110 °C bei,  -110 °C ist die Glasübergangstemperatur von Polydimethylsiloxan. Diese Temperatur bildet somit eine physikalische Grenze. Bei noch tieferen Temperaturen verlieren Silikone endgültig ihre Elastizität. Während es sich bei der Tieftemperaturstabilität eher um Spezialfälle handelt, sieht sich die Leistungselektronik und damit auch das Vergussmaterial zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die das Management von steigenden Betriebstemperaturen betreffen.

Betriebstemperaturen in Motoren und Antrieben steigen

Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist beispielsweise die fortschreitende Miniaturisierung und die immer höhere Leistungsdichte von Bauteilen. Sie führt dazu, dass die elektrischen Verlustleistungen der Komponenten auf immer kleineren Flächen abgeführt werden müssen. In vielen Fällen werden an der Grenzfläche oder im Bereich der einzusetzenden Vergussmassen Spitzen- und Durchschnittstemperaturen von bis zu 175 °C und mehr erreicht. Andererseits müssen in Hybrid- und Elektrofahrzeugen, in Windturbinen und Traktionsmotoren immer größere elektrische Ströme und Spannungen gesteuert werden.

UV-härtende Silikon-basierte Vergussmasse für ein elektronisches Bauteil. (Bildquelle: Wacker)

UV-härtende Silikon-basierte Vergussmasse für ein elektronisches Bauteil. (Bildquelle: Wacker)

Auch neue Halbleitermaterialien wie Siliciumcarbid (SiC) oder Galliumnitrid (GaN) führen zu höheren Anforderungen. Solche Materialien weisen höhere Bandabstände auf und ermöglichen damit den Betrieb von Halbleiter-Bauelementen bei reduzierten Verlustleistungen. Außerdem ist es möglich, die Komponenten bei deutlich höheren Sperrschicht-Temperaturen von 200 °C und mehr zu betreiben. Die um Faktor zehn höhere thermische Leitfähigkeit von SiC ermöglicht höhere Leistungsdichten und eine verbesserte Stromtragfähigkeit. Der Übergang von Silicium hin zu Siliciumcarbid oder Galliumnitrid zur Steuerung von hohen Strömen und Spannungen ist daher für viele zukünftige Anwendungen interessant. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Bauteile, genauer: an die thermische Stabilität der eingesetzten Materialien für die Aufbau- und Verbindungstechnik und der sie schützenden Vergussmassen, bei Temperaturen von weit über 200°C.

Hitzestabile Silikongele

Um den technologischen Fortschritt der Leistungsbauteile begleiten zu können, ist es notwendig, Silikongele anzubieten, die unter Beibehaltung des bisherigen Eigenschaftsprofils eine deutlich höhere Hitze- bzw. Oxidationsbeständigkeit aufweisen. Eine Messgröße zur Beurteilung dieser Hitzebeständigkeit ist auch in diesem Fall der Elastizitatsmodul. Dass Silikone thermisch stabil sind, ist bekannt. Während herkömmliche, ungefüllte Silikongele bei Temperaturen oberhalb von 190 °C im Lauf der Zeit verspröden, weisen spezielle Silikonvergussmassen wie beispielsweise das Semicosil 915 HAT eine deutlich erhöhte Oxidationsbeständigkeit auf. Sein E-Modul verändert sich auch nach 2.000 Stunden bei Temperaturen von 210 °C praktisch nicht.Der zunehmende Einsatz von Silikonvergussmassen in modernen Fertigungsstraßen mit immer kürzeren Taktzeiten stellt zudem hohe Anforderungen an Aushärtegeschwindigkeit, Prozesseigenschaften und Flexibilität des Systems sowie an seine Robustheit. Modulare Vergusssysteme, die flexibel an die jeweiligen Prozesse angepasst werden können, sind deshalb zunehmend gefragt.

Modulare Systeme

Der besondere Vorteil eines modularen Systems für Vergussmaterialien besteht darin, dass, je nach Prozessanforderung, verschiedene Katalysatoren zur Abmischung des Basis-Silikons zur Verfügung stehen. Mit zahlreichen Variationsmöglichkeiten lassen sich auf einfache Weise unterschiedlichste Verarbeitungs- und Vernetzungszeiten einstellen, von relativ langsam aushärtenden thermischen Systemen bis hin zu einer extrem schnellen, mit UV-Licht initiierten Aushärtung. Ein an die gleiche Charge gebundener Einsatz der beiden Komponenten ist nicht mehr notwendig. Der Anwender gewinnt somit ein Höchstmaß an Flexibilität. Gleichzeitig besitzt das System eine erhöhte Robustheit und Verarbeitungstoleranz. Kleinere Abweichungen vom Mischverhältnis 10:1 sind unproblematisch. Die Massenproduktion von Halbleiterbaumodulen erfordert eine Reihe von sequenziellen Einzelprozessen, deren Taktzeiten möglichst aufeinander abgestimmt und minimiert werden müssen.

UV-Vernetzung sorgt für kurze Taktzeiten in der Produktion

Zweikomponentige, UV-aktive Systeme mit Elastosil CAT UV erlauben einerseits eine lange Verarbeitungszeit; andererseits helfen sie Spülverluste zu vermeiden, wie sie bei längeren Produktionsunterbrechungen auftreten können. Kombinationen mit Vergusspolymeren werden bereits erfolgreich eingesetzt, um Taktzeiten von etwa 30 Minuten auf unter 10 Sekunden zu verkürzen. Durch ein viskoseres, thixothropes Silikongel kann in Kombination mit dem UV-aktiven System auf dem Substrat ein Kantenschutz generiert werden, der gleichzeitig als Damm dient, um ein Bauteil mit einem niederviskosen Silikon zu vergießen. Nach der Belichtung mit ultraviolettem Licht kann die Komponente bereits nach wenigen Sekunden für den folgenden Verarbeitungsschritt gedreht werden. [1]

Elektronikkomponenten, die extremen Temperaturen ausgesetzt sind oder eine hohe Leistungsdichte besitzen, lassen sich mit Silikonen zuverlässig über viele Jahre schützen. Modulare Vergusssysteme aus Silikon bieten zudem ein Höchstmaß an Flexibilität. Hersteller von Leistungselektronik-Bauteilen können die Verarbeitungs- und Vernetzungszeiten gezielt an ihre Erfordernisse und Prozesse anpassen und damit Verarbeitungs-, Produktivitäts- und Kostenvorteile erzielen.

 

 

Literatur
[1] Thomas Stockmeier, “From Packaging to ‘Un’-Packaging – Trends in Power Semiconductor Modules” in: Proceedings of the 20th International Symposium on Power Semiconductor Devices and IC’s 2008 (ISPSD ’08), pp. 12-19

sind Anwendungstechniker im Geschaftsbereich Wacker Silicones der Wacker Chemie, München.

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