Mithilfe eines Industrietablets scannt ein Mitarbeiter die Eingangschargen ein und ordnet sie den Artikelchargen zu.

Mithilfe eines Industrietablets scannt ein Mitarbeiter die Eingangschargen ein und ordnet sie den Artikelchargen zu. (Bild: Rittinghaus)

Bei einem zunehmenden Anteil von Spritzgussteilen für die Medizintechnik-Branche sah sich Rittinghaus, Halver, ein Kunststoffverarbeiter, der Beratungsdienstleistung über Formenbau bis hin zur Reinraumfertigung anbietet, vor neue Herausforderungen durch spezifische Kundenanforderungen und normative Vorgaben gestellt. Insbesondere ergaben sich konkrete Fragestellungen hinsichtlich der Anforderungen, die zum Beispiel in der DIN EN ISO 13485 umrissen werden zu den Aspekten der Verifizierung von beschafften Produkten, der Identifikation des Produktstatus, der Rückverfolgbarkeit und dem Erfassen und Messen des Produkts sowie der Datenanalyse und lückenlosen Aufzeichnungen. Daher initiierte das Unternehmen ein Projekt, das diese Aspekte in seine Produktionsprozesse integrieren sollte. Zu den wichtigsten Zielen gehörten das Verbessern der Produkt- und Prozessüberwachung vom Wareneingang über alle Fertigungsstufen bis zur Warenauslieferung auf Basis freigegebener Prüfpläne und -methoden. Außerdem sollte eine lückenlose Chargenverfolgung in Verbindung mit konsequenter Anwendung des Verbrauchsfolgeverfahren Fifo eingeführt werden und die Medienwechsel bei den hierfür notwendigen Vorgabeinformationen und Datenerfassungen so weit wie möglich verringert werden. Dies alles sollte einher kommen mit einer vereinfachten Handhabung für alle Mitarbeiter auf der Shopfloor-Ebene. „Dies war eine anspruchsvolle Aufgabenstellung“ kommentiert Geschäftsführer Bernd Rittinghaus. „Und eine wichtige Randbedingung war es, diese Aufgaben mit Mitteln umzusetzen, die einen möglichst geringen Aufwand für die Mitarbeiter verursachen und potenzielle Fehlerquellen minimieren.“

Durch die Verknüpfung des CAQ- und des Warenmanagementsystems tauschen beide automatisch Daten aus, was die Wareneingangskontrolle, die Chargenzuordnung sowie die Bauteilprüfung verbessert. (Bildquelle: Rittinghaus)

Durch die Verknüpfung des CAQ- und des Warenmanagementsystems tauschen beide automatisch Daten aus, was die Wareneingangskontrolle, die Chargenzuordnung sowie die Bauteilprüfung verbessert.(Bildquelle: Rittinghaus)

Ein modulares CAQ war Teil der Lösung

Zu Beginn des Projektes wurde schnell klar, dass sich die Anforderungen nur mit einer erweiterten angemessenen Softwareunterstützung erfüllen lassen. Hierzu standen zunächst neben der Einführung einer kommerziellen CAQ-Software die Erweiterung des unternehmensspezifischen IT-gestützten Warenmanagementsystems (WMS) und eine effektive Verknüpfung beider Systeme im Vordergrund. CAQ-seitig fiel die Wahl auf die Lösung der Firma Babtec, Wuppertal. Unter anderem waren ein passender modularer Aufbau des Systems für eine schrittweise Einführung sowie eine ansprechende Visualisierung der Prüfmerkmale in Verbindung mit vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten die Entscheidungsgründe für diesen Anbieter. So ließen sich auch die Mitarbeiter schnell von dem Nutzen des Systems überzeugen, gegenüber den bisherigen Varianten mit teilweise bebilderten Prüfdokumenten und manuell geführten Prüfprotokollen sowie einigen ausschließlich textlich ausgestalteten PC-unterstützten Prüfaufträgen.

Frühzeitig wurden in einem gemeinsamen Workshop mit Babtec und dem ERP-Hersteller  Inceptum, Iserlohn, die Vorstellungen von Rittinghaus ausführlich diskutiert sowie mit den systemseitigen Möglichkeiten abgeglichen. Abschließend wurde die Konfiguration der Systemschnittstellen detailliert beschrieben.

Vor dem Nachfüllen von Material überprüft das Warenmanagementsystem die eingelesenen Chargeninformationen und meldet, ob es sich um die richtigen Materialien für den Auftrag handelt. (Bildquelle: Rittinghaus)

Vor dem Nachfüllen von Material überprüft das Warenmanagementsystem die eingelesenen Chargeninformationen und meldet, ob es sich um die richtigen Materialien für den Auftrag handelt.(Bildquelle: Rittinghaus)

Zunächst die Prozesse im Wareneingang umstellen

Nach dem Einrichten der Schnittstellen, dem Erweitern der WMS-Software und dem Erstellen der ersten 300 Prüfpläne wurde zunächst der Wareneingang auf das neue System umgestellt. Bei jeder Warenlieferung wird seitdem vom WMS beim Anlegen eines Wareneingangsbeleges automatisch ein Prüfauftrag auf Basis eines freigegebenen Prüfplans im CAQ erzeugt. Nach dem körperlichen Überprüfen des Wareneingangs und der Dokumentation im CAQ bewertet die Q-Abteilung das zuvor von dem Materiallieferanten an eine extra eingerichtete Mailadresse übermittelte Abnahmeprüfzeugnis und verknüpft es mit dem CAQ-Prüfauftrag. Erst nachdem beide Prüf-Arbeitsgänge positiv abgeschlossen sind, wird die Ware vom CAQ im WMS freigegeben, um sie einzulagern. Jeder freigegebene Wareneingang erhält dabei im WMS eine eindeutige Chargennummer, die sich in Form eines Barcodes auf jedem Gebindeetikett befindet.

Das Ein- und Auslagern erfolgt durch Scannen dieser Gebindeetiketten und der für jeden Lagerplatz angebrachten Zu- und Abbuchungsbarcodes mit Handscannern. Dabei prüft das WMS im Hintergrund, ob die eingelesenen Barcodeinformationen, wie Chargennummern oder Mengenangaben, eindeutig sind. Zusätzlich unterstützt das WMS das Fifo-Prinzip über eine chargenbezogene Lagerbestandsliste. Die Umstellung auf vollständig barcodegestützte Buchungsvorgänge führte im Unternehmen zu spürbar weniger Buchungsfehlern und Bestandsdifferenzen.

Ein Großmonitor in der Fertigung visualisiert die fertigungsbegleitenden Prüfaufträge und deren aktuellen Prüfstatus. (Bildquelle: Rittinghaus)

Ein Großmonitor in der Fertigung visualisiert die fertigungsbegleitenden Prüfaufträge und deren aktuellen Prüfstatus.(Bildquelle: Rittinghaus)

Automatische Unterstützung für die Qualitätssicherung

In einem zweiten Schritt führte das Unternehmen die erweiterten Systeme in der Fertigung ein. Dort erzeugt jetzt das Anlegen eines Fertigungsauftrags im WMS automatisch einen Prüfauftrag auf Basis eines freigegebenen Prüfplans im CAQ-System. Eine Ampelanzeige steuert dabei die Prüftätigkeiten auf Basis der vorgegebenen Zyklen in der Prüfauftragsübersicht. Diese visualisiert auch den Zeitpunkt für die Entnahme der Prüfmuster, um eine möglichst konstante Restschwindung zum Zeitpunkt der Teileprüfung sicherzustellen. Ein Großmonitor in der Spritzerei zeigt die Auftragsübersicht mit der Ampelfunktion an, damit die Einrichter die rechtzeitige Entnahme der Prüfmuster und die Teileprüfungen nach den vorgegebenen Prüfzyklen aus ihrer Arbeitsumgebung heraus steuern können.

In einem dritten Schritt erstellte das Unternehmen ein Konzept, um Chargen zu steuern und deren Verwendung in der Fertigung abzusichern, und setzte es IT-technisch um. Das Starten eines Fertigungsauftrages generiert nun für den gefertigten Artikel eine individuelle Chargennummer, sofern dieser im Artikelstamm als chargenführend deklariert ist. Für jede in der Artikel-Stückliste hinterlegte Materialkomponente werden durch das Einscannen der bereitgestellten Materialchargen-Barcodes die Rohmaterialchargen mit der Artikelcharge verknüpft. Sehr hilfreich ist hierbei ein 10-Zoll-Industrie-Tablet, mit dem durch eine eigens entwickelte zweistufige Bedienoberfläche die Fertigungsmaschinen sowie alle verwendeten Chargen-Barcodes eingelesen und über WLAN verarbeitet werden können. Im Online-Betrieb überprüft das Gerät auch, ob die dafür qualifizierte Produktionsmaschine den betreffenden Artikel fertigt und ob die richtigen Rohstoffmaterialien verwendet werden.

Vor dem Nachfüllen von Material über die zentralen Zuführdepots oder der Einzelbereitstellung an den Spritzgießmaschinen überprüft das WMS die eingelesenen Chargeninformationen und meldet dem Benutzer, ob es sich um die richtigen Materialien laut Stückliste handelt und/oder ob es die bisher auf dem Fertigungsauftrag verwendeten Materialchargen sind. Beim Wechseln von Rohmaterialchargen lassen sich mit dem Tablet bei Bedarf sofort neue Artikelchargen erzeugen und die entsprechenden Materialchargen fest zuordnen.

Beim Anlegen einer neuen Artikelcharge in einem laufenden Fertigungsauftrag, zum Beispiel aufgrund eines Wechsels der Rohmaterialcharge, eröffnet das CAQ automatisch einen neuen Prüfauftrag für diese Artikelcharge. Der Auftrag der alten Charge wird mit einer Letztstückprüfung abgeschlossen und der neue mit einer Erststückprüfung der neuen Charge eröffnet. So lassen sich alle erzeugten Prüfdaten den einzelnen Material- und Artikelchargen über sämtliche Wertschöpfungsstufen zuordnen. „Analog funktioniert dieses Verfahren auch bei der Baugruppenmontage im Reinraum“, fügt Produktionsleiter Samuel Pinto hinzu.

Zusätzliche Warenausgangsprüfungen jederzeit möglich

Neben den kontinuierlichen fertigungsbegleitenden Prüfungen aller Einzelteile und Baugruppen finden bei entsprechenden Kundenanforderungen zusätzlich losbezogene Warenausgangsprüfungen statt.

Ist ein Artikel im Artikelstamm zusätzlich als Warenausgangs-prüfpflichtig gekennzeichnet, erzeugt das Anlegen eines Fertigungsauftrags auf Basis des freigegebenen Warenausgangs-Prüfplans zusätzlich einen entsprechenden Prüfauftrag mit der Bezeichnung Warenausgang im CAQ-System. Erst nach positivem Prüfentscheid wird der Lieferschein für das Lieferlos gedruckt. Auch für das Erstellen von Prüfzeugnissen wurden die relevanten IT-Systeme vernetzt. Fordert der Kunde für das Lieferlos ein Prüfzeugnis, holt das WMS die dokumentierten Prüfdaten zu den im Prüfplan festgelegten prüfzeugnisrelevanten Merkmalen aus dem chargenspezifischen fertigungsbegleitenden CAQ-Prüfauftrag und gibt sie im Abnahmeprüfzeugnis automatisiert aus. Es sind somit im Vergleich zu früher keine zusätzlichen Stichprobenprüfungen notwendig, um die Prüfzeugnisdaten zu ermitteln. Außerdem ist deren Datenbasis breiter, da alle Ergebnisse der fertigungsbegleitenden Prüfungen einfließen.

„Bei Rückfragen von Kunden zu einzelnen Lieferlosen können wir jetzt Prüfdaten, Vorkommnisse und Entscheide durchgängig vom ausgelieferten Produkt bis zur eingekauften Rohmaterialcharge und umgekehrt zurückverfolgen. Und das ohne großen Rechercheaufwand“ kommentiert Bernd Rittinghaus. „Der Projektaufwand hat sich gelohnt. Wir haben unsere Ziele erreicht. Bei Bedarf werden wir sukzessive unser CAQ-System um weitere Module ergänzen. Ebenso beschäftigen wir uns mit einer IT-technischen Vernetzung mit unserem Arburg-Leitrechnersystem, einem MES, um zum Beispiel die CAQ-Prüfdaten und die Prozessdaten automatisiert zu verknüpfen.“

Martin Schütz
(Bild: Rittinghaus)

ist Leiter des Q-Managements bei Rittinghaus in Halver. Martin.schuetz@rittinghaus-gmbh.de

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Ernst Rittinghaus GmbH Kunststoff-Spritzgusswerk

Kruppstr. 38
58570 Halver
Germany