Sandwichkonzepte auf Basis thermoplastischer Partikelschäume

(Bild: Alexander Schulz – Fotolia.com)

Drei Wege zur Herstellung eines Thermoplast-Sandwich (Bildquelle: Neue Materialien Bayreuth )

Drei Wege zur Herstellung eines Thermoplast-Sandwiches (Bildquelle: Neue Materialien Bayreuth)

Sandwichstrukturen bestehen meist aus einem schubsteifen Schaumkern und zwei außenliegenden dünnen biegesteifen Deckschichten. Solche Strukturen finden in technischen Bereichen Anwendung, wo gute mechanische Eigenschaften in Kombination mit sehr geringem Gewicht gefordert sind. Anwendungen im Hochleistungsleichtbau sind bekannt aus der Luft- und Raumfahrt, der Verteidigungstechnik, bei Windkraft-Rotorblättern, dem Automobilbau und der Schifffahrt. [2] [3] Hier werden allerdings bevorzugt Sandwichstrukturen auf Basis duromerer Faserverbund- oder metallischer Deckschichten eingesetzt, in Verbindung mit Kernmaterialien aus Wabenstrukturen. Herstellungsprozesse und Eigenschaftsprofil sind daher seit langer Zeit bekannt. Das Verwenden rein thermoplastischer Materialkombinationen ist neu und kann entscheidende Vorteile gegenüber den herkömmlichen Lösungen bieten. Dies ist zum Beispiel bei Großserien-Anwendungen, wie man sie im Automotive-Bereich findet, der Fall. Soll ein Umformteil oder ein Träger aus Metall durch eine Kunststofflösung substituiert werden, kann nur eine vollautomatisierte Bauteilherstellung mit Zykluszeiten im Bereich von maximal 2 Minuten zielführend sein. Sandwichstrukturen auf Basis von thermoplastischen Kunststoffen besitzen überragende Energieabsorptionseigenschaften und sie lassen sich, insbesondere im Fall von Einstoffsystemen, gut recyceln und komplexe Geometrien, wie Versteifungsrippen oder Schnapphaken können bedeutend einfacher realisiert werden als bei Konzepten auf Basis von Duromeren. [4]

Verschiedene Lösungsansätze

Durch das Bündeln der Kompetenzen der Arbeitsfelder Thermoplastische Faserverbundwerkstoffe und Partikelschäume konnten bei dem Unternehmen Neue Materialien Bayreuth, Bayreuth, vorhandene Herstellungsprozesse für thermoplastische Sandwichverbunde mit werkstoff- und verfahrenstechnischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Partikelschäume intelligent zu neuen Lösungsansätzen kombiniert werden. Der Fokus lag dabei immer auf dem großserientechnischen Einsatz.

Schema zur Herstellung von Partikelschaum-Formteilen (Bildquelle: EPP-Forum)

Schema zur Herstellung von Partikelschaum-Formteilen(Bildquelle: EPP-Forum)

Dabei werden aktuell drei Wege verfolgt, an deren Ende jeweils dreidimensional geformte Sandwichverbunde mit Funktionsintegration bei Zykluszeiten möglichst unter drei Minuten stehen. Alle Verfahren zeichnen sich durch maßgeschneiderte Deckschichten, aufgebaut aus thermoplastischen Tapes, eine individuelle Schaumstruktur und eine optionale Funktionsintegration durch Spritzgießen aus.

Beim Press-Verfahren werden die vorkonsolidierten Deckschichten mit einem im Batch- oder Extrusionsprozess hergestellten Schaumkern verpresst und gegebenenfalls gleichzeitig dreidimensional umgeformt. Bei großen Umformgraden können jedoch Dichte-Inhomogenitäten im Schaumkern aufgrund ungleichmäßiger Kompression auftreten. Für den In-situ-Partikelschaum wird der Schaumkern direkt, also In-situ, zwischen beliebig dreidimensional vorgeformten Deckschichten oder Hohlprofilen hergestellt. Dabei werden vorgeschäumte thermoplastische Schaumpartikel eingefüllt und üblicherweise mittels Wasserdampf versintert. Der zum Versintern notwendige Energieeintrag führt gleichzeitig zu einer stoffschlüssigen Verbindung zwischen Kern und Deckschichten. Kerndichten von 15 bis 200 kg/m³ können durch dieses Verfahren nahezu ohne Dichtegradient realisiert werden. Beim TSG Verfahren wird ein geschäumter Kern mittels thermoplastischem Schaumspritzgießen (TSG-Verfahren) zwischen vorgeformten Deckschichten erzeugt. Dabei kommen üblicherweise Tauchkantenwerkzeuge in Kombination mit einem Negativ-Prägezyklus zum Einsatz.

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Grundlagen thermoplastischer Partikelschäume

Die mittlerweile über 60 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte der Partikelschaumstoffe, beginnend mit der Entwicklung von Styropor durch die BASF, Ludwigshafen, wird im Automotive-Bereich aktuell vor allem durch komplexe Multi-Materialsysteme auf Basis von expandiertem Polypropylen (EPP), also sogenannte EPP-Formteile der 3. Generation, wie Mittelkonsolen oder Instrumententafeln – fortgeführt. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich zudem verstärkt mit alternativen Schaumpartikeln für den Kernwerkstoff aus technischen Thermoplasten wie zum Beispiel TPE, PET oder ganz aktuell PBT, welches erstmalig im November 2014 vorgestellt wurde. [5] [6].

Hergestellt werden alle thermoplastischen Partikelschäume aus Treibmittel-beladenem Mikrogranulat, welches zu Schaumperlen vorgeschäumt wird. Dies kann in einem Autoklavprozess oder mittels Strangextrusion einer gasbeladenen Schmelze erfolgen. [7] Die Verarbeitung der so hergestellten Schaumpartikel zu Formteilen erfolgt prinzipiell in fünf Stufen.

Typische Komponenten einer Sandwichstruktur (Bildquelle: A. Fathi und V. Altstädt)

Typische Komponenten einer Sandwichstruktur(Bildquelle: A. Fathi und V. Altstädt)

Die Partikel werden mittels Druckluft durch Injektoren in die Werkzeugkavität gefüllt und durch den sogenannten Staudruck (1,5 bis 4 bar) innerhalb der Kavität komprimiert. Die Höhe des Staudrucks beeinflusst proportional die spätere Formteildichte. Im nächsten Schritt wird die Kavität über kleine Dampfdüsen durch das Einleiten von Heißdampf zunächst entlüftet. Nachfolgend erweicht durch den Prozessdampf die Oberfläche der Partikel genau so weit, dass sich die Moleküle in der Grenzfläche mit denen benachbarter Partikel verschlaufen können und dadurch eine Versinterung zum Formteil stattfinden kann. Die Dampftemperatur muss dabei so gewählt werden, dass bei Perlen aus amorphen Thermoplasten nur ein definierter Teil des Partikels erweicht, während der andere Teil für die mechanische Stabilität des Partikels verantwortlich ist. Dies ist der Grund dafür, dass während des gesamten Verarbeitungsprozesses die Schaumstruktur in den Partikelschaum-Perlen erhalten bleibt. Ein Kühlsystem im Werkzeug beschleunigt das Stabilisieren des Schaumstoff-Formkörpers und sorgt für eine Entformbarkeit nach einer Gesamtzykluszeit von 60 bis 120 Sekunden, je Bauteilgeometrie. Bei Schaumperlen aus teilkristallinen Thermoplasten wie etwa EPP, muss der schmale Schmelzbereich der Kristallite berücksichtigt werden, was das Verarbeitungsfenster erheblich einschränkt und die Anforderungen an die Prozesstechnik verschärft. [9]

Steifigkeit von Sandwichstrukturen in Abhängigkeit der Kernhöhe (Bildquelle: Neue Materialien Bayreuth)

Steifigkeit von Sandwichstrukturen in Abhängigkeit der Kernhöhe(Bildquelle: Neue Materialien Bayreuth)

Polymere Sandwichstrukturen

Prinzipiell bestehen Sandwichstrukturen immer aus zwei hochfesten und steifen Deckschichten, die über eine adhäsive Grenzschicht mit einem möglichst leichten schubsteifen Kernmaterial verbunden sind. Das Kernmaterial hält die Deckschichten auf Abstand, sodass sich diese Strukturen mechanisch mit einem flächigen Doppel-T-Träger vergleichen lassen, der ein hohes Flächenträgheits-Moment bietet.

Die Deckschichten nehmen unter Belastung auftretende Zugkräfte an der Oberseite sowie Druckkräfte an der Unterseite auf, während der Kern für das Übertragen von Schubkräften zuständig ist. Durch das Erhöhen des Abstandes der beiden Deckschichten voneinander vervielfachen sich Steifigkeit und Festigkeit, während das Gewicht auf Grund der geringen Dichte des Kernmaterials nur geringfügig ansteigt. [11]

Wie bereits erwähnt, zeichnen sich geeignete Deckschichten durch eine hohe Steifigkeit aus. Häufig finden deshalb Metalle oder Faser-Kunststoff-Verbunde Verwendung. Kernmaterialien sollten so leicht wie möglich sein, wodurch sich zelluläre Strukturen von Polymerschäumen besonders gut eignen. Bei der Auswahl ist hier zudem auf eine gute Aufnahme von Schubkräften zu achten. [12]

Entstehung physikalischer Bindungen bei Thermoplasten - a) Die zu verbindenden Oberflächen befinden sich auf Abstand, b) Erreichen eines sehr engen Kontaktes, c) Auslöschen der Grenzflächen durch Interdiffusion (Bildquelle: C. Ageorges, L. Ye, und M Hou)

Entstehung physikalischer Bindungen bei Thermoplasten - a) Die zu verbindenden Oberflächen befinden sich auf Abstand, b) Erreichen eines sehr engen Kontaktes, c) Auslöschen der Grenzflächen durch Interdiffusion(Bildquelle: C. Ageorges, L. Ye, und M Hou)

Geeignete Kern-Deckschicht-Kombinationen

Die mechanischen Eigenschaften von Sandwichstrukturen hängen nicht nur von der Art und der Qualität der Deckschichten und des Schaumkerns, sondern auch von der Stärke der Verbindung zwischen den beiden Komponenten ab. In der Literatur wurde gezeigt, dass das Versagen des Verbunds bei Biege-, Druck- und Zugbelastung in den meisten Fällen durch ein vorhergehendes Versagen der Grenzfläche zwischen Deckschicht und Kern ausgelöst wird. [13] Allgemein ist bekannt, dass bei der Haftungsausbildung zwischen zwei Werkstoffen drei verschiedene Bindungsarten zum Tragen kommen: Chemische (kovalente) oder physikalische (Nebenvalenzkräfte, Verschlaufungen der Moleküle) Bindungen sowie mechanische Reibung oder Formschluss. Physikalische Bindungen entstehen zum Beispiel beim Verschweißen zweier thermoplastischer Kunststoffe durch Interdiffusion von Polymermolekülen über die Grenzfläche. Die Voraussetzungen dafür sind ein sehr enger Kontakt der Komponenten und eine Kontakttemperatur oberhalb der Glasübergangstemperatur bei amorphen bzw. oberhalb der Schmelztemperatur bei teilkristallinen Thermoplasten. Der Grad der Diffusion ist dabei ausschlaggebend für die Stärke der Verbindung. Im Idealfall ist anschließend keine Grenzfläche mehr vorhanden und die Verbindung besitzt die mechanische Festigkeit des kompakten Materials. [14]

Idealerweise verbindet man also gleichartige Thermoplaste miteinander und nutzt dazu gezielt die Einstellung des optimalen Prozessfensters, um die zusätzliche Verwendung eines Klebstoffes zu vermieden. Zudem wirken sich Verbunde aus der gleichen Stofffamilie positiv auf das Recycling-Verhalten aus und darüber hinaus ist zu erwarten, dass Skaleneffekte zu einer weiteren Steigerung der Wirtschaftlichkeit führen.

In-situ-Partikelschaumkern im Verbund mit maßgeschneiderten Thermoplast-Deckschichten (BIldquelle: V. Altstädt, M. Mühlbacher, und J. Beck)

In-situ-Partikelschaumkern im Verbund mit maßgeschneiderten Thermoplast-Deckschichten(BIldquelle: V. Altstädt, M. Mühlbacher, und J. Beck)

Partikelschaum-Sandwichelemente und deren besondere Potenziale

Einer der wesentlichen Vorteile der Partikelschaum-Technologie ist die Möglichkeit, ohne Nachbearbeitung komplexe dreidimensionale Leichtbauteile mit homogener Dichteverteilung in großer Stückzahl herstellen zu können. Kombiniert man diese vorteilhafte Prozessführung nun mit Technologien, wie dem Heißpressen oder Spritzgießen, mit denen sich thermoplastische Deckschichten als Freiform-Oberflächen oder Bauteile mit zusätzlicher Funktionsintegration herstellen lassen, erhält man wirtschaftlich attraktive, ultraleichte Sandwichelemente nahezu beliebiger Geometrie. [16]

Neben den bisher bekannten Partikelschäumen wird stets weiter an Möglichkeiten zur Herstellung neuartiger Schaumpartikel sowie deren kostengünstiger, robuster Verarbeitungstechnik geforscht. Unter anderem stehen dabei vermehrt technische Thermoplaste im Fokus, die auch als Matrixmaterial für Faser-Kunststoff-Verbunde in Anwendungen bei erhöhten Temperaturen zum Einsatz kommen. Dies ermöglicht es, die hervorragenden thermischen und mechanischen Eigenschaften von technischen Kunststoffen mit der geringen Dichte von Schäumen zu kombinieren und die Charakteristik von Materialverbunden und Sandwichsystemen maßgeschneidert einzustellen. Weiterhin lassen sich die oben beschriebenen Vorteile von Einstoffsystemen nutzen.

Zukünftige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden die aufgezeigten Kombinationstechnologien weiterentwickeln. Dabei machen dampflose oder dampfarme Verarbeitungsmethoden den Einsatz von Partikelschäumen zunehmend auch wirtschaftlich attraktiver. Zudem eröffnen sich neue Möglichkeiten hinsichtlich der realisierbaren Bauteilgeometrien. Die Weiterentwicklungen in Materialien und Prozesstechnik erlauben es, hochbeanspruchbare, extrem komplexe Bauteile bis hin zu vollständig geschlossenen Sandwichstrukturen zu realisieren und damit die Einsatzgebiete dieser Werkstoffe signifikant auszuweiten. [17]

Literaturverzeichnis

[2]. Altstädt, V., Mühlbacher, M. und Beck, J.: Großserientaugliche thermoplastische Sandwich-Strukturen. Lightweight Design. 2014, S. 56–62.

[3]. Grünewald, J., Parlevliet, P. und Altstädt, V.: Manufacturing of thermoplastic composite sandwich structures: A review of literature. Journal of Thermoplastic Composite Materials. 2015.

[4]. Heim, H. P.: Eigenverstärkte Thermoplastverbunde. 2014.

[5]. Fathi, A.: Particle Foams – Current Trends and Future Developments. Köln: Polymer Foam, 2014.

[6]. Köppel, T.: Halogenfrei flammgeschütztes Polybutylenterephthalat und dessen Verarbeitung zu Polymerschäumen. Dissertation, Universität Bayreuth. 2014.

[7]. Eyerer, P., Hirth, T. und Elsner, P.: Polymer Engineering. Pfinztal: Springer, 2008.

[8]. EPP-Forum e.V. [Online] 2014. www.epp-forum.com.

[9]. Trassl, C. und Wörthwein, H.: Klasse statt Masse. Kunststoffe. 2010.

[10]. Fathi, A. und Altstädt, V.: Multifunctionality of Polymer Composites. Elsevier. 2015.

[11]. Weißbach, W.: Werkstoffkunde. Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2012.

[12]. Mills, N.: Polymer Foams Handbook. Oxford: Elsevier, 2007.

[13]. Zepf, H. P.: Faserverbundwerkstoffe mit thermoplastischer Matrix. Renningen-Malmsheim: Expert, 1997.

[14]. Ehrenstein, G.: Handbuch Kunststoff-Verbindungstechnik. München: Carl Hanser, 2004.

[15]. Ageorges, C., Ye, L. und Hou, M.: Advances in fusion bonding techniques for joining thermoplastic matrix composites: A review. 2001, S. 839–857.

[16]. Partner des +Composites Projekts: [Online] www.pluscomposites.eu/publications.

[17]. Spitzer, S., Bürke, E. und Hufenbach, W.: FKV-Sandwichstrukturen beflügeln den Leichtbau. 2013.

ist Mitarbeiter von Neue Materialien Bayreuth, Bayreuth.

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