HSC Fräsen von Teilen der Spritzgussform.

HSC Fräsen von Teilen der Spritzgussform.

Viele Produkte sollen unsere Sinne ansprechen. So auch Schokolade. Obwohl der Geschmack einer der Gründe ist, weshalb Schokolade so beliebt ist, ist auch die optische Erscheinung ein wichtiger Faktor. Die in der Schweiz ansässige Max Riner, Rupperswil, sorgt dafür, dass Schokolade appetitlich aussieht. Ihre Formen werden von allen weltweit führenden Schokoladenherstellern verwendet. Diese Formen müssen nicht nur den künstlerischen und unternehmerischen Anforderungen des Schokoladenproduzenten genügen, sondern auch den technischen Spezifikationen der zur Massenpr

oduktion eingesetzten Maschinen. Das Schweizer Unternehmen arbeitet dabei sowohl mit dem Maschinenhersteller als auch dem Endkunden – dem Schokoladenproduzenten – zusammen, um die jeweils geeignete Form zu entwerfen.

Vor 70 Jahren von Max Riner gegründet, wird das Unternehmen heute in zweiter und dritter Generation geführt. „Unsere größte geschäftliche Herausforderung besteht darin, im globalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein”, sagt Urs Truttmann, technischer Direktor. „Wir müssen uns gegen zahlreiche Hersteller kostengünstiger Formen behaupten. Und da die Kostenstruktur in der Schweiz höher ist als in vielen anderen Ländern, können wir in dieser Hinsicht nicht konkurrieren. Wir sind jedoch bekannt für die exzellente Qualität unserer Polycarbonat-Formen sowie die Tatsache, dass wir äußerst flexibel sind und jeder Anfrage nachkommen können. Unser Ziel ist es, dieses Kapital weiter auszubauen und in einen Wettbewerbsvorteil zu verwandeln”, erklärt er.

20 Kavitäten für 20 Schokoladensorten

Hat ein Hersteller eine Idee für ein neues Schokoladenprodukt, kann er sich darauf verlassen, dass Max Riner es für ihn entwickeln oder seine Designvorschläge optimieren kann. „Jede Form wird exakt nach den Kundenspezifikationen angefertigt”, betont Truttmann. „Wir sind bereits in der frühen Entwicklungsphase beteiligt und bringen unsere gesamte Erfahrung ein, um eine Form zu kreieren, die in einer ästhetisch ansprechenden Schokolade resultiert. Ist die Form nicht korrekt gestaltet, kann der Entnahmevorgang sogar die Schokolade beschädigen.” Die Besonderheiten der Massenproduktion machen die Entwicklung industrieller Schokoladenformen zu einer komplexen Angelegenheit. „Beispielsweise kann eine Form 20 Kavitäten haben, um 20 Schokoladen herzustellen, wobei jede Kavität kleine Details wie Logos oder Reliefs aufweisen kann. Diese versehen die Schokolade mit speziellen ‘Gravuren’”, erläutert Truttmann.

„Bei der Massenproduktion muss jede einzelne Schokolade exakt dasselbe Gewicht haben. Aus rechtlichen Gründen darf keine zu leicht sein, und aus wirtschaftlichen Gründen darf keine zu schwer sein. Unser Job ist es sicherzustellen, dass jede Kavität exakt dasselbe Volumen und dieselben Abmessungen aufweist. Außerdem müssen sich die Formen zur industriellen Handhabung eignen, weil sie während des Produktionsvorgangs gewaschen, gehämmert, vibriert und verdreht werden. Sie müssen daher sowohl flexibel als auch widerstandsfähig sein. Zudem müssen sie so gestaltet sein, dass sich die Schokolade leicht entnehmen lässt und die Form nicht unnötig beansprucht wird. Dies alles stellt uns vor große Herausforderungen”, sagt Truttmann. In der Vergangenheit hat Max Riner seine Formen und Werkzeuge mit Hilfe verschiedener 2D-Programme entworfen. Mit zunehmendem Wettbewerbsdruck in der Branche musste das Unternehmen jedoch seine Prozesse verschlanken, kreativer und präziser arbeiten und die Zusammenarbeit mit seinen Kunden optimieren. „Früher haben wir ein 2D-CAD-Tool zum Anfertigen der Formen und Werkzeuge benutzt und mit einem weiteren Tool die Oberflächen gestaltet. Anhand der daraus resultierenden 3D-Daten haben wir das NC-Programm erstellt”, beschreibt Truttmann. „Diese Vorgehensweise war jedoch immer wieder mit bestimmten Schwierigkeiten verbunden, so dass wir unsere Designs häufig überarbeiten mussten. Dadurch wurde die gesamte Produktionskette unterbrochen. Außerdem war es schwierig, das Feedback des Kunden einzubinden. Deshalb brauchten wir mehr Datenintegration und -kompatibilität.”

Form und Werkzeug miteinander verknüpft

Schokoladenformen für Ostern aus Polycarbonat.

Schokoladenformen für Ostern aus Polycarbonat.

Im Rahmen der neuen Unternehmensstrategie beschloss das Management von Max Riner, seine Softwareinstallation zu modernisieren und zu vereinheitlichen. Die Entscheidung fiel auf die Plattform 3DExperience und die Branchenlösung Single Source for Speed von Dassault Systèmes, Stuttgart. Mit den zugehörigen Komponenten Catia für Design und Enovia für Kooperations- und Datenmanagement verwaltet das Unternehmen seine Formen- und Spritzgusswerkzeug-Entwicklung. „Vor Catia waren Form und Werkzeug nicht miteinander verknüpft”, erklärt Truttmann. „Mussten geringfügige Veränderungen an einem von beiden vorgenommen werden, war dies immer entsprechend arbeitsaufwändig. Der integrierte Ansatz von Single Source for Speed bringt uns heute eine enorme Zeitersparnis, weil alles automatisch aktualisiert wird. Verschärften sich beispielsweise während der Anfertigung eines Hohlraum-Stempels die Toleranzen, mussten bei jeder neu erstellten Zeichnung, diese neuen Werte eingefügt werden, sofern überhaupt jemand daran dachte. Heute brauchen wir solche Änderungen nur ein einziges Mal vorzunehmen, und jede neue Zeichnung enthält bereits die neuen Toleranzen.” Mit Single Source for Speed verwenden  die Schweizer auch Enovia, um alle CAD-Daten zu verwalten und Design-Versionen zu verfolgen. „Damit können wir sicherstellen, dass wir immer mit der richtigen Version eines Modells arbeiten”, erklärt Truttmann. „Als Nächstes wollen wir Enovia einsetzen, um unsere Stücklisten für die Produktion zu verwalten und alle CAD-Daten mit unserem ERP-System zu verbinden.” Während die Mitglieder des Designteams im selben Büro arbeiten und sich daher einfach untereinander austauschen können, ist das nicht bei allen Mitarbeitern von Max Riner der Fall. „Mit dem Tool 3DLive kann jetzt das gesamte Unternehmen jederzeit auf alle CAD-Informationen zugreifen und sowohl ältere als auch in Entwicklung befindliche Formen aufrufen”, erläutert Truttmann. „Speziell unsere Produktionsingenieure müssen sich nicht mehr wegen Informationen an die Entwickler wenden, sondern haben selbst Zugriff darauf.”

50  Prozent kürzere Entwicklungszeit

Der Schweizer Formen- und Werkzeug-Hersteller konnte mit Single Source for Speed erhebliche Vorteile bei der Durchlaufzeit verzeichnen. „Für Aufgaben, die normalerweise einen halben Tag in Anspruch nehmen würden, brauchen wir heute nur noch eine halbe Stunde”, sagt Truttmann. „Das heißt, wir können mehr Aufträge annehmen, weil unsere Bearbeitungszeit kürzer ist. Früher dauerte ein vollständiges Projekt, von der Erstanfrage bis zur Fertigstellung, normalerweise bis zu drei Monate. Dabei nahm allein die Konstruktionsphase die Hälfte der Zeit in Anspruch, die wir jetzt auf rund drei Wochen verkürzen können. Dies lässt uns mehr Zeit für andere Aktivitäten, und natürlich auch mehr Zeit für Innovationen.”

Außerdem kann man mit Single Source for Speed auch schneller auf Änderungswünsche der Kunden reagieren. „Anstatt zwischen Änderungsanfragen mehrere Stunden zu warten, können wir heute sofort reagieren”, meint Truttmann. „Der Kunde ist folglich auch stärker in den Gestaltungsprozess einbezogen, weil wir ihm jede Veränderung seiner Form in 3D zeigen können. Catia ist so schnell, dass wir binnen weniger Stunden eine Vielzahl unterschiedlicher Design-Varianten erstellen können. Da sich dank dem PLM-System zudem die Präzision und Qualität der Modelle erhöht hat, konnten wir die Ausschussquote in der Formenproduktion drastisch senken”, unterstreicht Truttmann. Seit das Unternehmen 2014 die Plattform eingeführt hat, hat sich auch die Arbeitsatmosphäre im Konstruktionsteam verbessert. „Obwohl die Mitarbeiter früher sehr viel Zeit und Mühe aufgebracht haben, kam es immer wieder zu Fehlern. Sie konnten mit der zur Verfügung stehenden Software einfach nicht die Qualitätsprodukte anfertigen, die wir von ihnen erwarteten. Das war teilweise sehr frustrierend für das Team”, erinnert sich Truttmann.

Intelligente Formen

Virtuelles Design einer Schokolade in PLM-System.

Virtuelles Design einer Schokolade in PLM-System.

Die Geschäftsleitung des Rupperswiler Spezialisten möchte die zahlreichen technologischen Vorteile der vergangenen Jahre nutzen. Die 4. industrielle Revolution mit dem Internet der Dinge zeigt Auswirkungen auf der Produktionsebene: Das Unternehmen versieht seine Formen nun mit Funketiketten (RFIDs), so dass der Kunde den Lebenszyklus seiner Formen überwachen kann. „Die Industrie braucht ein klares Bild von den Lebenszyklen der einzelnen Formen. Intelligente Formen ermöglichen es den Schokoladenherstellern, jede einzelne Form während des Produktionsprozesses zu verfolgen. Sie können sehen, wie oft die Formen gewaschen, verdreht, gehämmert und vibriert werden und haben so eine bessere Übersicht über die Nutzungsdauer jeder Form. Wenn man bedenkt, dass eine fehlerhafte Form die Produktion für einen ganzen Tag aufhalten und den Schokoladenhersteller Millionen kosten kann, ist es eindeutig von Vorteil, den Lebenszyklus einzelner Formen kontrollieren zu können.”

Für die Zukunft plant Max Riner auch den Energieverbrauch seines Spritzgussverfahrens zu verringern. „Mithilfe der virtuellen Simulation möchten wir die Energieeffizienz dieses Verfahrens steigern”, sagt Truttmann. „Optimierte Prozesse helfen Unternehmen, Material und damit Geld einzusparen. Außerdem kommt es auch der Umwelt zugute, weil ein optimiertes Werkzeuglayout die Zykluszeiten verkürzen und dadurch den Energieverbrauch senken kann.”

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Dassault Systèmes Deutschland GmbH

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