1944 wurde eine der ersten manuell betriebenen Spritzgießmaschinen von Van Dorn gefertigt.

1944 wurde eine der ersten manuell betriebenen Spritzgießmaschinen von Van Dorn gefertigt.

1944 wurde eine der ersten manuell betriebenen Spritzgießmaschine von Van Dorn gefertigt. Das Prinzip war einfach, aber genial. Die Maschine spritzt den Kunststoff mit einem einfachen Kolben in die Kavität. Der Kolben ist mit einem Steuerrad fest verbunden. Über dieses Steuer wird die Geschwindigkeit des Kolbens, damit auch der Druck und der Prozess des Spritzgießens vom Anwender direkt beeinflusst. Naturgemäß und im Vergleich zu den heutigen Anlagen, entsteht auf diese Weise eine hohe Wahrscheinlichkeit inkonsistenter Zyklen, aufgrund der manuell bedingten Veränderungen hinsichtlich Geschwindigkeit und folgerichtig der Viskosität innerhalb eines Schusses. Bei den heutigen Spritzgießmaschinen wird der Kolben durch eine Schnecke, eine der wichtigsten Innovationen in der Anlagenkonstruktion, ersetzt. Aber trotz aller technologischer Innovationen, wie Schnecke oder auch der vollautomatischen Steuerung der Prozesse, und der damit bewirkten Reproduzierbarkeit des Gesamtprozess, sehen sich Konstrukteure und Produzenten immer noch mit Qualitätsproblemen aufgrund von unbalancierten Füllvorgängen und damit erhöhten Ausschussvolumen oder möglichen Prozesslimitierungen konfrontiert.

Spritzgießversuch mit einem 8-fach-Werkzeug (Material: links Polycarbonat, rechts TPE): einmal auf einer vollautomatischen Spritzgießmaschine (links) und einmal auf der manuell betriebenen Spritzgießmaschine von 1944 (rechts). In beiden Fällen erkennt man in der rechten Werkzeughälfte den Einfluss, der auf der anderen Seite fehlt
Spritzgießversuch mit einem 8-fach-Werkzeug (Material: links Polycarbonat, rechts TPE): einmal auf einer vollautomatischen Spritzgießmaschine (links) und einmal auf der manuell betriebenen Spritzgießmaschine von 1944 (rechts). In beiden Fällen erkennt man in der rechten Werkzeughälfte den Einfluss, der auf der anderen Seite fehlt. (Bild: Simpatec)

Warum Füllsimulationen wichtig sind

Komplette Umlenkung des Schmelzeflusses im Verteiler durch die Angussmodifikation
Komplette Umlenkung des Schmelzeflusses im Verteiler durch die Angussmodifikation. (Bild: Simpatec)

Mit der Angussmodifikations-Technologie Melt-Flipper, entwickelt von Beaumont Technologies, ein Anbieter im Bereich Anwendung und Entwicklung rheologischer Kontrollsysteme, wird das Fließverhalten der Kunststoffe im Verteilersystem genauestens analysiert. Und mittels einfacher Veränderungen des Verteilers wird das System in Richtung gleichmäßiger Füllung in der Kavität sowie auch den Kavitäten zueinander optimiert. Durchgeführt wurde ein vergleichbarer Herstellungsprozess mit dem gleichen 8-fach-Werkzeug zum einen auf der manuell betriebenen Maschine von 1944, und zum anderen, auf einer vollautomatisierten Spritzgussmaschine. Bei der rechten Seite der Kavität wurde das System Melt-Flipper angewandt und bei der anderen Hälfte nicht. Der Unterschied wird sofort erkennbar.

Erstaunlicher Weise zeigen beide Maschinen das gleiche typische ungleichmäßige Fließverhalten auf der linken Seite der Form (ohne die Melt-Flipper-Technologie). Die rechte Seite der Form zeigt eine gleichmäßige Füllung aller vier Kavitäten aufgrund der optimalen Ausbalancierung des Schmelzeflusses. Es ist erstaunlich, über 60 Jahre technologischer Fortschritt der Maschinenentwicklungen hat nicht ausgereicht, diesen Einfluss maschinentechnisch zu negieren. Natürlich stellt sich sofort die Frage, wenn die neue Technologie schon erfolgreich bei einer von 1944 manuell betriebenen Spritzgussmaschine eingesetzt werden kann, welches Potenzial birgt die Technologie beim Einsatz in modernen hydraulischen oder elektrischen Spritzgießmaschinen. Schon jetzt ist die rheologische Technologie das, was die Schnecke für die Standardspritzgießmaschine war – eine zulässige technologische Innovation.

Das durch Scherung entstandene Temperaturprofil teilt sich am Unterverteiler, die einzelnen Kavitäten werden mit Schmelze unterschiedlicher Temperatur versorgt
Das durch Scherung entstandene Temperaturprofil teilt sich am Unterverteiler, die einzelnen Kavitäten werden mit Schmelze unterschiedlicher Temperatur versorgt. (Bild: Simpatec)

Welche Faktoren nehmen Einfluss auf das Fließverhalten?

Die Viskosität wird durch Scherrate und Temperatur beeinflusst; erhöht sich die Temperatur oder Scherrate, sinkt die Viskosität.
Die Viskosität wird durch Scherrate und Temperatur beeinflusst; erhöht sich die Temperatur oder Scherrate, sinkt die Viskosität. (Bild: Simpatec)

Während des Füllvorganges treten in der Kavität oft sehr große Unterschiede hinsichtlich Druck-, Temperatur-, Viskositäts- und Materialeigenschaften aufgrund eines ungleichmäßigen Schmelzeflusses auf. Diese Unbalancierungen entstehen durch das Fließverhalten der Schmelze in der Kavität. Die Viskosität der Kunststoffe wird von Scherrate und Temperatur beeinflusst. Erhöht sich die Scherrate, verringert sich die Viskosität. Erhöht sich die Temperatur, verringert sich die Viskosität. Die höchste Scherrate liegt direkt an der eingefrorenen Randschicht. Die Scherviskosität und die Schererwärmung reduziert die Viskosität in diesem Bereich. Die Folge können ungleichmäßige Bauteilabmaße, Füllbilder, Einfallstellen, Verzüge oder hohe Einspritzdrücke sowie Oberflächenfehler sein.

Eine kontinuierliche Kontrolle der Fließeigenschaften während des Spritzgussvorganges ist meist schwierig, mehr Erfolg hat eine Beeinflussung im Verteilersystem. Mittels einfacher Veränderungen des Verteilers können Füllvorgänge kontrolliert, beeinflusst und ein gleichmäßiges Fließverhalten erzielt werden. Ungleichmäßigkeiten des Fließverhaltens in der Kavität aber auch zwischen den einzelnen Kavitäten werden effizient optimiert und damit Ausschussvolumen und Zykluszeiten reduziert sowie die Produktivität und damit die Wirtschaftlichkeit erhöht. Ferner entfällt auch der Aufwand, dass die einzelnen Kavitäten in unterschiedlicher Art und Weise optimiert werden müssen.

Das Fließverhalten der Schmelze mit (rechts) und ohne (links) mittels Angussmodifikation unterscheidet sich deutlich.
Das Fließverhalten der Schmelze mit (rechts) und ohne (links) mittels Angussmodifikation unterscheidet sich deutlich. (Bild: Simpatec)

Wie die Produktionsleistung einer 4-fach Kavität gesteigert werden kann

Im vorliegenden Fallbeispiel gab es Verzugsprobleme und Oberflächenfehler beim Einsatz eines anspruchsvollen Werkzeuges, einer 4-fach Kavität, für die Herstellung eines Bauteils aus dem Automobilsektor – hohe Ausschussvolumen und lange Zykluszeiten waren die Folge. Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Werkzeuges wurde festgestellt, dass die Form nur maximal 75 % ihrer Leistungsfähigkeit erreichte. Die Kosten für die Maschine, das eingesetzte Material und die Qualitätskontrolle überstiegen bei weitem ein annehmbares Maß zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Rentabilität. Die Vermutung lag nahe, dass das Problem in der Unbalanciertheit des Werkzeuges lag. Mittels einfacher Veränderungen des Verteilers mit der Angussmodifikation-Technologie konnten bei der Kavität die Füllvorgänge kontrolliert, beeinflusst und hinsichtlich eines gleichmäßigen Fließverhaltens optimiert werden. Die rheologischen Kontrollmaßnahmen stellen gleichmäßige Materialeigenschaften in jeder Kavität und somit eine vollständige Leistungsauslastung des Werkzeuges. Gleichzeitig konnten die Kosten für die Maschine, Material, Wartung und Qualitätskontrollen erheblich gesenkt werden. Nachweislich erzielte der Kunde eine jährliche Kostenreduzierung von rund 32.470 Dollar, bis zum Ende der Projektlaufzeit konnten somit fast 114.000 Dollar eingespart werden.

Quelle: Simpatec

Ohne Balancierung treten bei der Produktion im 4-fach-Werkzeug Verzugsprobleme und Oberflächenfehler auf (links), die durch die Ausbalancierung des Fließverhaltens eliminiert werden (rechts).
Ohne Balancierung treten bei der Produktion im 4-fach-Werkzeug Verzugsprobleme und Oberflächenfehler auf (links), die durch die Ausbalancierung des Fließverhaltens eliminiert werden (rechts). (Bild: Simpatec)

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