Klaus Voillrath

Beim Bearbeiten von Grafit bläst Druckluft die entstehenden Stäube von der Zerspanstelle weg. Beim Hartbearbeiten enthält diese Druckluft zusätzlich einen geringen Öl-Anteil. (Bild: Klaus Vollrath)

Das 5-Achs-HSC-Fräsbearbeitungszentrum verarbeitet im ständigen Wechsel Grafit und Stahl. (Bildquelle: Klaus Vollrath)

Das 5-Achs-HSC-Fräsbearbeitungszentrum verarbeitet im ständigen Wechsel Grafit und Stahl.(Bildquelle: Klaus Vollrath)

„Die Herstellung von Kunststoffteilen für anreihbare Klemmen sowie Gehäuse für Schaltschränke stellt höchste Anforderungen an die Präzision der Spritzgießwerkzeuge“, erläutert Stefan Flachmann, Leiter der Abteilung Special Tooling im Werkzeugbau von Phoenix Contact, Blomberg. Sowohl beim Hartbearbeiten als auch beim Herstellen der Elektroden spielt Präzision eine entscheidende Rolle. Zumal häufig filigrane Konturen und ungünstige Verhältnisse von Wanddicke zu Höhe der Stege zusammenkommen. Dies erfordert teils Werkzeuge mit Fräserdurchmessern bis herab zu 0,2 mm sowie Toleranzen im µm-Bereich, weil auch kleine Abweichungen in der Summe zu teils grotesken Winkel- und Torsionsfehlern führen können. Das Unternehmen, das Komponenten und Systemlösungen für die Elektrotechnik, Elektronik und Automation herstellt, fertigt daher die benötigten Spritzgießwerkzeuge für die weltweit angesiedelten Produktionswerke selbst.

Klaus Voillrath

Beim Bearbeiten von Grafit bläst Druckluft die entstehenden Stäube von der Zerspanstelle weg. Beim Hartbearbeiten enthält diese Druckluft zusätzlich einen geringen Öl-Anteil.(Bildquelle: Klaus Vollrath)

„Bei der Entwicklung neuer Werkzeuge geht es aber um weit mehr als um die Präzision der erzeugten Teile“, ergänzt Nikolaus Chaintoutis, Werkstattleiter in der Abteilung Special Tooling des Werkzeugbaus von Phoenix Contact. Ein Team von 35 Mitarbeitern entwickelt Werkzeuge und Verfahren für die Produktion und stellt darüber hinaus Prototypwerkzeuge her. Dabei legt es großen Wert auf Prozessfähigkeit und Beherrschbarkeit der späteren Produktion. Deshalb arbeitet der Werkzeugbau mit den Abteilungen eng zusammen, die später mit den Formen produzieren. Bevor ein Werkzeug die Abteilung verlässt, läuft es außerdem acht Stunden am Stück. Anschließend überprüfen die Mitarbeiter, ob es alle Anforderungen erfüllt. Erst dann geht es in die jeweilige Abteilung, um dort zu produzieren. Für das Auslegen und Umsetzen des Werkzeugs kommen moderne Verfahren zum Einsatz: einerseits mit Blick auf die spätere Anwendung, andererseits, um die eigenen Arbeitsprozesse effizient zu halten. So setzt die Abteilung auf vernetzte Produktionssysteme. Ein Beispiel hierfür ist eine verfahrensgemischte Fertigungskette, die aus zwei Fräsbearbeitungszentren besteht: je eines von Röders, Soltau, für das Hartbearbeiten der Stahlteile als auch das Herstellen der Grafitelektroden und eines von DMG, Leonberg, für die Weichbearbeitung. Dazu kommen eine Senkerodieranlage, eine Koordinatenmessmaschine, ein Waschautomat und mehrere Tellermagazine für Fräswerkzeuge sowie für Paletten für Stahlwerkstücke und Grafitelektroden. Das Teilehandling übernimmt ein System von Erowa, Büron, Schweiz.

Blick auf die feinen Austrittsöffnungen am unteren Ende des Mediumverteilers (Bildquelle: Klaus Vollrath)

Blick auf die feinen Austrittsöffnungen am unteren Ende des Mediumverteilers(Bildquelle: Klaus Vollrath)

Schmiersystem soll Ölreste und Späne im Fräszentrum vermeiden

„Im Rahmen dieser Fertigungskette, die Anfang 2014 installiert wurde, kommt auch das 5-Achs-Fräsbearbeitungszentrum RXP 500 DS von Röders zum Einsatz“, sagt Flachmann. Diese High-Speed-Cutting-Anlage (HSC, Hochgeschwindigkeitsbearbeitung) wurde 2008 installiert und arbeitete zuverlässig im Rahmen der automatisierten Hartbearbeitung. Dabei kam ein konventionelles Minimalmengen-Schmiersystem zum Einsatz. Beim Verknüpfen der unterschiedlichen Systeme Anfang 2014 ließ sich ihre herstellereigene Steuerung dann einfach an Konfigurationsänderungen des Gesamtsystems anpassen.

MHT

Beim Bearbeiten von Grafit bläst Druckluft die entstehenden Stäube von der Zerspanstelle weg. Beim Hartbearbeiten enthält diese Druckluft zusätzlich einen geringen Öl-Anteil.(Bildquelle: MHT)

Da die Anlage in ihrer neuen Umgebung auch Grafit bearbeiten sollte, musste der Anwender die bisherige Schmierphilosophie umstellen: Mit der vorherigen Minimalmengen-Schmierung, die er recht hoch dosierte, lagerte sich Ölr an Maschinentisch, Platte und im Arbeitsraum ab. An diesen öligen Flächen hätte sich beim Bearbeiten von Grafit unweigerlich dessen Staub abgelagert, was zu Problemen bei der Automation geführt hätte. Um dies zu vermeiden, wäre ein manuelles Reinigen der Maschine bei jedem Wechsel des zu bearbeitenden Materials nötig gewesen. Ganz auf die Schmierung zu verzichten, ging ebenfalls nicht. Tests zeigten schnell, dass sich die gewünschte Bearbeitungsqualität so nicht halten lassen würde. Daher musste eine Lösung gefunden werden, die die unterschiedlichen Anforderungen der beiden Werkstoffklassen gleichermaßen erfüllte.

„Bei der Suche stießen wir auf den Mediumverteiler der Firma MHT, Schramberg, der es ermöglicht, mit nur einem System die eigentlich gegensätzlichen Anforderungen einfach und zuverlässig zu erfüllen“, erinnert sich Chaintoutis.

Klaus Vollrath

Beim Werkzeugtausch wird die Kombination aus Mediumverteiler (rot) und Werkzeug im gleichen Arbeitsgang ausgewechselt.(Bildquelle: Klaus Vollrath)

Ein Mediumverteiler ist eine Art Hülse, welche den Werkzeughalter eng umschließt, ohne ihn zu berühren. Dieser Düsenkörper rotiert nicht mit dem Werkzeug, sondern wird über einen Adapter fest an der Z-Achse angeflanscht. Zwei Leitungen versorgen ihn mit Druckluft und einem Schmierstoffmedium, normalerweise Öl. Beide Medien werden im Düsenkörper gemischt und über einen Kranz feiner Kanäle im Düsenkörper bis dicht an den Werkzeugschaft geführt. Der Schaft und die Werkzeugspitze werden so durch einen scharfen Strahl aus Luft beziehungsweise aus einem Gemisch aus Schmierstoff und Luft bis zur Werkzeugspitze umströmt. Der scharfe Strahl sorgt gleichzeitig dafür, dass Abrieb und Späne zielgenau aus dem Arbeitsbereich der Schneide entfernt werden, was selbst bei tiefen Schlitzen und Taschen ausgezeichnet funktioniert.

Das zielgenaue Zuführen des Öl-Luft-Gemisches ermöglicht es, trotz einer gegenüber der konventionellen Vorgehensweise geringeren Ölmenge, die Fräswerkzeuge beim Hartbearbeiten ausreichend zu schmieren. Aufgrund der geringen Ölmenge gibt es daher quasi keinerlei Ablagerungen und somit bei der anschließenden Grafitbearbeitung auch kein Anhaften.

Der Düsenkörper und das Spannfutter mit dem Werkzeug lagern als Einheit im Werkzeugmagazin und lassen sich in einem Arbeitsgang auswechseln. Als Schnittstelle für das Spannfutter fungiert nach wie vor eine der üblichen genormten Aufnahmen, wie in diesem Fall ein HSK40E, während der Mediumverteiler über eine eigene Schnittstelle seitlich an der für ihn vorgesehenen Anschlussstelle unterhalb der Spindel angedockt ist. Das Austauschen des Verteilers, der zwischen Spindel und Werkzeugwechsler sitzt, geht ebenso schnell wie ein normaler Werkzeugwechsel. Der Werker muss lediglich die Aufnahmen in den Magazinen anpassen. Aufgrund dieses Konzepts war das Nachrüsten der Fräsmaschine relativ einfach.

Phoenix Contact

Typisches Produkt: Doppelstock-Messertrennklemmen mit universellem Schraubanschluss(Bildquelle: Phoenix Contact)

Mediumverteiler hält Qualität stabil und Wartungsaufwand gering

„Der Einsatz des Mediumverteilers hat sich bei uns inzwischen bewährt“, sagt  Flachmann. Die Fräsmaschine kommt im Rahmen der gemischten Fertigungsinsel für die Hart- und Weichbearbeitung von Stahl ebenso wie für Grafitelektroden zum Einsatz. Beim Bearbeiten von Grafit bläst Druckluft die entstehenden Stäube von der Zerspanstelle weg. Beim Hartbearbeiten enthält diese Druckluft zusätzlich einen geringen Öl-Anteil.

In beiden Fällen blieb die Qualität der produzierten Teile stabil im Vergleich zum Bearbeiten in zwei getrennten Fräsmaschinen. So bringt die Anlage beispielsweise Passungen bis H7 in Werkzeugstähle mit Härten von 52 HRC ein oder erreicht Toleranzen von +/- 5µm.

Durch die geringen Ölmengen ist der Arbeitsraum durchgehend trocken. Eine Absauganlage entfernt den größten Teil des Grafitstaubs unverzüglich. Daher genügt es normalerweise, einmal pro Arbeitstag den Innenraum mithilfe eines an die Absaugung angeschlossenen Handstaubsaugers kurz zu reinigen.

Durch das Einsetzen von Druckluft beim Grafitbearbeiten sind die Teile nach dem Bearbeiten so sauber, dass sie ohne Zwischenreinigung in die Messmaschine überführt werden. Zudem ist die Bauteiloberfläche besser als früher. Auch das Nullpunkt-Spannsystem bleibt sauber, was wichtig für stabile Prozesse ist. Der Mediumverteiler erhöhte zudem die Werkzeugstandzeiten: Ausfälle durch Werkzeugbruch verringerten sich signifikant. Beim Schruppen von Stahl erhöhte sich die Standzeit im Vergleich zu früher um bis zu 40 Prozent, beim Schlichten legte sie werkzeug- und geometriebezogen um 15 bis 30 Prozent zu. Auch die Werkzeuge für das Herstellen der Grafitelektroden halten jetzt deutlich länger. Diese Erfolge lassen sich darauf zurückführen, dass der Mediumverteiler die erzeugten Späne oder Stäube unmittelbar aus der Kontaktzone zwischen Werkstück und Werkzeug entfernt, was weitere Berührungen vermeidet, die das Werkzeug verschleißen und die Oberflächen beschädigen würden. Dies gilt insbesondere für tiefe Kavitäten, in denen sich bisher die Späne sammelten und die Gefahr bestand, dass diese zwischen Werkzeug und Werkstück hindurchgezogen werden. „Die Frage, ob wir mit der installierten Kombination aus Maschine und Mediumverteiler Fortschritte erzielten, ist eindeutig mit Ja zu beantworten“, bilanziert Chaintoutis und fügt hinzu, dass das Unternehmen durch längere Werkzeugstandzeiten deutliche Kosteneinsparungen erreichte.

betreibt ein Redaktionsbüro in Aarwangen, Schweiz.

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