Braskem stellt im großen Stil  Bio-Polyethylen aus Mais,  Zuckerrohr und Zuckerrübern her. (Quelle: Braskem)

Braskem stellt im großen StilBio-Polyethylen aus Mais,Zuckerrohr und Zuckerrübern her. (Quelle: Braskem) (Bild: Mathias Cramer/temporealfoto.com)

Regenerative Rohstoffe rücken zunehmend in den Fokus zur industriellen Verarbeitung. Pflanzliche und tierische Biomasse     dienen als Kohlenstoffquelle, aus denen sich Basismoleküle herstellen lassen. Antriebsfeder für die Verwendung biogener Kohlenstoffquellen für sogannte Drop-in-Biokunststoffe ist meist das Ziel, Treibhausgase zu reduzieren und Produkte mit Bio-Label herzustellen. Selten sind es wirtschaftliche Gründe, die Anwender dazu bewegen, biobasierte Rohstoffe einzusetzen. Doch der Markt treibt Innovationen voran. Daher finden sich in den Regalen immer mehr sogenannte Bio-Produkte und auch große Industrieunternehmen wie BASF arbeiten daran, Biomasse zu Chemikalien und Polymer-Rohstoffen, also Kohlenstoffbausteinen (C-Bausteinen) zu verarbeiten.

Wie begehrt Biomasse ist, hängt von der Art der Biomasse ab. Die Konkurrenz um nachwachsende Rohstoffe wird steigen, denn mit wachsender Weltbevölkerung wächst auch der Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln und die lebhaften Diskussionen um Bioethanol im Kraftstoff sind vielen noch im Ohr. Daher müssen Prioritäten gesetzt werden.

Unter der Bezeichnung 5F-Kaskade haben Experten eine Reihenfolge erstellt, in der Biomasse am sinnvollsten zu nutzen ist (OECD, 2011, S. 16).Nahrungs- und Futtermittel sollen Vorrang genießen, dann folgen Spezial- und Massen-Chemikalien sowie Inhaltsstoffe für Arzneimittel, dann kommen Fasern und Biomaterialien (Holz, Zellstoff und Papier), erst dann Treibstoffe und Bioenergie, das Ende bilden schließlich Dünger und Bodenverbesserer. Hintergrund der 5F-Kaskade ist, dass man die energetische Nutzung, also die Verbrennung, so spät wie möglich in den Lebenslauf der Biomasse setzen will. Doch solche Kaskaden gibt es im Moment kaum. Sie erfordern es, Stoffströme neu zu ordnen und neue Technologien für die Umwandlung der Biomasse in Wertstoffe zu entwickeln.

Biobasis für Kunststoffe

Für Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe werden beispielsweise Zucker und Stärke, Lignin und Zellulose aus Hölzern und Pflanzenresten oder Öle aus Rizinus und Raps genutzt. Hinzukommen Kasein, Chitin und Chitosan, Collagen (Gelatine) und andere Proteine sowie Naturharze, Wachse und tierische Fette. Schlüsseltechnologien zur Verwertung dieser Rohstoffe entwickelt die Forschung zur industriellen Biotechnologie. Es gibt verschiedene Möglichkeiten aus den genannten biogenen Quellen Biokunststoffe herzustellen: Zum einen lassen sich aus den nachwachsenden Rohstoffen Grundstoffe herstellen, die technisch polymerisiert werden. Ein Beispiel dafür ist der Polyester Polymilchsäure (PLA). Bakterien verwerten zucker- oder stärkehaltige Rohstoffe oder Reststoffe wie Molke zu Milchsäure, die anschließend verfahrenstechnisch zu langen Ketten verknüpft werden – der Polymilchsäure (PLA).

Andererseits gibt es natürliche Polymere, die direkt oder leicht modifiziert zur Kunststoffproduktion verwendet werden können. Dazu zählen Stärke oder Lignin aus Pflanzen oder Polyhydroxyalkanoate (PHA). PHA-Polymere gehören ebenfalls zur Gruppe der Polyester und werden in Bakterien als Speicherstoff gebildet. Als Nahrungsquelle kommen auch hier zucker- oder stärkehaltige Rohstoffe oder Reststoffe wie Molke infrage, aber auch Alkohole und Pflanzenöle.

Bioraffinerie mit Pflanzenstoffen

Zu biogenen Rohstoffalternativen, die nicht mit Nahrungs- und Futtermitteln konkurrieren, gehört beispielsweise Lignozellulose. Diese setzt sich aus Cellulose (Homopolymer aus beta-D-Glucose), Hemicellulose (Polysaccharidgemisch, überwiegend L-Arabinose und D-Xylose) und Lignin (Heteropolymer verschiedener aromatischer Phenylpropanoide) zusammen. In einer Lignocellulose-(LCF)-Bioraffinerie wird pflanzliche Biomasse in Cellulose, Hemicellulose, Lignin und Extrakte getrennt. Hieraus entstehen mit chemischen oder enzymatischen Aufschlussverfahren Zucker, Fette/Öle und Veredlungsprodukte des Lignins. Aus diesen Zwischenstufen können anschließend durch Fermentation Plattformchemikalien wie Ethanol oder Milchsäure und polymere Materialien wie Polyhydroxybuttersäure (C4-Baustein) hergestellt werden, die in die Wertschöpfungsketten der chemischen Industrie einfließen oder diese ergänzen können.

Die Experten der Hochschule Hannover erwarten, dass sich die  Produktion von Biokunststoffen weltweit bis 2018 vervierfachen wird. (Quelle: Hochschule Hannover, Institute for Bioplastics and Biocomposites)

Die Experten der Hochschule Hannover erwarten, dass sich dieProduktion von Biokunststoffen weltweit bis 2018 vervierfachen wird. (Quelle: Hochschule Hannover, Institute for Bioplastics and Biocomposites)

Der Anteil von Bio-PET an der weltweiten Biokunststoffproduktion wird voraussichtlich von knapp 25 Prozent im 2012 auf über 60 Prozent im Jahr 2018 steigen. (Quelle: Hochschule Hannover, Institute for Bioplastics and Biocomposites)

Der Anteil von Bio-PET an der weltweiten Biokunststoffproduktion wird voraussichtlich von knapp 25 Prozent im 2012 auf über 60 Prozent im Jahr 2018 steigen. (Quelle: Hochschule Hannover, Institute for Bioplastics and Biocomposites)

Eine der großen Herausforderungen für die Raffination von lignocellulosehaltigem Biomaterial und für eine ertragreiche Stoffumwandlung in gut verwertbare Chemikalien ist die Entwicklung von Chemie-Katalysatoren beziehungsweise die Suche nach geeigneten Enzymen, Hefen oder Mikroorganismen. So können zum Beispiel auf Basis der Hemicellulosen und der daraus gewonnenen C5 – und C6 -Zucker unter Einsatz geeigneter Mikroorganismen eine Vielzahl von Chemikalien gewonnen werden – analog zur heute auf Glucose basierenden industriellen Biotechnologie. Ein weiterer Ansatz sind Hemicellulosen, die keine sehr hohen Polymerisationsgrade aufweisen, zu pfropfen und querzuvernetzen, um daraus Biokunststoff herzustellen.

In den letzten Jahren wurde bereits eine Vielzahl von physikalischen, chemischen und biologischen Verfahren zur Vorbehandlung und anschließenden Hydrolyse von Lignocellulose entwickelt. Sie unterscheiden sich stark im energetischen Aufwand, der Menge an eingesetzten Chemikalien sowie der daraus resultierenden Substratreinheit und Gesamtprozessdauer.   Der Forschungsbedarf ist in diesem Bereich jedoch noch als sehr hoch einzuschätzen, heißt es in einem aktuellen Diskussionsspapier der Dechema, Frankfurt.

Bio versus Petro –Erfolgreiche Beispiele aus der der Praxis

Aktuell haben Biokunststoffe mengenmäßig noch eine eher geringe Bedeutung am Kunststoffmarkt: Nach der vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) der Hochschule Hannover im Dezember 2013 veröffentlichten Erhebung wurden im Jahr 2012 1,4 Millionen Tonnen produziert. Das ist weniger als ein Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion, die laut Branchenverband Plastics Europe, Frankfurt, bei etwa 300 Millionen Tonnen liegt. Doch gemäß der aktuellen Marktdaten von European Bioplastics, Berlin, dem IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe und dem Nova-Institut, Hürth, werden sich die Produktionskapazitäten für Biokunststoffe bis 2018 vervierfachen.

Lichtgrenze hieß die Installation aus Luftballons, die im vergangenen Jahr an den Mauerverlauf durch Berlin erinnerte. Die Clipse an den Ballons bestanden aus PLA-Blend, einem Biokunststoff. Am IfBB wurde zur Produktion der Clips das geeignete Werkzeug entwickelt. (Quelle: Mudersbach/IfBB)

Lichtgrenze hieß die Installation aus Luftballons, die im vergangenen Jahr an den Mauerverlauf durch Berlin erinnerte. Die Clipse an den Ballons bestanden aus PLA-Blend, einem Biokunststoff. Am IfBB wurde zur Produktion der Clips das geeignete Werkzeug entwickelt. (Quelle: Mudersbach/IfBB)

Diese Zahlen sind einerseits beachtlich, andereseits zeigen sie, dass die Produktionsvolumina von Biokunststoffen immernoch verhältnismäßig klein sind. Allerdings gibt es auch Beispiele die zeigen, wie Biokunststoffe im Vergleich zu petrochemisch basierten Polymeren nicht nur konkurrenzfähig sondern sogar etabliert sind. Dupont, Wilmington, USA, und Genencor, New York, USA, schlossen im Jahr 1995 eine Vereinbarung mit dem Ziel, 1,3-Propandiol (C3-Baustein) biotechnologisch herzustellen. Ein gentechnisch modifizierter Stamm des Bakteriums Escherichia coli setzt Glucose zu Glyzerin um, aus dem sich 1,3-Propandiol synthetisieren lässt. Aus der Veresterung mit Terephthalsäure oder Dimethyl-Terephthalat entsteht der Kunststoff Polytrimethylen-Terephthalat (PTT). Der zu zwei Drittel auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Kunststoff erhielt den Namen Sorona. Den Entwicklern gelang es auf diesem Weg, den biotechnologischen Prozess so zu verbessern, dass er im Kostenvergleich mit dem petrochemischen Verfahren bestehen konnte. Seit 2006 wird der Kunststoff im großtechnischen Maßstab biotechnologisch aus Maisstärke produziert.

Das brasilianische Unternehmen Braskem, São Paulo, Brasilien, legte im Frühjahr 2009 den Grundstein für die erste Anlage der Welt, mit der vollständig biobasiertes Polyethylen aus Bioethanol hergestellt werden kann. Seit 2011 wird dort Bio-Polyethylen im großen Maßstab hergestellt.
Auch jüngere Projekte zeigen,  wie sehr die Chemische Industrie daran interessiert ist, biobasierte Rohstoffe für Kunststoffe zu liefern. Zur Fakuma 2014 präsentierte BASF, Ludwigshafen, ein erstes Produkt, dessen molekulare Basis aus Biogas und Bionaphta erzeugt wurde. Bionaphta wird aus Pflanzenölen oder tierischen Fetten gewonnen und ist in seinen stofflichen Eigenschaften mit der Naphtha-Fraktion aus Erdöl vergleichbar. Aus dem biobasierten Polyamid Ultramid B3EG6 MB (Mass-Balance) fertigt das Unternehmen Kunststoffwerk, Buchs, Zöllstöcke  unter der Marke Longlife. In diesem Jahr bietet der Ludwigshafener Chemiekonzern erstmals Polytetrahydrofuran 1000 (Poly-THF 1000) aus nachwachsenden Rohstoffen an und liefert dieses an Partnerunternehmen zu Testzwecken. „Die Qualität des Poly-THF 1000 auf Basis nachwachsender Rohstoffe ist identisch mit dem auf petrochemischer Basis hergestellten Produkt“, sagt Andrej Brejc, Direktor Renewable Diols im Unternehmensbereich Intermediate der BASF, und ergänzt: „Die Erweiterung der Produktpalette und der Anwendungen mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen bietet uns und unseren Kunden die Möglichkeit, die langfristige Marktakzeptanz dieser innovativen Technologie weiter zu untersuchen.“ Das Poly-THF wurde auf Basis von 1,4 Butandiol (BDO, C4-Baustein) aus dem Zucker Dextrose hergestellt. Die Lizenz von Genomatica, San Diego, USA, auf den patentierten Produktionsprozess hatte BASF  Anfang des Jahres 2013 erworben.

In Zusammenarbeit mit einem Hersteller für Spielwaren entwickelten  Experten der TU Chemnitz eine Anwendung für PLA auf pflanzlicher Basis. (Quelle: Heinz Patzig, TU Chemnitz)

In Zusammenarbeit mit einem Hersteller für Spielwaren entwickeltenExperten der TU Chemnitz eine Anwendung für PLA auf pflanzlicher Basis. (Quelle: Heinz Patzig, TU Chemnitz)

Auf der anderen Seite setzen zahlreiche Kunststoffverarbeiter auf biobasierte Werkstoffe. Darunter das prominete Beispiel Coca-Cola, die das Ziel verfolgen, ihre Flaschen ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Und wenn nicht das komplette Sortiment auf „Bio“ umgestellt wird, so testen doch einige Unternehmen Biokunststoffe, wie diese beim Verbraucher angenommen werden und ob sie sich in der Praxis bewähren. So lassen sich biobasierte Kunststoffe sowohl in Hightech-Produkten wie Smartphones oder Automobil-Bauteilen und auch in Gegenständen des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise Klebestiften oder Kinderspielzeug , finden. Die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten steigt und der Innovationsdruck, von dem wir letztendlich profitieren werden, bleibt hoch.

Technik im Detail

Fachbegriffe aus der Bio-Raffination
 5 F-cascade:
• Food and feed
• Fine and bulk chemicals, pharmaceutical ingredients
• Fibres and biomaterials (wood, pulp and paper)
• Fuels and bioenergy
• Fertilizer and soil conditioners (e.g. compost) (OECD, Industrial Biotechnology and Climate Change, 2011)

Die Cellulose ist der Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden (Massenanteil etwa 50 %). Das Polysaccharid (Vielfachzucker). Sie ist unverzweigt und besteht aus mehreren hundert bis zehntausend beta-D-Glucose-Molekülen bzw. Cellobiose-Einheiten.

Hemicellulose ist ein Sammelbegriff für in pflanzlicher Biomasse vorkommende Gemische von Polysacchariden in veränderlicher Zusammensetzung. Die am häufigsten vorkommenden Monomere sind Pentosen, wie D-Xylose und L-Arabinose. Hemicellulosen sind ein Bestandteil pflanzlicher Zellwände, deren Matrix teilweise aus kristalliner Cellulose besteht. Bei der Verholzung ist diese Matrix zusätzlich von dem Makromolekül Lignin durchdrungen und bildet so Lignocellulose. Hemicellulose ist amorph und ohne höhere Strukturen.
Lignine (lat. lignum „Holz“) bilden eine Gruppe von phenolischen Makromolekülen aus verschiedenen Monomerbausteinen. Es handelt sich um feste Biopolymere, die in die pflanzliche Zellwand eingelagert werden und dadurch die Verholzung der Zelle bewirken (Lignifizierung). Etwa 20 bis 30 Prozent der Trockenmasse verholzter Pflanzen bestehen aus Ligninen, damit sind sie neben der Cellulose und dem Chitin die häufigsten organischen Verbindungen der Erde.

Die Lignocellulose bildet die Zellwand verholzter Pflanzen und dient ihnen als Strukturgerüst. Hemicellulosen und vor allem Cellulose bilden zunächst ein Gerüst, in das beim Verholzen nachträglich das Lignin eingelagert wird.
(Quelle: www.wikipedia.de)

Lese-Tipp: Biopolymere auf dem Vormarsch

Technische Biopolymere – Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften, Hanser Verlag, Prof. Hans-Josef Endres und Andrea Siebert-Raths, 690 Seiten, 06/2009,
ISBN: 978-3-446-41683-3, 299 EUR
Engineering Biopolymers –  Markets, Manufacturing, Properties and Application, Hanser Verlag, Prof. Hans-Josef Endres, Andrea Siebert-Raths, 692 Seiten, 08/2011, ISBN: 978-3-446-42403-6, 299 EUR
Biopolymers – Facts and Statistics, Institute for Bioplastics and Biocomposites, Hochschule Hannover, Den Link dazu und weitere Informationen finden Sie auf www.plastverarbeiter.de.

 

Link zum Video „Bio-Raffination und Bio-Ökonomie“

Link zum BMEL Thema und Video  „Biobasierte Wirtschaft“

Link zu Wageningen UR (Acollaboration between Wageningen University and the DLO foundation)

Link zur Hochschule Hannover, IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe gehört zur Fakultät II – Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik

 

 

Autor
Dr. Etwina Gandert
ist Redakteurin Plastverarbeiter.
etwina.gandert@huethig.de

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