Jedes Teil, das die Spritzgießmaschine fertig stellt, ist nahezu ein Klon seines Vorgängers – obwohl die Strukturen so fein sind.

Jedes Teil, das die Spritzgießmaschine fertig stellt, ist nahezu ein Klon seines Vorgängers – obwohl die Strukturen so fein sind. (Bild: Thinxxs)

Winzig, filigran, präzise – so lässt sich die Arbeit von Thin-XXS Microtechnology, Zweibrücken, beschreiben. Das Unternehmen stellt Einweg-Schnelltests unter anderem für die medizinische Diagnostik her. Die Kunden sind Pharma- und Diagnostikhersteller, die etwa Nachweisverfahren für bakterielle Infektionen oder Krebszellen im Blut entwickeln. Um den Weg vom Labor in Krankenhäuser und Arztpraxen zu ebnen, müssen diese Verfahren als einfach zu handhabende Schnelltests auf den Markt gelangen.

Als Spin-Off der Spritzgießabteilung des Instituts für Mikrotechnik Mainz im Jahr 2001 gegründet, startete das Unternehmen mit 13 Mitarbeitern und spezialisierte sich laut Vorstand Dieter Cronauer auf das Segment Mikrotechnologie: „Wir haben uns seit jeher mit Mikrospritzguss und Montage befasst, da liegt unser Know-how. Im Werkzeug- und Formenbau haben wir ein Alleinstellungsmerkmal.“ Spritzgieß­betrieb, Montage, Logistik und Verpackung haben eine eigene Halle mit 350 m² Fläche erhalten, die Nachfrage ist groß. 90 Prozent der Kunden kommen aus Europa und Nordamerika. „Wir zeigen unseren Kunden den Weg vom ersten Fertigungskonzept bis zur günstigen Serienfertigung der Produkte. Denn unsere Kunden stecken Millionen in die Entwicklung der Diagnostik und brauchen am Ende des Tages hohe Verkaufsmargen, damit sich ihre Investitionen gelohnt haben“, beschreibt Cronauer sein Geschäft.

Das Herzstück des Unternehmens ist der Spritzgießbetrieb. Der eigene Werkzeugbau im Haus erstellt Formen mit Kanälen und Strukturen im Mikrometerbereich. Daraus entstehen makroskopische Bauteile mit mikrostrukturierten Bereichen, etwa im Format einer Scheckkarte. Ultrapräzisionsfräsen erzeugen aus den Entwürfen der Konstrukteure die mit bloßem Auge nicht mehr zu unterscheidenden ­Mikrostrukturen in den Werkzeugen.

Die Kanäle und Strukturen eines Einweg-Schnelltests sind so filigran und fein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. (Bildquelle: Thinxxs)

Die Kanäle und Strukturen eines Einweg-Schnelltests sind so filigran und fein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. (Bildquelle: Thinxxs)

Präzision ist unverzichtbar

Es geht bei der Diagnostik immer um winzige Mengen. Ein Tropfen Blut muss reichen, um innerhalb von wenigen Minuten festzustellen, ob der Patient an einer Infektion erkrankt ist und wenn ja, in welchem Maße. Blut und die im Flüssigkeitsspeicher des Schnelltests integrierte Substanz mischen sich und zeigen in einer separaten Auswerteeinheit rasch das Ergebnis an – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Durch die Kanäle des Kunststoffbauteils, das den Test beherbergt, müssen sich in definierter Geschwindigkeit definierte Mengen an Flüssigkeit bewegen. Die Herausforderung dieses Vorgehens beschreibt Tobias Lacroix, Leiter der Mikro-Spritzgießabteilung: „Es kommt auf hohe Präzision des Bauteils an, um das fluidische Funktionsdesign des Schnelltests und damit ein hundertprozentig sicheres Ergebnis zu garantieren. Es geht hier um Abmessungen von weniger als einer Haaresbreite bei einer anspruchsvollen Geometrie.“

Bei einem solchen High-Tech-Bauteil muss auch die Spritzgießmaschine den Anforderungen der Mikrostrukturtechnik folgen. Staub oder andere Verschmutzungen im Produktionsprozess würden die Bauteile verunreinigen und die Strukturen zerstören. Der ganze Prozess erfolgt daher im Reinraum. Die Spritzgießmaschine für den bakteriellen Schnelltest kommt von Sumitomo (SHI) Demag, Schwaig. Sie steht in einem Reinraum der Klasse 8 mit einer zusätzlichen Einhausung der Maschine inklusive der Automation, die Reinraumbedingungen der Klasse 7 erfüllt. Es handelt sich um eine vollelektrische Spritzgießmaschine des Typs Int-Elect 100-180, die der Hersteller komplett mit Handlingsystem und Automatisierung lieferte.

Während der Produktion gewährt eine Glasscheibe Einblick. Drinnen herrschen Bedingungen der Reinraumklasse 7. (Bildquelle: Sumitomo (SHI) Demag)

Während der Produktion gewährt eine Glasscheibe Einblick. Drinnen herrschen Bedingungen der Reinraumklasse 7. (Bildquelle: Sumitomo (SHI) Demag)

Bauteiltoleranz in Mikrometern

Mit drei vierfach-Werkzeugen entstehen auf der Maschine die Komponenten, aus denen die Mitarbeiter in der Montage den Einweg-Schnelltest zusammenfügen. Mit einem Schussgewicht von 12 g erzeugt die Maschine die Testelemente mit einem Teile­gewicht von 2,7 g im Dreischichtbetrieb. Zwei der Baugruppen bestehen aus naturfarbenem PMMA, die Dritte aus blauem Polypropylen. „Ausschlaggebend war für uns, dass wir mit der Spritzgießmaschine eine hohe Abbilde­genauigkeit und Reproduzierbarkeit mit Bauteiltoleranzen im Mikrometerbereich erzielen können. Außerdem brauchten wir ein Automatisierungssystem, das die fertigen Bauteile in die Montage führt, ebenfalls ein Reinraum der Klasse 7“, erklärt Lacroix.

Hinter verschlossenen Türen

Das getrocknete Granulat gelangt über die Förder- und Dosiereinrichtung in die Plastifiziereinheit der Spritzgieß­maschine. Das kundenseitige Werkzeug wird mit Wasser auf etwa 90 °C temperiert. Mit einem L/D Verhältnis von 20 und 1.000 kN Schließkraft werden in 16-Sekunden-Zyklen die Schnelltest-Elemente produziert. Die schaltbare Rückstromsperre Activelock verhindert ein Zurückfließen der Schmelze in die Schneckengänge vom ersten Moment der Einspritzphase an. Gerade für Bauteile wie die Schnelltests kommt es auf hohe Präzision und Prozesskonstanz an, um die engen Toleranzen einzuhalten.

Der Sechs-Achs-Roboter entnimmt die fertigen Test-Komponenten aus dem Vierfach-Werkzeug und befüllt mit ihnen einen kleinen Ladungsträger, der über ein Förderband in die Montagehalle gelangt. Der ­Prozess ist eingehaust, um Staub fernzuhalten. (Bildquelle: Sumitomo (SHI) Demag)

Der Sechs-Achs-Roboter entnimmt die fertigen Test-Komponenten aus dem Vierfach-Werkzeug und befüllt mit ihnen einen kleinen Ladungsträger, der über ein Förderband in die Montagehalle gelangt. Der ­Prozess ist eingehaust, um Staub fernzuhalten. (Bildquelle: Sumitomo (SHI) Demag)

Ein Sechs-Achs-Roboter von Stäubli, Bayreuth, entnimmt die fertigen Komponenten aus dem Werkzeug und legt sie in einem kleinen Aufnahmebehälter (KLT) ab. Sobald der Behälter voll ist, fährt er auf die Förderstrecke und gelangt in den sich anschließenden Montageraum. Der Entnahmebereich einschließlich der Fördereinrichtung ist gekapselt. Für die in regelmäßigen Abständen erfolgende Qualitätssicherung (QS) der medizinischen Bauteile bedient die Fachkraft einen Anforderungstaster, der die QS-Schublade aktiviert. Der Mitarbeiter schiebt daraufhin die Schublade in die Maschine ein, der Roboter legt die zu prüfende Charge darauf ab, sodass das Qualitätssicherungsteam diese unter die Lupe nehmen und anschließend verwerfen kann. Sensoren überwachen, ob sich die Schublade zur Ablage in der Kabine befindet, sie überwachen Ablagesta­tion, Förderstrecke, den Robotergreifer und die Entnahme der Teile aus dem Werkzeug.

Der gesamte Prozess findet vollautomatisch hinter verschlossenen Türen statt, sichtbar nur durch die Glasscheibe der Reinraumkabine. Lacroix ist zufrieden mit dem Lieferanten: „Das System arbeitet präzise und reproduzierbar. Bei der GMP-Validierung hat uns der Maschinenhersteller unterstützt und es ging alles problemlos über die Bühne. Wir hatten einen Ansprechpartner, der sich um alle technischen und administrativen Belange der kompletten Anlage gekümmert hat.“

ist Head of Product Management bei Sumitomo (SHI) Demag Plastics Machinery. jens.loewe@dpg.com

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Unternehmen

Sumitomo (SHI) Demag Plastics Machinery GmbH

Altdorfer Str. 15
90571 Schwaig
Germany