Elektrische Leistungsmodule spielen zum Beispiel in Windkraftanlagen eine Rolle. Wird für die Isolation der falsche Kunststoff eingesetzt, kann es insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu elektrolytischer Korrosion kommen, die zum Ausfall der Anlage führen kann.

Elektrische Leistungsmodule spielen zum Beispiel in Windkraftanlagen eine Rolle. Wird für die Isolation der falsche Kunststoff eingesetzt, kann es insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu elektrolytischer Korrosion kommen, die zum Ausfall der Anlage führen kann. (Bild: BASF)

Ein großer Teil der Menschheit lebt heute in Ländern mit feucht-warmem oder -heißem Klima und dort liegen auch die sich am schnellsten entwickelnden Absatzmärkte für Konsum- und Investitionsgüter. Manche Werkstoffe, die sich für gemäßigte Klima-zonen wie Europa gut eignen, sind nicht automatisch die beste Wahl für die gleiche Anwendung etwa in Indien, Singapur oder Indonesien. Das gilt vor allem für technisch sensible Anwendungen. Technische Kunststoffe wie Polybutylenterephthalat (PBT) oder Polyamid (PA) werden vielfach für Gehäusematerialien in elektrischen Leistungsmodulen eingesetzt. Arbeiten diese mit Gleichstrom kann es unter ungünstigen Bedingungen in feucht-warmem Klima zum Ausfallen der Module kommen. Für diesen Effekt verantwortlich sind Ionen, die vor allem wegen des hohen elektrischen Potentials durch den Isolierwerkstoff wandern können. Elektrische Leistungsmodule spielen insbesondere bei der Wandlung von Wechsel- zu Gleichstrom und umgekehrt eine immer größere Rolle.

Ausfall von Lokomotiven oder Aufzügen in Tropen oder Subtropen verhindern

Anwendungsbeispiele sind Aufzugs- oder Gabelstaplersteuerungen, der Antrieb in Elektrofahrzeugen, die Übertragung von Windenergie in netzgerechte Frequenzen oder auch die Stromwandlung im Eisenbahnbetrieb. Für solche Anwendungen hat die Halbleiterindustrie immer leistungsfähigere Module entwickelt, die unter anderem durch thermoplastische Kunststoffe isoliert werden. Wird allerdings der „falsche“ Kunststoff eingesetzt, kann dieser bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur wegen der hohen Spannungen von bis zu 6.000 V Korrosion an Metallkontakten verursachen. Die mögliche Folge: Kriechströme und Kurzschlüsse, die zum Ausfall der entsprechenden Geräte oder Maschinen führen können.

Um dieses Risiko durch die Wahl des richtigen Isolierstoffs zu minimieren, hat BASF, Ludwigshafen, zusammen mit dem Unternehmen  Semikron, Nürnberg , Hersteller für Leistungselektronik, einen neuen Test entwickelt. Diese Prüfmethode macht die elektrolytische Korrosion, also die Wanderung der Ionen im Kunststoff, sichtbar und zeigt damit, welche Thermoplaste als Isolierstoffe besonders geeignet sind.

Der in der Literatur beschriebene Test zur elektrolytischen Korrosion, DIN EN 60426 (2007) mit dem Titel „Elektroisolierstoffe: Prüfungen zur Bestimmung der elektrolytischen Korrosionswirkung von Isoliermaterialien“ wurde zunächst nachgestellt. In ersten Vorversuchen zeigte sich jedoch, dass die beschriebene Methode für diese Untersuchung nicht angemessen ist: Es kam bereits ohne Strombeaufschlagung zu Korrosionseffekten der verwendeten Leiterbahnen. Ziel der Untersuchung ist es jedoch, die Eignung unterschiedlicher Isoliermaterialien unter Strombelastung aufzuzeigen.

 

Bei dem auf der Fakuma 2014 von BASF ausgestellten Hochleistungsmodul SKiiP 3 der Firma Semikron, Nürnberg, kommen als Gehäusematerial technische Kunststoffe von BASF zum Einsatz, die je nach Anwendungsbereich den Test für elektrolytische Korrosion erfüllen müssen.

Bei dem auf der Fakuma 2014 von BASF ausgestellten Hochleistungsmodul SKiiP 3 der Firma Semikron, Nürnberg, kommen als Gehäusematerial technische Kunststoffe von BASF zum Einsatz, die je nach Anwendungsbereich den Test für elektrolytische Korrosion erfüllen müssen. (Bildquelle: BASF, Semikron)

Stromführende Drähte direkt im Probekörper

Bei dem neu entwickelten Versuch haben BASF-Experten versilberte Kupfer-Drähte als Elektroden eingesetzt. Je zwei Drähte wurden in einem Abstand von 20 mm in einen definierten Probekörper eingeführt und eine Gleichstrom-Spannung von 5.000 V angelegt. Der Versuch fand bei 85° C und 85 % relativer Feuchte (unter Verwendung von deionisiertem Wasser) in einem Klimaschrank statt. Jeweils fünf Probekörper von einem Material wurden bis zu vier Wochen getestet.

Im Vordergrund der Prüfungen standen zunächst Materialien aus flammgeschützten Typen des Ultramid- und Ultradur-Sortiments (PA und PBT von BASF), die sich in der Leistungsmodulindustrie bereits im Einsatz befinden. Neben Produkten mit unterschiedlichen Flammschutzmitteln wurden auch Produkte untersucht, die Rückschlüsse auf den Einfluss von Polymermatrix, Stabilisierung, Farbe und Rezeptaufbau auf die Korrosion ermöglichen. Als Referenzversuch wurden Probekörper aus ungefärbtem Ultradur B4450G5 und Ultradur B4406G6 getestet, bei denen keine Spannung angelegt wurde. Diese Referenz-Probekörper zeigten auch nach vier Wochen keinerlei Korrosionserscheinungen.

PBT vorteilhafter als PA

Die Versuche (siehe Tabelle) zeigen, dass sich PBT grundsätzlich günstiger verhält als PA: Es kam bei den unterschiedlichen PBT-Typen maximal zu einer kleinflächigen elektrolytischen Korrosion. Die Tests legen nahe, dass die Wasseraufnahme von Polyamid hauptverantwortlich für dessen schlechteres Abschneiden ist. Dies wird unter anderem durch das schlechtere Abschneiden des unverstärkten PA66 Ultramid A3K unterstrichen.

Im dem neu entwickelten Korrosionstest wurde am Probekörper aus Ultramid A3K (PA66) eine Gleichstrom-Spannung von 5.000 Volt angelegt (bei 85°C, 85% relative Luftfeuchtigkeit). Die dabei entstandene elek-trolytische Korrosion verursachte starke dunkle Flecken am Plus-Pol und nach 22 Tagen einen Kurzschluss. Polyamid ist wegen seiner Neigung zur Wasseraufnahme anfälliger für elektrolytische Korrosion als PBT. Eine geeignete Modifikation wirkt dem entgegen.

Im dem neu entwickelten Korrosionstest wurde am Probekörper aus Ultramid A3K (PA66) eine Gleichstrom-Spannung von 5.000 Volt angelegt (bei 85°C, 85% relative Luftfeuchtigkeit). Die dabei entstandene elektrolytische Korrosion verursachte starke dunkle Flecken am Plus-Pol und nach 22 Tagen einen Kurzschluss. Polyamid ist wegen seiner Neigung zur Wasseraufnahme anfälliger für elektrolytische Korrosion als PBT. Eine geeignete Modifikation wirkt dem entgegen. (Bildquelle: BASF)

Standardstabilisierung am besten

Auch die Wahl der Stabilisatoren beeinflusst das Ergebnis: Solche auf Kupferbasis (im Test Ultramid A3WG6) haben einen negativen Einfluss und sind daher für den oben genannten Anwendungsbereich (Gleichstrom, mittlere Spannung, feucht-warmes Klima) weniger geeignet als Stabilisatoren auf aminischer Basis, zum Beispiel Ultramid A3HG7. Die geringste Korrosion verursachen Materialien mit einer Standardstabilisierung. Daher ist die Standardstabilisierung bei Polyamid, aber auch bei PBT, zu bevorzugen. Unter den Polyamiden zeigt das Produkt Ultramid A3EG6 EQ die beste Performance – der Namenszusatz EQ steht für Electronic Quality, also für besonders unempfindliche Werkstoffe gegen Einflüsse wie beispielsweise der elek-trolytischen Korrosion. Dieses Material wird deshalb unter anderem in der Kraftfahrzeug-Elektrik im Niedervoltbereich für elektronische Steuergeräte, beispielsweise in Gehäusen für ABS- oder ESP-Systeme eingesetzt.

Ultradur B4450 R01 (Versuchsprodukt) schnitt bei den Tests am besten ab. An den Probekörpern waren kaum Farbveränderungen sichtbar. Das ionenreduzierte PBT ist demnach nicht anfällig für elektrolytische Korrosion und eignet sich besonders zur Produktion elektrischer Leistungsmodule, die in Gleichstromanwendungen in feucht-warmem Klima eingesetzt werden.

Ultradur B4450 R01 (Versuchsprodukt) schnitt bei den Tests am besten ab. An den Probekörpern waren kaum Farbveränderungen sichtbar. Das ionenreduzierte PBT ist demnach nicht anfällig für elektrolytische Korrosion und eignet sich besonders zur Produktion elektrischer Leistungsmodule, die in Gleichstromanwendungen in feucht-warmem Klima eingesetzt werden. (Bildquelle: BASF)

Ausschlaggebend ist das Flammschutzpaket

Die Testreihe zeigt, dass neben dem Stabilisator die Wahl des Flammschutzpakets darüber entscheidet, ob ein Produkt für elektrolytische Korrosion anfällig ist. Dies hängt unter anderem damit zusammen, welche Ionen das Flammschutzsystem in welcher Konstellation und Konzentration enthält. Halogenierte Polyamide schneiden hier besonders schlecht ab und eignen sich nicht für den genannten Anwendungsbereich. Bedingt anfällig für elektrolytische Korrosion bei mittleren Spannungen in Gleichstromanwendungen ist Ultramid A3U40G5. Diese Type ist allerdings für Haushaltsgeräte mit Niederspannung von 220 Volt gut geeignet und im Serieneinsatz bewährt. Unter den Flammschutztypen, deren Wirkung auf Phosphor basiert, ist bei Polyamid ein klarer Vorteil des roten Phosphors gegenüber dem hellen, organischen Phosphor festzustellen. Dies zeigt sich in der Bewertung von Ultramid A3X2G5 im Vergleich zu Ultramid A3U40G5. Ähnliches gilt für PBT: Flammschutzmittel mit einer Stickstoff-Phosphorkombination bewähren sich im Test besser als solche, die auf organischem Phosphor basieren.

 

Ergebnisse der Tests.

Ergebnisse der Tests.

Klimatest für eine sinnvolle Werkstoffauswahl

Als Testsieger können speziell entwickelte Abkömmlinge des Ultradur B4450G5 bezeichnet werden, nämlich eine hydrolyse-stabilisierte (HR) und eine ionenreduzierte Variante (R01, Versuchsprodukt). Diese PBT-Typen zeigen in der Versuchsreihe keine oder kaum sichtbare Zeichen elektrolytischer Korrosion. Das haben sich führende Firmen im Bereich der Leistungsmodule schon zunutze gemacht und erste Serienanwendungen mit Ultradur B4450G5 umgesetzt.
Mithilfe der neu entwickelten Testmethode lässt sich künftig zuverlässig entscheiden, welcher Kunststoff gegen elektrolytische Korrosion resistent ist und damit für den Einsatz bei mittleren Spannungen unter erschwerten klimatischen Bedingungen wie Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit infrage kommt. Der Test hat das Potenzial, auch zur Werkstoffauswahl für Kraftfahrzeug-Elektronikgehäuse eingesetzt zu werden. Dies wird in weiteren Untersuchungen näher beleuchtet.n

Die Versuche im Elektrolabor der BASF wurden von Dr. Ingolf Hennig und Milan Trivunov entwickelt und durchgeführt.

 

 

 

Autor
Jochen Seubert
ist im Bereich Performance Polymers der BASF, Ludwigshafen, als Technical Manager zuständig für Anwendungsentwicklung mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik und Elektronik.

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