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Um Einfallstellen zu vermeiden, kommen im Deckel des Küchen-Geräts die beiden Verfahren Sandwich- und Schaum- Spritzgießen zum Einsatz. Dazu spritzt der Hersteller das Kernmaterial mit einem ­chemischen Treibmittel in die dick­wandigen Stellen. () (Bild: Vorwerk)

Um Einfallstellen zu vermeiden, kommen im Deckel des Küchen-Geräts die beiden Verfahren Sandwich- und Schaum- Spritzgießen zum Einsatz. Dazu spritzt der Hersteller das Kernmaterial mit einem ­chemischen Treibmittel in die dick­wandigen Stellen. (Bildquelle: Vorwerk)

(Bildquelle: Vorwerk)

Für eine hohe Bauteilqualität kommt es auf die klare Trennung zwischen Haut- und Kernmaterial an sowie auf geringe Druckverluste und Verweilzeiten der Schmelzen in den Düsen. Diese Anforderungen erfüllt die Lösung eines auf das Sandwich-Verfahren spezialisierten Unternehmens, die aus einem schmelzedruckbetätigten Steuerkolben und einem doppelt wirkenden Verschlusskolben besteht.

Um Einfallstellen zu vermeiden, kommen im Deckel des Küchen-Geräts die beiden Verfahren Sandwich- und Schaum-Spritzgießen zum Einsatz. Dazu spritzt der Hersteller das Kernmaterial mit einem ­chemischen Treibmittel in die dick­wandigen Stellen.

Obwohl sich Maschinen- und Rohstoffhersteller, Universitäten und Forschungseinrichtungen mit Sandwich- beziehungsweise Coinjektionsspritzgießen seit Jahren beschäftigen und Untersuchungen durchführen (vgl. [1, 2, 3, 13]), ist es dennoch bisher nicht so weit verbreitet wie die Mehrkomponenten-Spritzgieß-Verfahren Verbund- und Montage-Spritzgießen, bei denen die unterschiedlichen Schmelzen hintereinander gespritzt werden. Die Ursachen für den geringen Bekanntheitsgrad des Sandwich-Spritzgießens liegen möglicherweise darin, dass das Verfahren nur mit 2-Komponenten-Maschinen funktioniert, welche gegenüber Standard-Maschinen entsprechend höhere Investitionen erfordern. Schätzungsweise liegen die Maschinenstundensätze für eine 1.000-kN-Maschine in 2K-Ausführung um den Faktor 1,5 bis 1,6 über denen einer 1K-Maschine und die für eine 5.000-kN-Maschine um den Faktor 1,2 bis 1,3 höher. Darüber hinaus bestehen Einschränkungen hinsichtlich kompatibler Heißkanal-Werkzeuge: Das Sandwich-Verfahren benötigt solche, bei denen die Zusammenführung der Schmelzekanäle erst unmittelbar vor der Kavität erfolgt. Diese saubere Trennung zwischen Haut- und Kernschmelze ist im Werkzeug-Heißkanal aber nicht immer gegeben. Außerdem lassen sich nicht alle Haut- und Kernmaterialien miteinander kombinieren: Neben guten Haftbedingungen sind annähernd gleiche Verarbeitungs-Temperaturen, Viskositäten und Schrumpf- und Schwindungsverhalten für beide Materialien nötig. In der Lösung dieser Probleme beziehungsweise im Wissen über die Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Materialien untereinander liegen große Potenziale für zukünftige Anwendungen. Dagegen führen fehlende Kenntnisse bei Formteilentwicklern und Kunststoffverarbeitern über die Potenziale und Grenzen des Verfahrens zu Materialvermischungen auf der Oberfläche, Materialunverträglichkeiten, Delamination der Materialien, zu geringer Wirtschaftlichkeit, zu Fehlern und Ausfällen im Maschinenequipment. Um nur einige Ursachen für Fehlschläge zu nennen.

Ein Versuchswerkzeug vor einer 2K-Sandwich-Zwischenplatte auf einer KM 80 CX von Krauss Maffei mit Bolt-On-Seiteneinspritz-Aggregat (Bildquelle: TU Chemnitz)

Ein Versuchswerkzeug vor einer 2K-Sandwich-Zwischenplatte auf einer KM 80 CX von Krauss Maffei mit Bolt-On-Seiteneinspritz-Aggregat (Bildquelle: TU Chemnitz)

Prozesswissen entscheidend

Auf dem Markt sind heute verschiedene Systeme, die die Schmelzeströme für Haut- und Kernmaterial aus den Plastifizier- und Einspritzeinheiten der Spritzgießmaschinen zu den jeweiligen Angießpunkten am Werkzeug sequentiell und auch simultan zusammenführen [3]. Entscheidend für die Beurteilung der Systeme ist dabei die klare Trennung zwischen Haut- und Kernmaterial, wobei auf der Formteil-oberfläche kein Kernmaterial zu sehen sein darf. Weiterhin sind geringe Druckverluste sowie geringe Verweilzeiten der Schmelzen in den Düsen entscheidend, die auch als Schmelzeventile bezeichnet werden [4]. Der Verfahrensentwickler A&E Produktionstechnik, Desden, entwickelte auf Grundlage dieser Anforderungen eine Einspritzlösung für das Sandwich-Spritzgießen, die praktisch für jede Spritzgießmaschine gleich welcher Größe geeignet ist, unabhängig von der jeweiligen Anordnung der zweiten Spritzeinheit. Außerdem lässt sie sich in Neumaschinen und als Nachrüstbausatz für bereits in Produktion befindliche Maschinen einsetzen. Der Einsatz von Kolben ermöglicht das Freigeben und Sperren großer Querschnitte bereits bei kleinen Hüben für den Schmelzefluss. Damit erfolgt das Einspritzen mit geringen Druckverlusten und Materialscherungen im Sandwich-Ventil beziehungsweise in der Sandwich-Düse. Außerdem kombiniert die Lösung einen schmelzedruckgesteuerten Steuerkolben mit einem fremdbetätigten Schließkolben. Den Schließkolben steuert ein Hydraulikzylinder aktiv in Öffnungs- und/oder in Schließrichtung, was bei geregelten Einspritzachsen der Spritzgießmaschine einen konstanten und stabilen Prozess ermöglicht. Da das Gewicht des Steuerkolbens, die im Verhältnis zur Masse der Schnecken in den Einspritzachsen sehr klein ist, wird beim Einspritzen die Dynamik des Umschaltvorganges von Haut- auf Kernmaterial nur vom Beschleunigungs- und Abbremsvermögen der Schneckenkolben bestimmt.

 

Die im Kernmaterial sichtbaren Vakuolen haben keinen merklichen Einfluss auf die geforderte Masse des Formteils. (Bildquelle: Funke Plastics)

Die im Kernmaterial sichtbaren Vakuolen haben keinen merklichen Einfluss auf die geforderte Masse des Formteils. (Bildquelle: Funke Plastics)

Versuchslabor

Der Hersteller untersuchte seine Einspritzlösung im Technikum des Instituts für Strukturleichtbau und Kunststofftechnik an der TU Chemnitz. Dabei stand zunächst das Sandwich-Verfahren in Verbindung mit chemischen Schäumen im Mittelpunkt. Ziel war es, unter anderem den Aufbau und die Eigenschaften von Sandwich-Strukturen mit geschäumten Kernschichten zu ermitteln. Sandwich-Formteile mit geschäumtem Kern und schlierenfreier Class-A-Oberfläche spielen unter Leichtbau-Gesichtspunkten eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei achteten die Techniker insbesondere auf konstantes Ausbilden der beiden Schichten. Allerdings sind der gezielten Dickeneinstellung der Schichten beim klassischen Sandwichverfahren gewisse Grenzen gesetzt. Es entstehen entlang des Fließweges unterschiedliche Wandstärkeverteilungen zwischen Haut und Kern. Am Fließwegende ist die Kernschicht typischerweise dünner als am Anspritzpunkt. Die lokale Randschichtdicke sowie das Wandstärkeverhältnis von Haut und Kern hängen vorwiegend von den Kunststoffeigenschaften und den thermischen Bedingungen ab, und lassen sich durch weitere Prozessparameter nicht beeinflussen. Für das Ausbilden der Hautschichtdicke sind im Wesentlichen die lokalen Abkühlbedingungen der Werkzeugwandtemperatur und die lokale Verweilzeit verantwortlich [5]. Die Wanddicke des Bauteils hat dagegen geringen Einfluss auf die Hautschichtdicke. Darum lässt sich bei einer dickeren Wand ein höherer Kernmaterialanteil einfüllen. Dagegen fließt das Kernmaterial in einem stabilen Prozess bis ans Fließwegende [5, 6, 7]. Dies funktioniert ohne Austritt der Kernkomponente bei einem niedrigen Kerneinspritzstrom, für eine Zugstabgeometrie ca. 9 cm3/s. Bei ansteigenden Werten der Kernfließrate weicht die Kernfließfront immer mehr vom Fließwegende zurück. Die Verhältnisse der ursprünglich angestrebten Kernverteilung werden dann aber wesentlich schlechter, auch wenn angussnah die Haut dafür lokal etwas dünner wird. Damit lässt sich beim Sandwich-Verfahren das Wandstärkeverhältnis von Haut und Kern durch weitere Prozessparameter nicht weiter beeinflussen. Das heißt, was man am Fließweganfang an Kernschicht gewinnt, verliert man gleichzeitig am Fließwegende.

Die Kernreichweite der Sandwichstruktur lässt sich jedoch mit einem entsprechend genau arbeitenden Schmelzeventil und mit geregelten Einspritzachsen der Spritzgießmaschine vergrößern, indem der Hautvolumenstrom schrittweise zurückgenommen wird. Dadurch dehnt sich der Kern bis auf eine schmale Randschicht am Fließwegende aus. Außerdem bieten Nebenkavitäten sowie geregeltes Werkzeugöffnen, um die Kavität zu vergrößern (Negatives Spritzprägen), weitere Möglichkeiten, den Anteil an Kernmaterial im Formteil zu erhöhen.

Bei dem PKW-Hinterradschmutzfänger ­ermöglicht das elastische Hautmaterial ein formschlüssiges Anliegen an die Fahrzeugkarosserie. Das harte Kernmaterial macht den Schmutzfänger auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten ausreichend formstabil. (Bildquelle: Wegu)

Bei dem PKW-Hinterradschmutzfänger ­ermöglicht das elastische Hautmaterial ein formschlüssiges Anliegen an die Fahrzeugkarosserie. Das harte Kernmaterial macht den Schmutzfänger auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten ausreichend formstabil. (Bildquelle: Wegu)

Konstanter Prozess

Für die von A&E Produktionstechnik entwickelten Sandwich-Ventile haben Versuche die Prozesskonstanz dieser Vorgehensweise auch bei Versuchen mit geschäumtem Kern nachgewiesen. Die Ventile bestehen aus einem schmelze-druckbetätigten Steuerkolben und einem doppelt wirkenden Verschlusskolben. Letzterer öffnet und schließt die Düse bei Bedarf [4]. Schon bei Plattenformteilen mit schmaleren, aber für technische Teile relevanten Wanddicken bis 1,5 mm lassen sich so Schäumgrade (Masseverhältnis kompakt zugeschäumt) von 5,6 Prozent erreichen.

Ein weiterer Versuch beschäftigte sich mit Masseeinsparungen an Formteilen mit lackierfähigen Oberflächen mittels chemischem Schäumen. Die geschäumten Sandwich-Probekörper sind ebenso fest und steif wie ungeschäumte Exemplare. Das verwendete exotherme Treibmittel und die gewählten Prozessparameter [13] führten zu überwiegend offenporigem Schaum im Kern. Für den Probekörper erreichten die Ingenieure bei 2 mm Plattendicke eine Masseeinsparung von 8,5 Prozent gegenüber einer kompakten, ungeschäumten Platte. Bei 4 mm waren es 23 Prozent. Platten, die allein aus der treibmittelhaltigen Schmelze bestanden, waren 30 Prozent leichter als ungeschäumte.

Gegenwärtig untersuchen Ingenieure der TU Chemnitz die im Sandwich-Verfahren gespritzten und geschäumten Platten hinsichtlich der erreichten mechanischen Kennwerte im Vergleich zu kompakt gespritzten. Dadurch versprechen sie sich Erkenntnisse über Festigkeiten sowie Moduli für Zug- und Biegebelastung mit zugehörigen Dehnungswerten.

Diese Versuche belegen, dass sich die Sandwichtechnik aufgrund ihrer hohen Reproduzierbarkeit auch für technisch komplexe Leichtbauanwendungen in der Serie einsetzen lässt. Insbesondere bei 3D-Geometrien mit Durchbrüchen und Rippen, wie Gehäusekomponenten, sollten Anwender allerdings die Geometrie an die Eigenheiten des Sandwich-Prozesses anpassen [14].

Mehr Masse statt Leichtbau

Nicht immer aber ist Leichtbau gefragt. Auch um die Masse durch hochgefüllte Compounds mit metallischen Bestandteilen zu erhöhen, eignet sich das Sandwich-Verfahren. In einer Geschirrspülmaschine kompensiert beispielsweise ein Griff mit seiner Masse die Auftriebskräfte des Wassers. Dazu verhilft ihm das Kernmaterial aus einem Compound mit hoher Dichte. Bei einem PKW-Hinterradschmutzfänger ermöglicht das elastische Hautmaterial ein formschlüssiges Anliegen an die Fahrzeugkarosserie, während das harte Kernmaterial den Schmutzfänger auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten noch ausreichend formstabil macht. Ein Beispiel für das Vermeiden von Einfallstellen durch die Verfahrenskombination von Sandwich und Schaum ist der Deckel eines Küchen-Gerätes. Dazu spritzt der Hersteller Kernmaterial mit chemischem Treibmittel in die dickwandigen Stellen.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

  1.  F. Johannaber, „Handbuch Spritzgießen“, Carl Hanser Verlag, München, 2002
  2. P. Egger u.a., „Starke Partner“, Carl Hanser Verlag, München, Kunststoffe 11-2009, Seite 26 – 30
  3. E. Moritzer, „Beschreibung und Vorhersage der Haut-/Kernverteilung bei Sandwichbauteilen mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie“, Schlussbericht AIF-Vorhaben 15312 N, Universität Paderborn, 2011
  4. H. Becker, V. Reichert, „Ventile steuern den Fluss“, Kunststoffe 11-2009, Carl Hanser Verlag, Seite 38 – 42
  5. Th. Zipp, „Fließverhalten beim 2-Komponenten-Spritzgießen“, Dissertation, RWTH Aachen, 1992, ISBN 3-86073-071-1, Verlag der Augustinus Buchhandlung
  6. S. Patcharaphun, „Characterization and Simulation of Material Distribution and ­Fiber Orientation in Sandwich Injection Molded Parts“, Dissertation TU Chemnitz, 2006
  7. V. Reichert, H. Becker, „Sandwich-Spritzgießen (Coinjection) –Renaissance eines Klassikers für thermoplastische Werkstoffverbunde“, Tagungsband Deutsche Gesellschaft für Materialkunde, Verbundwerkstoffe 2009, Bayreuth
  8. R. Kauz-Jacob, „Barrierespritzguss für PET-Preforms, Dünnwandverpackungen und IML-Anwendungen“, VDI-Wissensforum 22./23.2.2011, Baden-Baden
  9. P. Braun, Heißkanaltechnik für den Sandwichspritzguss; Spritzguss Spezialtechniken Schäumen und Sandwich, VDI Gesellschaft Materials Engineering, 21.09.2009, Hochschule Reutlingen
  10. D. Sabin u. a., Co-Injection Nozzle With Improved Interior Layer Termination, ­US-Patent Nr. 7.306.446B2, 21.05.2004 (Kortec)
  11. K. Kuhlmann u. a. „Thermoplastkombinationen durch Mehrkomponenten-Spritzgießen“, Fachtagung „Mehrkomponentenspritzgießtechnik 2000, Erlangen
  12. H. Thoma: „Vorkalkulation von Spritzgießteilen“, Klöckner Ferromatik Desma, Malterdingen, 1984
  13. H. Becker, unveröffentlichter Forschungsbericht „Untersuchungen zur Ausbildung von geschäumten Kernmaterial in Strukturbauteilen, TU Chemnitz Institut für Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung, 02-2014
  14. A. Stübiger, „Schaumgerechte Leichtbaustruktur“, Kunststoffe 09-2014, Seite 114 -117; Carl Hanser Verlag, München

 

Autoren

Dr. Wolfgang Nendel
ist stellvertretender Leiter der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung sowie Forschungsbereichsleiter „Kunststofftechnologien und Maschinenkonstruktion“ am Institut für Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung der Technischen Universität Chemnitz.
Dr. Volker Reichert
ist Geschäftsführer von A&E Produktionstechnik in Dresden.

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Unternehmen

A&E Applikation und Entwicklung Produktionstechnik GmbH

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