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Das als Treibmittel verwendete
Trockeneis hat bei Umgebungsdruck eine Temperatur von -78,48 °C.
Mit steigender Temperatur geht das Kohlendioxid direkt in die gasförmige Phase über (Sublimation). () (Bild: Jeffrey Daly – Fotolia.com)

Durch das Thermoplast-­Schaumspritzgießen mit Trockeneis ist eine neue Verfahrensvariante verfügbar. Aufgrund der Sublimation und der Geometrie des Trockeneises eignen sich etablierte volumetrische Dosiersysteme. Dadurch lässt sich das Trockeneis dem Spritzgießprozess ähnlich wie chemische Treibmittel ­zuführen. Ebenfalls beeinflusst der Anteil des Trockeneises die maximale Gewichtsreduktion und die Schaumstruktur. Der einzige zusätzliche festzulegende Parameter ist somit die Menge an Trockeneis, die der Anwender dem Prozess zuführt.

Das Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen (IKV) hat ein neues Verfahren zum Thermoplast-Schaumspritzgießen mit physikalischen Treibmitteln entwickelt, das sich ohne aufwendige Modifikationen mit einer vorhandenen Spritzgießmaschine umsetzen lässt. Im Rahmen eines abgeschlossenen IGF-Forschungsvorhabens untersuchte das IKV den Spritzgieß-Prozess unter verschiedenen Parametern. Als Treibmittel kommt dabei festes Kohlenstoffdioxid (CO2) zum Einsatz. Ein volumetrischer Schneckendosierer führt es der Spritzgieß­maschine unter Umgebungsdruck zusammen mit dem Kunststoffgranulat zu. Das Trockeneis ist ebenfalls granulatförmig und geht größtenteils erst nach dem Aufschmelzen des Kunststoffs unmittelbar in den gasförmigen Zustand (Sublimation) über. Da festes CO2 unter Umgebungsbedingungen stetig sublimiert, hat die Prozessführung einen großen Einfluss auf den Treibmittelverbrauch.

Prozessintegration

Aufgrund der Sublimation des Trockeneises kommt es beim Aufschmelzen nicht zu einem Verkleben der einzelnen Pellets, wie es zum Beispiel beim Schmelzen von gefrorenem Wasser zu beobachten ist. Dadurch bleibt die Rieselfähigkeit erhalten. Dies ermöglicht das Zugeben der Trockeneis-­Pellets ähnlich einem Farb-Masterbatch mit einer auf die niedrigen Temperaturen des Trockeneises modifizierten volumetrischen (Schnecken-)Dosierung. Der Herstell-Prozess der Pellets lässt sich außerdem in den Spritzgieß-Prozess integrieren, wodurch beide Vorgänge aufeinander abgestimmt werden können. Zudem dient die gesamte Schneckenlänge zum Lösen des Kohlendioxids im Polymer, da das Trockeneis dem Kunststoffgranulat im Einzugsbereich des Plastifizier-Zylinders hinzugegeben wird. Die typischerweise beim Schaumspritzgießen eingesetzte Nadelverschlussdüse und Lageregelung der Plastifizierschnecke [Obe12] ist beim Schäumen mit Trockeneis ebenfalls erforderlich.

Trockeneis verringert Gewicht

Die Leistungsfähigkeit eines Schäumverfahrens lässt sich über die im Polymer gelöste Treibmittelmenge bestimmen. Je mehr Treibmittel gelöst ist, desto größer fällt die Gewichtsreduk­tion aus. Da die Treibmittelmenge in der Polymerschmelze aber nicht direkt zu ermitteln ist, wird die Leistungsfähigkeit des Trockeneises anhand der maximalen Gewichtsreduktion bestimmt. Gewichtsreduktionen von technischen Bauteilen liegen häufig um 15 Prozent [KK11]. Für chemische Treibmittel liegen sie zwischen 10 und 15 Prozent [Rat12], während physikalische Treibmittel weitaus höhere Gewichtsreduktionen erreichen [Obe12].

Die Wissenschaftler des IKV verwenden ein Plattenbauteil mit den Maßen von 200 mal 100 mal 4,7 mm und einem Kompaktgewicht von 125 g, um die maximale Gewichts­reduktion in Abhängigkeit der zudosierten Trockeneismenge pro Zyklus zu ermitteln. Als Kunststoff kam ein Polyamid 6 mit 35 Gewichtsprozent Kurzglasfasern (Durethan BKV 35 H2.0, Lanxess, Köln) zum Einsatz. Die Reduktion bestimmen die Forscher über das Gewichtsverhältnis eines geschäumten zu einem Kompaktbauteil.

Bei der Zugabe von 11 Prozent Trockeneis pro Zyklus lässt sich eine ­Gewichtsreduktion von etwa 20 Prozent erzielen. Wird der Trockeneisanteil auf 22 Prozent verdoppelt, führt das zu einer Gewichtsreduktion von knapp 34 Prozent. Bei noch höherer Trockeneismenge steigt die Gewichtsreduktion nicht im gleichen Maße wie der Trockeneisanteil. Dies ist vornehmlich darauf zurückzuführen, dass bei Trockeneisanteilen über 22 Prozent der Anteil an Trockeneis am Kunststoff­granulat-Trockeneis-Gemisch im Einzugsbereich des Plastifizier-Zylinders sehr hoch ist. Somit hat die Sublimation einen viel größeren Einfluss auf den Treibmittelverlust als bei niedrigen Trockeneisanteilen.

Eismenge und Druck entscheidend

Die gelöste Treibmittelmenge beeinflusst insbesondere die sich bildende Schaumstruktur und damit die mechanischen Eigenschaften des Formteils. Die gelöste Treibmittelmenge wiederum hängt im Wesentlichen von der hinzugegebenen Trockeneismenge und dem Staudruck ab. Während der Trockeneisanteil die maximal mögliche Menge an gelöstem Treibmittel vorgibt, regelt der Staudruck die Menge an Treibmittel, die in der Kunststoffschmelze gelöst bleibt. Je höher der Druck, desto mehr Treibfluid bleibt gelöst. Der höhere Anteil an gelöstem Treibmittel lässt sich anhand von mehr Zellkeimen ermitteln [Cra08]. Mikroskop-Aufnahmen der Schaum­struktur im Bauteilquerschnitt mit Staudrücken von 25 und 50 bar sowie einem Trockeneisanteil von 22 beziehungsweise 44 g/Zyklus zeigen eine konstante Gewichtsreduktion von 20 Prozent im Vergleich zu einem kompakten Bauteil mit einem Gewicht von 125 g. Zudem lässt sich auf den Bildern eine feinzellige Schaumstruktur bei konstanter Randschichtdicke erkennen.

Während letzteres auf die konstante Werkzeugwand- und Verarbeitungstemperatur zurückzuführen ist, steigt die Anzahl der Zellkeime sowohl mit einem größeren Staudruck als auch einem höheren Trockeneis­anteil. Dies ergibt sich aus einem höheren Anteil an gelöstem Treibmittel, der zum einen durch mehr Trockeneis erreicht wird und zum anderen lässt sich durch Erhöhen des Staudrucks eine größere Menge an Treibmittel in der Kunststoffschmelze lösen. Der gleiche Effekt zeigt sich bei anderen chemischen und physikalischen Schäumverfahren [Obe12]. Die größere Anzahl der Zellkeime bei einem höheren Trockeneisanteil ist zudem ein Indiz für die Zunahme der Zellkeime bei der maximalen Gewichtsreduktion.

Einfluss des Trockeneisgehalts auf die Dosierzeit

Die Menge an zugegebenem Trockeneis beeinflusst die Leistungsfähigkeit des Verfahrens und die Prozessführung. Da es sich bei Trockeneis um einen Feststoff handelt, muss der Anwender dies beim Dosieren mit entsprechend angepasstem Dosiervolumen berücksichtigen.

Während niedrige Treibmittelanteile von 10 Prozent und weniger die Dosierzeit kaum beeinflussen, führt ein Erhöhen des Treibmittelanteils auf 20 Prozent zu einer um knapp 60 Prozent längeren Dosierzeit. Dieser Effekt ist insbesondere bei Prozessen mit sehr kurzen Restkühlzeiten zu berücksichtigen, da die Dosierzeit hier einen ­erheblichen Teil der Zykluszeit ausmacht.

Das IGF-Vorhaben 17183 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank. Ebenfalls danken sie den Firmen Basell Polyolefine, Wesseling, und Lanxess, Köln, für das Bereitstellen von Versuchsmaterialien und dem Unternehmen Motan-Colortronic, Isny, für die Hilfe bei der Umsetzung der Anlagentechnik.

 

Treibmittel im Detail

Trockeneis

Das als Treibmittel verwendete Trockeneis hat bei Umgebungsdruck eine Temperatur von -78,48 °C. Mit steigender Temperatur geht das Kohlendioxid direkt in die gasförmige Phase über (Sublimation), ohne dazwischen flüssig zu werden. Trockeneis kommt auf der Erde nicht natürlich vor und entsteht durch die ruckartige Entspannung von flüssigem CO2. ­Dabei ergibt 1 kg Trockeneis mit einer Dichte von 1,56 g/cm³ rund 540 l gasförmiges CO2. Trockeneis ist kommerziell erhältlich in unterschiedlichen Lieferformen wie Blöcken, Scheiben, Nuggets oder Pellets. Für die entwickelte Verfahrensvariante des Thermoplast-Schaumspritzgießens setzen die Wissenschaftler Trockeneis in Pellet-Form ein, da dessen Geometrie mit einem Durchmesser von 3 mm der von konventionellen Kunststoffgranulaten am nächsten kommt.

Literatur

[AM11] Altstädter, V.; Mantey, A.: Thermoplast-Schaumspritzgießen. München: Carl Hanser Verlag, 2011
[Cra08] Cramer, A.: Analyse und Optimierung der Bauteileigenschaften beim Thermoplast-Schaumspritzgießen. RWTH Aachen, Dissertation, 2008 – ISBN: 3-86130-857-6
[Eck80] Eckardt, H.: Besonderheiten und Bedeutung der verschieden Strukturschaumverfahren Kunststoffe 70 (1980) 3, S. 122-127
[Hab04] Habibi-Naini, S.: Neue Verfahren für das Thermoplastschaumspritzgießen. RWTH Aachen, Dissertation, 2004
[KK11] Kishbaugh, L.; Kolshorn, U.: Boss Design and Optimization for Microcellular Foam Injection Molded Parts. Proceedings of the 69th Annunal Technical Conference of the Society of Plastics Engineers (ANTEC). Boston, USA, 2011
[MHK03] Michaeli, W.; Habibi-Naini, S.; Krampe, E.: Kühlzeitreduktion durch Schaumspritzgießen: Es geht auch schneller. Kunststoffe (2003) 10, S. 34-42
[Obe12] Obeloer, D.T.: Thermoplast-Schaumspritzgießen mit gemeinsamer Granulat- und Gaszuführung. RWTH Aachen, Dissertation, 2012
[Rat12] Rat, T.: Chemische Treibmittel – Grundlagen und Anwendungen. IKV-Fachtagung „Kunststoffschäume – Neues aus Spritzgießen und Extrusion“, Aachen, 2012

 

Autoren

Prof. Dr. Christian Hopmann
ist Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen und Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen.

Daniel Sander
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ­Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen im Bereich Schaumspritzgießen.
sander@ikv.rwth-aachen.de

 

Fakuma 2014: Halle/Stand B4/4404

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