Flexible Serienfertigung von thermoplastischen FVK-Bauteilen

Inline-Imprägniertechnik für das DDF-Verfahren (Bild: IKV)

Bei der Inline-Imprägnierung mit Polypropylen müssen Faserhalbzeuge mit angepassten Schlichtesystemen eingesetzt werden, um eine gute Faser/Matrix-Haftung zu erreichen. Wird hingegen Polyamid 6 als Matrixwerkstoff verwendet, so sind die mechanischen Eigenschaften weniger vom Faserhalbzeug abhängig. Hier können auch mit nicht speziell angepassten Halbzeugen sehr gut mechanische Eigenschaften erreicht werden.

Im Vergleich zu Duroplasten eignen sich gewebeverstärkte Thermoplaste (TP-FVK) besser für die Serienfertigung. Die Möglichkeit zur Bauteilfunktionalisierung im Spritzgießprozess oder beim Schweißen, die Rezy-klierbarkeit sowie die kurzen Verarbeitungszyklen machen sie interessant. Zur Bauteilherstellung werden meist vollständig imprägnierte und konsolidierte Halbzeuge, sogenannte Organobleche, eingesetzt. Die wichtigsten formgebenden Verarbeitungsverfahren stellen dabei das Stempelumformverfahren und die Umformung und Funktionalisierung im Spritzgießwerkzeug dar. Ihre Verarbeitungsflexibilität ist jedoch beschränkt, da nur vollständig imprägnierte Halbzeuge verarbeitet werden können, die in einem der Formgebung vorgeschalteten Prozess hergestellt werden müssen. Insbesondere für die Fertigung von individuell an den Belastungsfall angepasste Bauteile mit variierender Faserorientierung, unterschiedlichen Faservolumengehalten oder speziellen Faser/Matrix-Kombinationen ist eine individuelle Organoblechherstellung wegen geringer Abnahmemenge unwirtschaftlich oder auch unmöglich. Deutlich vorteilhafter für eine kundenorientierte Bauteilfertigung ist die Inte-gration der Halbzeugherstellung, also des Imprägnierens der Fasern, in das Verarbeitungsverfahren.

Ziel der am IKV entwickelten Inline-Imprägniertechnik für das Doppel-Diaphragma-Umformverfahren (DDF) ist es, die Imprägnierung textiler Strukturen in das formgebende Verarbeitungsverfahren zu integrieren. Es soll die flexible Fertigung von individuell an den Belastungsfall angepassten Bauteilen ermöglichen, die Prozesskette verkürzen und somit eine individualisierte Fertigung qualitativ hochwertiger TP-FVK-Bauteile realisieren.

Bei der Inline-Imprägniertechnik werden die zu verarbeitenden Materialien während der Heizphase mit einer Kontaktheizung gleichzeitig mit Druck und Temperatur beaufschlagt. So können die Halbzeuge im Gegensatz zur üblichen Erwärmung im Infrarot-Strahlerfeld nicht nur erwärmt und aufgeschmolzen werden.

Verfahrensablauf

Die anliegende Druckdifferenz kann gleichzeitig zur Imprägnierung genutzt werden. Neben herkömmlichen Organoblechen können mit der Inline-Imprägniertechnik somit auch nicht oder nicht vollständig imprägnierte Halbzeuge direkt zu Bauteilen verarbeitet werden. So können beispielsweise Thermoplastfolien und nicht vorimprägnierte Faserhalbzeuge individuell zu Laminaten kombiniert, im Prozess imprägniert und direkt zu Bauteilen verarbeitet werden.

Zunächst werden die Faserhalbzeuge und Thermoplasthalbzeuge zwischen zwei elastischen Silikonmem-branen (Diaphragmen) in einem Transportrahmen entsprechend den Bauteilanforderungen geschichtet (Filmstacking). Anschließend wird zwischen den Diaphragmen ein Vakuum erzeugt, um die Einzellagen zu fixieren. In der Heizstation wird der Filmstack dann unter Druck aufgeheizt, die Thermoplasthalbzeuge schmelzen auf und der Druck der Heizplatten presst die Textilfasern. Nach der vollständigen Imprägnierung erfolgt die Umformung mittels Druckluft in ein einseitiges Werkzeug, in dem das Bauteil unter Druck abkühlt. Durch den Einsatz solch einfacher, kostengünstiger Werkzeuge können ohne Werkzeugwechsel von Zyklus zu Zyklus unterschiedliche Bauteildicken, Laminataufbauten und Materialien verarbeitet werden.

Durch die einfachen Negativwerkzeuge sinken die Werkzeugkosten signifikant. Weitere Vorteile des Doppel-Diaphragma-Umformverfahrens gegenüber dem Stempelumformen sind die Abformbarkeit von Hinterschnitten sowie der gleichmäßige Konsolidierungsdruck, der auch in steilen Wandbereichen eine gleichbleibend gute Bauteilqualität sicher stellt. Die Inline-Imprägniertechnik eröffnet so mehr Flexibilität bei der TP-FVK-Bauteilfertigung, da nahezu beliebige Faser- und Thermoplasthalbzeuge individuell kombiniert, im Prozess imprägniert und aus erster Wärme zu komplexen Bauteilen umgeformt werden können.

Eigenschaften inline-imprägnierter Laminate

Als Matrices für die dargestellten Untersuchungsergebnisse werden aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Schmelzeviskosität und ihrer hohen Relevanz für technische Anwendungen Polyamide von Typ Polyamid 6 (PA6) verwendet. Darüber hinaus wird auch Polypropylen (PP) hinsichtlich seiner Eignung für den Inline-Imprägnierprozess untersucht. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die verwendeten Matrixmaterialien. Die eingesetzten Faserhalbzeuge der Firma PPG Indus-tries Fiber Glass EMEA, Westerbroek, Niederlande, sind mit speziellen Faserschlichten für Polyamid bzw. Polypropylen ausgestattet. Das Glasfasergewebe der Firma Owens Corning Fiberglas, Frankfurt am Main, hingegen ist mit einer herkömmlichen, für Epoxidharze optimierten und nicht mit einer speziellen Thermoplastschlichte ausgestattet. Bei beiden Faserhalbzeugen handelt es sich um Gewebe mit einem Flächengewicht von ca. 600 g/m² und einer Köper 2/2 Bindung, wie sie auch in kommerziell verfügbaren Organo-blechen zur Anwendung kommt. Zur Bewertung des Potenzials der Inline-Imprägniertechnik ist es notwendig, die Bauteilqualität mit dem Stand der Technik zu vergleichen. Dazu werden die erzielbare Imprägnierqualität und die sich ergebenden mechanischen Eigenschaften der Laminate im Vergleich zu kommerziellen Organoblechen bewertet.

Analyse der Imprägnierqualität

Zur Analyse der Imprägnierqualität werden die hergestellten Laminate mit Auflichtmikroskopie untersucht. Bild 3 zeigt beispielhaft den Fortschritt des Imprägniervorgangs nach 150 s, 210 s und 240 s Heizzeit für ein niedrigviskoses PP-Material sowie eine Aufnahme eines kommerziell verfügbaren Organoblechs. Es ist erkennbar, dass nach 150 s noch nicht alle Faserfilamente vollständig mit Matrix umflossen sind, während für eine Imprägnierdauer von 210 s vollständig imprägnierte Laminate hergestellt werden können. Die Imprägnierqualität kann anschließend auch durch eine Verlängerung der Imprägnierdauer auf 240 s nur marginal gesteigert werden. Die so erzielbare Imprägnierqualität ist sehr gut und mit kommerziell verfügbaren Organoblechen vergleichbar.

Vergleich der mechanischen Eigenschaften

Zur Ermittlung der mechanischen Eigenschaften werden sowohl mit PA6 als auch mit PP vollständig imprägnierte Laminate hergestellt und hinsichtlich der Biegeeigenschaften (DIN EN ISO 14125) charakterisiert. Die Kennwerte werden mit den jeweiligen Organoblechen verglichen. Die Laminate entsprechen dabei hinsichtlich der Bauteildicke (1,5 mm) und dem Faservolumengehalt (47 %) kommerziellen Organoblechen. Bei der Bewertung der Biegeeigenschaften ist zu beachten, dass die Probekörperdicke einen signifikanten Einfluss auf die Prüfergebnisse hat und somit ein Kennwertvergleich nur bei Übereinstimmung der Prüf- und Probekörperparameter (Art der Konditionierung, Probekörperdicke, Prüfnorm, Prüfgeschwindigkeit) zielführend ist. Die Biegeeigenschaften sind für die Analyse des Inline-Imprägnierprozesses dennoch interessant, da sie einen Rückschluss auf die Faser/Matrix-Haftung zulassen und nicht, wie beispielsweise Zugversuche, rein faserdominierte Kennwerte erzeugen. Insbesondere bei Polyolefinen, wie PP, ist die Haftung zwischen Fasern und Matrix aufgrund der Unpolarität der Matrix eine Herausforderung.

Die Untersuchungen zeigen, dass sowohl die Biegefestigkeit als auch der Biegemodul inline-imprägnierter PA6-Laminate auf dem gleichen Niveau liegen wie die Kennwerte verfügbarer Organobleche. Der Einsatz speziell geschlichteter Faserhalbzeuge zeigt für die untersuchten Materialkombinationen keine signifikante Steigerung der Biegeeigenschaften. Dies lässt darauf schließen, dass auch ein für Epoxidharze optimiertes Schlichtesystem zu einer sehr guten Haftung zwischen dem PA6 und der Glasfaser führt. Für die Versuchsreihen mit PP zeigt sich hingegen, dass bei Verwendung eines nicht an die Polypropylenmatrix angepassten Schlichtesystems nur ca. 20 % der Biegefestigkeit und 50 % des Biegemoduls kommerzieller Organobleche erreicht werden. Um diese Problematik zu überwinden, wird neben dem Einsatz angepassten Faserschlichten auch der Einsatz von Haftvermittlern untersucht.

Die Untersuchungen  zeigen, dass durch den Einsatz von Haftvermittlern in Kombination mit nicht angepassten Faserhalbzeugen zwar eine leichte Verbesserung des Biegemoduls erreicht werden kann, jedoch liegt der Biegemodul weiterhin mehr als 25 % und die Biegefestigkeit ca. 75 % unter den Kennwerten von PP-Organoblechen. Die Verwendung von Haftvermittlern in Kombination mit nicht angepassten Schlichtesystemen zur Herstellung von TP-FVK-Bauteilen mit Inline-Imprägniertechnik ist demnach nicht sinnvoll. Im Gegensatz zu PA6 werden bei PP erst durch den Einsatz von Faserhalbzeugen mit einer angepassten PP-Schlichte die mechanischen Eigenschaften kommerzieller Organobleche erreicht. Die über den Einsatz angepasster Faserhalbzeuge hinausgehende Verwendung von Haftvermittlern zeigt jedoch keinen weiteren positiven Einfluss auf die Biegeeigenschaften.

 

 

 

Das IGF-Forschungsvorhaben16860 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank.

 

 

Autoren

Dr.-Ing. Christian Hopmann leitet das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen.
Dr.-Ing. Roman Schöldgen arbeitet als  Oberingenieur am IKV.
Markus Hildebrandt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKV.
hildebrandt@ikv.rwth-aachen.de.

 

Fakuma 2014: Halle/Stand B4/4404

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Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

Seffenter Weg 201
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