Bei der Herstellung von Kunststoffen werden Additive eingesetzt. Diese können tierischen Ursprungs sein, etwa Varianten der Salze der Stearinsäure, eine langkettige (C18) Fettsäure. Aus aufgeschmolzenem Rinderfett (Talg) gewonnen, machen sie in der Regel 100 – 200 ppm eines typischen Polyethylens aus. Sie werden benötigt, um die Materialeigenschaften des Werkstoffs zu verbessern und den Herstellungsprozess zu unterstützen.

Werden diese Additive der Rohstoffrezeptur zugefügt, wirken sie als Gleitmittel und verhindern ein Festkleben an Metalloberflächen während des Prozesses der Extrusion oder des Spritzgießens. Manche Stearate werden auch zum Reinigen und Neutralisieren von Säure, die während der Polymerisation gebildet wird, benötigt. Als externe Gleitmittel können sie direkt in die Spritzgussmaschine oder in den Extruder appliziert werden. Eine weitere Funktion ist die der antistatischen Komponente, die die Ableitung elek-trostatischer Aufladung ermöglicht.

Vor dem Hintergrund zunehmender Bedenken über die Sicherheit von ADC (Animal Derived Components) besteht ein Bedarf an ADC-freien Kunststoffen. Gerade im Hinblick auf neue Standards für pharmazeutische und medizinische Kunststoffe, die das zeit- und kostenaufwändige Ausfüllen umfangreicher Fragenkataloge hinsichtlich der Herkunft jeder einzelnen Komponente eines Werkstoffs erfordert, ist eine ADC-freie Lösung sinnvoll. Gleichzeitig wird den Forderungen nach koscheren/veganen Kunststoffen Rechnung getragen.

ADC-freie Kunststoffe

Eine Forderung, mit der Actega DS schon früh im Bereich der Verpackungslösungen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie konfrontiert wurde und für die das Unternehmen eine ADC-freie Rezeptur für die Provamed-TPE entwickelte. Als Lieferant zahlreicher Dichtungsmaterialien ist man mit den Anforderungen aus muslimischen und jüdischen Ländern vertraut. Hier wird die Verwendung von Additiven, Stabilisatoren, Trenn- oder Gleitmitteln aus Talg oder anderen Stoffen tierischen Ursprungs verboten.

Eine koschere Zertifizierung erhalten Produkte nur, wenn alle Roh-, Grund- und Werkstoffe, die zur Herstellung dieser Produkte dienen, absolut nichts Tierisches enthalten*. Mit dem ersten Auftreten von BSE vor rund 20 Jahren in Großbritannien, das sich Anfang der 2000er zu einer weltweiten Krise ausweitete, wurde die Angst vor dem Auftreten einer in den meisten Fällen letal verlaufenden Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit geschürt. Und das Bewusstsein für ADC-freie Alternativen zunächst in der Lebensmittelindustrie, zunehmend dann auch in anderen sensiblen Industrien geschärft.

Biokunststoffe sind gefragt

Ein anderer Grund für den Einsatz von ADC als Additive in Kunststoffen ist der wachsende Bedarf an biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Die Basis dieser Kunststoffe kann mikroorganischen, pflanzlichen, tierischen oder synthetischen Ursprungs sein. Rohstoffe tierischer Herkunft haben eine historisch große Bedeutung. So wurde bereits in der Antike der Farbstoff Purpur aus der Purpurschnecke oder der Farbstoff Karmin aus der Cochenilleschildlaus gewonnen. Diese und andere Rohstoffe waren wichtige Handelsgüter. Die aus dem kommerziellen Walfang (vom 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert) gelieferten Rohstoffe wie Fischbein, Ambra, Walrat, Tran oder Glycerin setzte man als Chemiegrund- oder Brennstoffe, Schmiermittel und Vorläufer verschiedener Kunststoffe ein.

Im Kunststoffmarkt nehmen Biokunststoffe bisher nur einen einstelligen Prozentanteil ein. Die Endlichkeit fossiler Rohstoffe, verstärkte Auflagen für Wirtschaft und Verbraucher hinsichtlich Energie- und Umweltbilanz sowie wachsender Wettbewerb bei Herstellern und Nutzern von Biokunststoffen sprechen jedoch für die Weiterentwicklung von Alternativen in diesem Bereich. So erarbeitete das Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der Technischen Universität Graz vor zwei Jahren erstmals eine grundsätzliche Möglichkeit, Bioplastik aus Schlachtabfällen herzustellen, das laut Institut zu Verpackungsmaterialien oder sogar hochwertigen Produkten wie Bioimplantaten verarbeitet werden kann.

Aber BSE stand in Europa über ein Jahrzehnt lang in den Nachrichten und hat dazu geführt, dass die Europäische Union Richtlinien zum Umgang und Nachweis von ADC aufgestellt hat. Unter anderem gehört dazu, dass sie spezielle Hitzeverfahren (bei 200° C oder mehr für nicht weniger als 20 Minuten) zur Umesterung bzw. Hy-drolyse durchlaufen müssen. So werden BSE-Proteine deaktiviert. Zudem dürfen die Zusatzstoffe nur aus BSE-freien Ländern stammen. Darüber hinaus haben Verwender von ADC Verfahren entwickelt, die Infektionserreger wirkungsvoll entfernen oder inaktiv setzen. Dennoch, und obwohl die BSE-Krise als bewältigt gilt, beginnt ein Umdenken.

Wer ein unnötiges Risiko vermeiden will, wählt eine ADC-freie Werkstoff-Rezeptur, besonders wenn der Werkstoff dort eingesetzt wird, wo es zu einem Kontakt mit einem Füllgut kommen kann (Lebensmittel, Getränke, Kosmetika, Medikamente etc.) oder der Einsatz eines Produktes direkt am/im Menschen erfolgt (medizinische oder pharmazeutische Schlauchsysteme, Medizin- oder kosmetische Spritzen, Dialysesysteme etc.).

Versteckte Zutaten – Veganer schauen genauer hin

Laut aktueller Statistik liegt der Anteil der vegan lebenden Menschen in der Bundesrepublik unter 0,5 Prozent, allerdings mit steigender Tendenz. Wer vegan lebt, der meint nicht nur die Nahrung, die er zu sich nimmt. Ein veganer Lebensstil bezieht sich auch auf das gesamte Lebensumfeld. Manche Dinge, die offensichtlich sind, lassen sich ohne Probleme eliminieren. Das gilt auch für Zusatzstoffe in Lebensmitteln oder Kosmetika. Veganer wissen, dass oft tierische Inhaltsstoffe eingearbeitet werden und lesen von daher die „Zutatenliste“ sehr genau. Es gibt zudem in der veganen Community zahlreiche Listen von nicht veganen Stoffen, die in Produkten des täglichen Bedarfs enthalten sein könnten. Bei den „versteckten“ ADC ist dies allerdings anders, denn die existieren im Verborgenen. In Verpackungen von Lebensmitteln und Getränken etwa oder in Gebinden von Kosmetika.

Transparent, hochfest, flexibel, medienbeständig

Die Eigenschaften des ADC-freien Provamed-TPE* sorgen für sichere Lösungen. Die Rezeptur ist für vielfältige Anwendungen geeignet. Zwei Beispiele: Im medizinischen und pharmazeutischen Bereich wird an das Material für Schläuche und Schlauchsysteme das Anforderungsprofil gestellt: sowohl hochfest als auch flexibel, zudem transparent und extrem medienbeständig. Die TPE sorgen dafür, dass eine Wechselwirkung zwischen Schlauchmaterial und pharmazeutischen oder körpereigenen Stoffen vermieden wird. Die hohe Transparenz des Materials ermöglicht den optischen Flow-Control. Zur Verfolgung der Schlauchposition im Körper können im Schlauchsystem röntgenkon-trastgebende Streifen eingearbeitet werden. Die Festigkeit des Werkstoffs garantiert die Knickbeständigkeit und eine antimikrobielle Beschichtung erhöht die Keimresistenz.

Medienbeständigkeit ist auch gefragt, wenn der Werkstoff zum Beispiel zu Pumpspender von Haarfarben verarbeitet wird. Aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Haarfärbemittel sowie der hohen mechanischen Beanspruchung während der Anwendung, ist für die Membranen im Inneren des Auftragesystems ein extrem beanspruchbares Material notwendig.

Für die Entwicklung des ADC-freien TPE wurde Provamed 1160 herangezogen. Eine Rezeptur, die sich auf der einen Seite durch besondere Elastizität mit hohem Rückstellvermögen auszeichnet, auf der anderen durch Transparenz und besonders gute Sterilisationsfähigkeit. Das Material eignet sich sowohl für die Verarbeitung im Spritzguss als auch in der Extrusion. Aus dieser Rezeptur wurde durch die Einarbeitung der ADC-freien Werkstoffe die Variante Provamed 2160 entwickelt. Diese Rezeptur hat ein vergleichbares Eigenschaftsprofil wie die Variante 1160 und zeichnet sich durch die gleiche Performance in Bezug auf Elastizität, Sterilisationsfähigkeit, Transparenz und Verarbeitbarkeit aus.

 

*„The Story Behind Kosher Plastics“,
K-Star Online, eine für die Zertifizierung von koscheren Produkten zuständige
Institution

 

Fakuma 2014: Halle/Stand A04/4421

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