Die thermische Aus- dehnung besser verstehen

Der Boeing Dreamliner ist eine Innovation, da er zu über 50 Prozent aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFRP) besteht – ein leichtes Material mit außergewöhnlichen Festigkeitseigenschaften. Heute werden weitgehend Verbundmaterialien im gesamten Flugzeug verwendet. Obwohl CFRP-Verbundmaterialien von Natur aus Vorteile bieten, können sie die potenziell schädigenden elektromagnetischen Effekte eines Blitzschlages nicht abmindern. Zur Lösung dieses Problems kann elektrisch leitende expandierte Metallfolie (EMF) der Verbundstruktur-Laminierung hinzugefügt werden, um schnell starke Ströme und Hitze abzuleiten und den Blitzschutz des CFRP im Flugzeug sicher zu stellen.

Die Ingenieure bei Boeing Research and Technology (BR&T) nutzen multiphysikalische Simulation und physikalische Messungen, um die Effekte der EMF-Designparameter auf thermische Spannungen und Verformungen in jeder einzelnen Schicht der Verbundstruktur-Laminierung zu untersuchen. Die Spannung akkumuliert sich in der Schutzschicht der Verbundmaterialstruktur als Ergebnis der wechselnden thermischen Beanspruchung, die aufgrund des typischen Boden-Luft Flugzyklus entsteht. Dadurch treten mit der Zeit Risse in der Schutzschicht auf, durch die Feuchtigkeit und andere Umgebungsstoffe eindringen und so die Korrosion der EMF verursachen können.

Dies führt zu einer Verringerung der elektrischen Leitfähigkeit und beeinträchtigt die Funktion der Schutzschicht. Die Beteiligten des BR&T Projektes sind der Projektmanager Jeffrey Morgan von Sealants and Electromagnetic Materials, als Leiter der Simulation Robert Greegor, Associate Technical Fellow von Applied Physics, Dr. Patrice Ackerman von Sealants and Electromagnetic Materials, die den Bereich Test leitet und Technical Fellow Quynhgiao Le. Im Forschungsprojekt arbeitet das Team zurzeit daran, die gesamte thermische Stabilität der Verbundstruktur zu verbessern und so die Risiken und den Wartungsaufwand, der durch die Beschädigung der Schutzschicht entsteht, zu reduzieren.

Wärmeausdehnung in Flugzeug-Verbundmaterialien

Im Oberflächenschutzschema sieht man, dass jede Schicht inklusive Farbe, Grundierung, Korrosions-Isolations-Schicht, Füller, EMF und die darunter liegende Verbundstruktur mit der Zeit zur Steigerung der Spannung in der Schutzschicht beiträgt, da sie thermischen Zyklen ausgesetzt sind. Die Geometrie stammt von dem von Greegor2,3 und seinen Kollegen entwickelten Wärmeausausdehnungskoeffizienten-Modell (Coefficient of Thermal Expansion (CTE)). Bei dieser Entwicklung wurde Comsol Multiphysics verwendet, um die thermische Spannung und die Verschiebung in jeder Schicht einer ein Quadratzoll grossen Probe der Verbundmaterialstruktur zu untersuchen.

In dieser Studie wurden die Höhe der EMF, die Weite des Drahtgeflechtes, das Seitenverhältnis, die metallische Zusammensetzung und die Oberflächen-Schichtstruktur variiert, um ihren Einfluss auf die thermische Leistung der Gesamtstruktur zu beurteilen. Die metallische Zusammensetzung der EMF bestand entweder aus Aluminium oder Kupfer, wobei eine EMF aus Aluminium zusätzliche Glasfasern zwischen der EMF und dem Verbundwerkstoff benötigt, um galvanische Korrosion zu vermeiden.

Die Materialeigenschaften jeder Schicht, darunter der Wärme-Ausdehnungskoeffizient, die Wärmekapazität, die Dichte, die thermische Leitfähigkeit, der Elastizitätsmodul und die Querkontraktionszahl, wurden dem Comsol-Modell als individuelle Werte hinzugefügt und zusammengefasst. Der Wärme-Ausdehnungskoeffizient der Farbschicht wurde mit einer Step-Funktion definiert, die den plötzlichen Wechsel in der Wärmeausdehnung bei der Glasübergangstemperatur des Materials repräsentiert. Im CTE-Modell wird mit Hilfe der multiphysikalische Schnittstelle „Thermische Ausdehnung/Thermal Stress“ die Festkörpermechanik mit der Wärmeübertragung gekoppelt, um die Wärmeausdehnung zu simulieren und so die Verschiebung in der gesamten Struktur zu berechnen. Die Simulationen wurden auf die Erwärmung der Verbundstrukturschichten, wie man sie beim Landeanflug beobachtet, beschränkt, wobei End- und Ausgangstemperatur im Modell so definiert wurden, dass sie die Bodentemperatur bzw. die Lufttemperatur in der Höhe darstellen.

Einfluss der EMF auf Spannung und Verschiebung

Die Ergebnisse der Simulationen wurden analysiert, um Spannung und Verschiebung bei der Erwärmung in jeder Schicht und für unterschiedliche Eigenschaften der expandierten Metallfolie quantitativ zu bestimmen. Ein Beispiel der Simulationsergebnisse ist in Bild 3 zu sehen. Die Spannungsverteilung in der Farbschicht bildet das Verschiebungsmuster der darunter liegenden EMF ab. Die vergrößerte Querschnittansicht zeigt deutlich die unterschiedliche Verschiebung über dem Netz zusätzlich zu dem Trend der Spannungsreduktion in den obersten Schutzschichten. Bild 2 zeigt die relative Spannung für jede Lage im Oberflächenschutzschema, das entweder Aluminium- oder Kupfer-EMF enthält.

Die Glasfaser-Korrosionsschutzschicht, die für die Aluminium-EMF benötigt wird, verhält sich wie ein Puffer, der dazu führt, dass die Spannung in der Aluminium-EMF niedriger ist als in der Ausführung aus Kupfer. Trotz der niedrigeren Spannungen in der Aluminium-EMF zeigen die Simulationsergebnisse mit den verschiedenen EMF Designparameter durchgängig eine höhere Neigung zu Verschiebungen bei einem Oberflächenschutzschema aus Aluminium-EMF, im Vergleich zu Kupfer. Die größere Verschiebung, die üblicherweise durch die Aluminium-EMF verursacht wird, kann zum Teil auf den im Vergleich höheren Wärmeausdehnungskoeffizient von Aluminium zurückgeführt werden.

Es wurden weitere Analysen durchgeführt, mit denen der Einfluss der EMF-Designparameter untersucht wurde, um den Effekt einer variierenden Höhe, Weite und des Seitenverhältnisses des Netzgitters auf die Verschiebung in den Schutzschichten zu bestätigten. Bei der Veränderung des Seitenverhältnisses konnte man feststellen, dass ein größeres Seitenverhältnis zu einer leichten Verringerung der Verschiebung um cirka 2% führt, sowohl für die Kupfer- als auch die Aluminium-EMF, wobei größere Seitenverhältnisse offenere Netzgitterstrukturen bedeuten. Für jeden EMF-Designparameter muss man zwischen Stromtragfähigkeit, Verschiebung und Gewicht abwägen. Bei der Wahl des Seitenverhältnisses des Netzgitters kann eine offene Netzstruktur die Verschiebung und das Gewicht reduzieren, die für die Schutzfunktion entscheidende Stromtragfähigkeit wird jedoch ebenfalls reduziert, was entsprechend berücksichtigt werden muss.

Ähnliches gilt auch in Bezug auf die Netzweite. Eine Veränderung der Netzweite um den Faktor drei führte zu einer eher kleineren Erhöhung der Verschiebung von cirka 3 Prozent, sowohl für die Kupfer- als auch für die Aluminium-EMF. Die Variation der Höhe um den Faktor 4 führte jedoch zu einer Erhöhung der Verschiebung um 60 Prozent – sowohl bei Kuper als auch bei Aluminium. Die relativen Werte der Verschiebung in jeder Schicht des Oberflächenschutzschemas für eine variierte Höhe der Kupfer- und Aluminium-EMF werden aufgezeigt. Aufgrund des geringeren Einflusses auf die Verschiebung sind die Erhöhung der Netzweite oder ein kleineres Seitenverhältnis bessere Strategien, um die Stromtragfähigkeit der EMF gegen Blitzschlag zu steigern.

Einfluss der Verschiebung auf die Rissbildung

Greegor und seine Kollegen am BR&T bewerten jede vorhergesagte Verschiebung qualitativ als ein erhöhtes Risiko für die Rissbildung in der Schutzschicht, da sich die mechanische Spannung aufgrund der thermischen Zyklen mit der Zeit akkumuliert. Experimentelle Nachweise unterstützen diese Logik, ein mikroskopisches Foto des Schutzschichtaufbau-Querschnittes mit Aluminium- und Kupfer-EMF, nachdem die Probe einen längeren Zeitraum in einer Klimakammer dem Einfluss von Feuchtigkeit und thermischen Zyklen ausgesetzt war. Das Laminat mit Kupfer-EMF zeigt keine Risse, wohingegen die Aluminium-EMF an den sichtbaren Kanten und an der Oberfläche zu Rissen in der Grundierungsschicht und zu deutlichen Rissen in den Überlappungsbereichen der Netze führt.

Die experimentellen Ergebnisse stimmen mit den Simulationsergebnissen für den gleichen Temperaturbereich überein, wobei beide übereinstimmend höhere Verschiebungen in den Schutzschichten für die Aluminium-EMF zeigen. Sowohl die Simulation als auch die Tests legen nahe, dass sich die Kupfer-EMF besser für den Blitzschutz von Flugzeugstrukturen aus Verbundmaterialien eignet. Multiphysikalische Simulation ist daher ein zuverlässiges Mittel, die relative Auswirkung der EMF-Designparameter auf Spannung und Verschiebung zu untersuchen, um so die Wahrscheinlichkeit der Rissbildung besser zu verstehen und zu reduzieren.

Die Informationen, die in diesem Artikel enthalten sind basiert auf den folgenden öffentlich verfügbaren Quellen:
1 The Boeing Company. 787 Advanced Composite Design. 2008-2013.
www.newairplane.com/787/design_highlights/#/visionary-design/composites/advanced-composite-use
2 J.D. Morgan, R.B. Greegor, P.K. Ackerman, Q.N. Le, Thermal Simulation and Testing of Expanded Metal Foils Used for Lightning Protection of Composite Aircraft Structures, SAE Int. J. Aerospace 6(2):371-377, 2013, doi:10.4271/2013-01-2132.
3 R.B. Greegor, J.D. Morgan, Q.N. Le, P.K. Ackerman,Finite Element Modeling and Testing of Expanded Metal Foils Used for Lightning Protection of Composite Aircraft Structures, Proceedings of 2013 ICOLSE Conference; Seattle, WA, September 18-20, 2013.18-20, 2013.

 

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