Hygienischer Karpulen-Injektor im Spritzgieß-Verfahren

Nicht nur aufgrund des demografischen Wandels werden die Medizintechnik und damit auch die Herstellung von medizintechnischen Teilen aus Hochleistungskunststoffen immer interessanter für Spritzgießunternehmen wie Camo, Schwanenstadt, Österreich, die unter anderem spritzgegossene Karpulen-Injektoren herstellen. Diese Art der Injektion wird in sensiblen Bereichen, etwa beim Spritzen von Hyaluronsäure in Gelenke, eingesetzt.

Neben einer einfachen und sicheren Handhabung des Injektionssystems geht es vor allem darum, die Keimbelastung und die Belastung durch lebende wie tote Bakterien so gering wie möglich zu halten. Das Unternehmen hat den praktischen Einsatz des Systems mit Spezialisten aus dem Gesundheitswesen sowie Ärzten getestet und deren Vorschläge in die Entwicklung einbezogen. Die Zertifizierung nach ISO 13485 ist für die Produktion vorausgesetzt. Die Keimbelastung muss in den Sauberbereichen in und rund um Maschinen und Montagesektoren so gering wie möglich gehalten und fortlaufend überwacht werden.

Zwei Komponenten: Verfahren und Anzahl

Die Injektoren werden im 2K-Verfahren aus Polypropylen (PP) und Polyamid (PA) 12 hergestellt. Die Nadel aus Polyamid sticht die Karpulen an. Dabei müssen diese immer gleich lang und scharf sein. Das prüft eine 100 Prozent-Videokontrolle inline an der Spritzgießanlage. Die Kunststoff-Kombination ist medizinisch zugelassen, weil sie sich umfassend sterilisieren lässt. Die Injektoren werden nachgeordnet sowohl Gamma- (Strahlen) als auch Eto- (Gas) sterilisiert. Die Vorschubhülse mit Stößel besteht aus
den im Montage-Spritzgussverfahren verarbeiteten Kunststoffen Polyoxymethylen (POM) und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS).

Die untrennbare Verbindung der beiden Teile findet schon im Werkzeug statt, wobei die unterschiedliche Schwindung der Materialien die Beweglichkeit der Baugruppe sicherstellt. Der Hersteller montiert beide Komponenten und liefert sie zur Sterilisation an ein weiteres Unternehmen. Von dort gehen sie einzeln verpackt zum Endkunden. Eine genormte Luerlock-Verschraubung verbindet die Einwegkanülen mit dem Karpulen-System. Mit dem Einlegen der Karpule ist das System dann gebrauchsfertig.

Saubere Umgebung ist Pflicht

Zum Erreichen einer sauberen Umgebung wurden die Spritzgießmaschinen in weiten Teilen über Schließeinheit und Handling eingehaust. In diesen Bereichen erreicht die Luftqualität ISO8: In der Umhausung dürfen nicht mehr als 832.000 Partikel von 1 µm und 29.300 Partikel von 5 µm vorhanden sein. Unter dem Handlingkopf, der die Teile aus dem Werkzeug entnimmt, herrschen Reinheitsbedingungen der Klasse ISO7. Dies wird durch eine Glocke erreicht, unter der der Entnahmegreifer permanent von sauberer Luft umströmt ist. Dieser Luftvorhang sorgt für eine um den Faktor 10 höhere Luftqualität im Vergleich zur Einhausung sowie für ein Neutralisieren der statischen Teileaufladung. In der Übergabeschleuse werden die Teile unter 2xISO8-Atmosphäre abgelegt. Die Artikel fallen dort in einen PE-Sack, der von einem zweiten Beutel umschlossen ist, um die Hygienekette nicht zu unterbrechen.

Hohe Anforderungen an die Werkzeugtechnik

Die Einfach-Werkzeuge zum Herstellen der beiden 2K-Komponenten entsprechen in ihrer Auslegung den Teileanforderungen – das Risikomanagement setzte bereits während der Entwicklung an, verschiedene Praxistests brachten dabei Erkenntnisse für die Auslegung.
Ein Beispiel für diese praxisnahe Entwicklungsarbeit ist etwa die Arretierung des Stößels in der Vorschubhülse. Der Stößel kann erst dann betätigt werden, wenn die Vorschubeinheit einrastet. Ein ungewolltes Betätigen ist ausgeschlossen.

Für das Spitzen-Werkzeug haben die Verantwortlichen zunächst eine Musterform gebaut. Die Nadel aus PA 12 wird innen an- und bis zum Fließweg-ende ausgespritzt, um die notwendige Schärfe zu erzielen. Wichtig ist vor allem, dass die Karpule immer gerade in der Vorschubhülse sitzt und beim Öffnen nicht gestanzt, sondern durchstochen wird, um die Dosierung nicht zu behindern. Die Kerne des Drehbalken-Werkzeugs sind für einen schnellen Wechsel in Modulbauweise ausgeführt. Die beim Einspritzen eingeschlossene Luft entweicht über Sacklöcher. Eine Nadelverschlussdüse ermöglicht eine exakte Anspritzung. Während der Werkzeugöffnung wird das Innengewinde für die Kanüle automatisch ausgeschraubt.

Die Vorschubhülse mit Stößel entsteht im Umsetzverfahren. Die Materialien wurden so aufeinander abgestimmt, dass keine Verbindung entstehen kann. Hierzu ist es wichtig, die Formdrücke so zu wählen, dass sich die beiden Artikel nicht gegenseitig deformieren, sie aber leichtgängig in ihrer Funktion bleiben. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Sauberkeit der Fertigung wurden auch die Werkzeugeinsätze beschichtet. Auf Schmiermittel für die beweglichen Teile haben die Hersteller aus Hygienegründen ganz verzichtet. Beide Materialien werden über Kaltkanal angespritzt, wobei die Anspritzpunkte so gewählt sind, dass die Artikelfunktion nicht behindert ist.

Hochwertige Teile sind das A und O

Wer in der Medizintechnik produziert, muss genau auf Sauberkeit und Präzision achten. Geschieht dies nicht permanent und vollständig, ist später die gesamte produzierte Charge nicht zu gebrauchen. Denn wenn nicht sauber produziert wird, können bei der Injektion Verunreinigungen in den Körper des Patienten gelangen. Für den täglichen Betrieb erhielt das autorisierte Personal deshalb spezielle Reinigungsanweisungen, die auf diese Umstände und auf die fortlaufende Dokumentationspflicht hinweisen. Generell kontrollieren Luftmessungen ständig die Sauberkeit. Neben der optischen Reinheit von Maschine und Werkzeug misst der Hersteller mit Prüfgeräten zusätzlich die in der Raumluft vorhandenen Partikel.

An den Montageplätzen muss außerdem die gesamte Arbeitsfläche vor Montagebeginn mit herkömmlichem Reinigungsmittel gesäubert werden. Anschließend erfolgt zusätzlich eine Reinigung mit Desinfektionsmittel – für alles nutzen die Ausführenden Einweghandschuhe. Das Desinfektionsmittel muss erst vollständig abgetrocknet und die Partikelkonzentration gemessen sein, bevor sie mit der Arbeit beginnen können. Während der Montage müssen die Monteure den Arbeitsplatz mindestens einmal pro Stunde mit einem Desinfektionstuch reinigen. Während der gesamten Produktion und Montage der Teile für den Injektor liegt damit minimal die Reinheitsklasse ISO8 an. Der Aufwand spiegelt sich in sterilen, hygienischen Produkten wider.

 

Experten-Tipp

Was ist eine Karpule?

Im Gegensatz zur ebenfalls aus Glas bestehenden Ampulle ist die Handhabung bei einer Karpulen-Lösung einfacher. Während der Anwender eine Ampulle erst aufsägen und dann in eine herkömmliche Einmal-Spritze aufziehen muss, wird die Karpule, ein versiegelter Glasbehälter mit genau dosiertem flüssigem Wirkstoff, lediglich in eine Vorschubeinheit eingelegt. Dort durchsticht eine Kunststoffnadel die Gummimembran automatisch beim Drücken des Stößels und die Karpule gibt die Flüssigkeit zur Injektion über eine Kanüle frei. Auch der verschiebbare Pfropfen der Karpule besteht zur optimalen Abdichtung aus Gummi.

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