MedPLAST 14 2014

Viele Alltagsartikel – hier Beatmungsbeutel – sind in der Medizin aus speziellen Polymeren. Ihre Werte sind versteckt: funktionale Oberflächen, Sterilität und Biokompatibilität gehören dazu. (Bild: Bayer)

Kunststoffe in der Medizin sind unersetzlich geworden. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits mehr als die Hälfte aller weltweit hergestellten Medizinprodukte aus Kunststoff besteht. Bei Sonden, Spritzen, Schläuchen und Thermometern, aber auch Prothesen, Orthesen und künstlichen Organen vertraut man auf den Werkstoff. Und die speziellen Anforderungen in der Medizin führten dazu, dass Kunststoffe heute in einigen Bereichen eine Monopolstellung haben, wie beispielsweise in der Dialyse, bei Blutbeuteln oder Sondennahrung.

Durch die polymeren Fortschritte sind viele medizinische Anwendungen, die noch vor Kurzem als unvorstellbar galten, möglich und dank der Vielseitigkeit der Kunststoffe selbstverständlich. Dabei profitiert die Medizin von den speziellen Eigenschaften und Vorteilen der Polymere: Viele Kunststoffe sind leicht zu sterilisieren, wärmebeständig, biokompatibel und verfügen über besondere Oberflächenqualitäten sowie eine hohe mechanisch-dynamische Belastbarkeit. Aus einem einfachen und preiswerten Kunststoff kann durch eine entsprechende Verarbeitung und Gestaltung ein hochwertiges Medizinprodukt werden. So ist es im engen Operationsfeld der Knopfloch-Chirurgie äußerst schwierig, komplexe Bewegungen auszuführen, wie das fachgerechte Vernähen von Wunden. Mit einem Kunststoff, der sich durch leichtes Erwärmen an seine Originalform erinnert, können winzige Wunden mit optimaler Festigkeit verschlossen werden.

Maßgeschneiderte Materialien

Heute werden bei orthopädischen Anwendungen oder in der Chirurgie oft maßgeschneiderte Polymere eingesetzt. Bei Hüftimplantaten verbessern oder ersetzen Kunststoffe die Funktion beweglicher Körperteile. Dank der guten biologischen Verträglichkeit der Materialien können solche Hüftprothesen über viele Jahre im menschlichen Körper bleiben.

In der Herzchirurgie werden weitere Anforderungen an das Material gestellt. Das durchschnittliche menschliche Herz schlägt etwa 40 Millionen Mal im Jahr, daher müssen die Werkstoffe, die für künstliche Kammern oder Klappen am Herzen eingesetzt werden, besonders bioverträglich, flexibel und zugleich formstabil und reißfest sein. Außerdem sollten sie über eine Oberfläche verfügen, bei der das Bilden von Blutgerinnseln durch Ablagerungen erschwert wird. Die Implantation eines Stents kann in vielen Fällen bei verengten Herzkranzgefäßen den Blutdurchfluss in den Gefäßen wieder herstellen. Dazu wird eine polymere Gefäßstütze mit einem Kunststoff beschichtet, in den verschiedene wachstumshemmende Wirkstoffe eingebettet sind. Nach der Implantation werden die Medikamente lokal freigesetzt und verhindern ein Vernarben an der verletzten Ader.

In vielen Anwendungen übernehmen Kunststoffe eine körpereigene Funktion nur über einen begrenzten Zeitraum. Einfache Beispiele sind polymere Stützgewebe, Knochenschrauben und Nähte. Sobald der Körper sich regeneriert hat und alle Aufgaben selbst übernehmen kann, baut sich das Polymermaterial durch Metabolisierung im Körper wieder ab. Egal, ob kurzlebige Anwendungen wie Wundnähte oder langlebigere wie Stents – Kunststoffe ermöglichen es jeweils, die Verweildauer der Hilfsmittel variabel zu bestimmen. Ein erneuter Eingriff kann dadurch vermieden werden, was dem Patienten unnötiges Leid erspart und Folgekosten vermindert.

Multiplexer Einsatz

Doch neben der Hochtechnologie sind es gerade auch die scheinbar profanen Hilfsmittel, die in der Medizin wichtige Funktionen übernehmen. Schläuche und Kabel sind heute präzise Produkte, ermöglichen das Einhalten genauer Durchflussmengen und Druckangaben. Integrierte Druckmesssensoren an Kathetern in der Neurochirurgie und Mehrlumen-Schläuche für parallel durchzuführende Infusionsschritte sind Innovationen, die ohne Kunststoff nicht umsetzbar wären. Doch der Einsatz von Kunststoff in der Medizin geht noch viel weiter. Der Werkstoff findet sich sowohl in der Schutzkleidung als auch in der Ausstattung eines Operationssaals und hilft somit, Hygiene und Aseptik in der Medizin sicherzustellen. Sterile Kunststoffverpackungen sorgen dafür, dass die Schnuller auf der Neugeborenen-Station, Einmalspritzen, Skalpelle, Wundpflaster, Arzneimittel und Flüssigkeiten stets höchste Sicherheitsstandards erfüllen. Bisweilen müssen auch empfindliche Stoffe vor Licht geschützt werden.

Zum Wohle der Patienten

Wohin man blickt, Kunststoff trägt entscheidend dazu bei, medizinische Hindernisse zu überwinden und ressourceneffiziente Lösungen für Klinik und Arztpraxis voranzubringen. Dabei spielt die optimale Werkstoffauswahl eine entscheidende Rolle. Ständig wird an neuen polymeren Lösungen geforscht. Erst kürzlich wurde die erste funktionsfähige künstliche Zelle aus Kunststoff entwickelt. Daher sind auch in der Medizintechnik Kunststofferzeuger und -verarbeiter eng miteinander vernetzt, um gegenseitig vom Know-how zu profitieren und eine kontinuierliche Werkstoffentwicklung sicherzustellen. So entstehen punktgenaue Lösungen, die überall auf der Welt Leben retten oder Lebensqualität erhöhen.

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