September 2013

Vier Unternehmen stellen sich der Aufgabe, das patentierte Ultralitec-Verfahren zur Serienreife zu bringen. Das fehlende Glied, ein serientaugliches Vorwärmkonzept, wird von HK Präzisionstechnik, Oberndorf, in Form eines Paternoster-Ofens beigesteuert. Somit kann die Herstellung großer kubischer 3D-Teile in Großserien für die Automobilindustrie beginnen. Mit dem neuen Umluftofen werden die geforderten und in der Automobilbranche üblichen Taktzeiten für die Serienproduktion schon fast erreicht. Zumindest bewegt man sich mit einer Zykluszeit von knapp über einer Minute schon sehr nahe an den 60-Sekunden-Takten, in denen die Automotive-Branche tickt.

Ein E-Mobility-Konzept als Innovationstreiber

Unter der Konsortialführung von Technologieentwickler Rehau, Rehau, der das Verfahren entwickelt und patentiert hat, ist Neue Materialien Bayreuth, Bayreuth, mit der Entwicklung des Fertigungsprozesses bis zur Serienreife beauftragt. Des Weiteren ist der Werkzeugbau Karl Krumpholz, Redwitz, in das Projekt eingebunden. Mit dem Verfahren werden aus mehrfach gelegten unidirektionalen Tapes – UD-Tapes – aufgebaute dreidimensionale Vorformlinge im Werkzeug konsolidiert und mit einem Spritzgießprozess funktionalisiert. Wichtig dafür ist das zuverlässige und gleichmäßige Vorheizen der Halbzeuge auf Verarbeitungstemperatur, damit die Zweiplatten-Großmaschine V-Duo von Engel, Schwertberg, Österreich, mit 25.000 kN Schließkraft die Testteile fertigen kann.

Der Rehauer Technologieentwickler ist als Mitgesellschafter von Street-scooter, die das erste Elektrofahrzeug für den Kurzstreckenverkehr, Short Distance Vehicle (SDV), entwickelt haben, an der schnellen Umsetzung des Verfahrens für den industriellen Produktionsprozess interessiert. Gefertigt wird auf der in Bayreuth aufgebauten Anlage ein sogenanntes Demon-stratorteil. Die Versuchswanne ist etwa 800 mm lang, 400 mm breit und ebenso hoch. Sie enthält charakteristische Formen später geforderter Funktionsteile.

Das Temperiersystem des Umluftofens unterstützt dabei den wichtigen Erwärmungsprozess von thermoplastischen Verbundwerkstoffen. Mit einem Fünftel des Energiebedarfs herkömmlicher Infrarot-Durchlauf-Anlagen erwärmt der Ofen die Preforms schonend und gleichmäßig auf die Prozesstemperatur, die je nach Material zwischen 200 und 300 °C liegt. Sehr geringe, gemessene Temperaturdifferenzen im Halbzeug von weniger als zwei Grad Celsius schaffen die Voraussetzung für eine automobilgerechte Qualität in Bezug auf Mechanik, Schwindung und Verzug. Die kompakte Bauform des Ofens benötigt deutlich weniger Platz als andere Anlagen.

80 Prozent weniger Energie-bedarf für High-Tech-Teile
Mit Glas- oder Kohlenstofffaser verstärkte thermoplastische Halbzeuge werden als Hochleistungs-Werkstoffe in vielen Bereichen eingesetzt, in denen man hohe Steifigkeit und geringes Gewicht bei kurzen Zykluszeiten erreichen muss. Vor allem im Automobilbau, wo beispielsweise Ersatzradmulden, Sitzschalen aber auch Karosserieteile wie Heckklappen Stoßfänger oder Kotflügel aus Kunststoff gefertigt werden, sind die Qualitätsanforderungen besonders hoch. Bei der Formgebung der Kunststoffe im Heißverfahren ist dabei das gleichmäßige und punktgenaue Erhitzen und das Durchwärmen von Halbzeugen ein wichtiges Qualitätskriterium. Es entscheidet nicht nur über die Prozesssicherheit und Wiederholgenauigkeit, sondern auch über die Güte des Teils und den Erfolg nachfolgender Prozessschritte wie zum Beispiel des Klebeverfahrens.

Herkömmliche Temperiersysteme erwärmen die Halbzeuge beispielsweise auf horizontal laufenden Heißluft-Durchlauföfen, wo entsprechende Wärmedüsen die Temperatur ins Teil bringen. Die Werkstücke werden mit einem Strom heißer Luft quasi gefönt. Die dabei entstehenden Luftgeschwindigkeiten von bis zu 20 Meter pro Sekunde sind so hoch, dass der Luftstrom zum Teil die Glasfasern aus dem Halbzeug bläst. Darüber hinaus ist der Energiebedarf vieler Anlagen mit 400 bis 900 kW sehr hoch.

Erstmals große 3D-Teile aufgeheizt

In dem Umluftofen nehmen hier sechs schubladenartige Aufnahmeroste in den Abmessungen 1.250 x 2.000 mm die großen kubischen Teile auf und befördern sie durch zwei Kammern. Je nach Höhe des Halbzeugs kann der Ofen bis zu 36 Schubladen aufnehmen. Die Höhe eines Teils reduziert die Rostanzahl. Niemals zuvor wurde bisher ein so großes 3D-Teil auf diese Art und Weise gleichmäßig vorgeheizt.

In der ersten Kammer werden die Preforms rund drei bis sechs Minuten lang hochgeheizt, indem sie durch ein ausgeklügeltes Luftleitsystem von drei Seiten mit heißer Luft umströmt werden. Dazu werden etwa zwei Drittel der Gesamtenergie verwendet. Während dieses Prozesses werden die Roste dabei Stufe für Stufe, wie in einem Paternoster, nach oben gefahren. Am oberen Punkt der Kammer angekommen, werden die Vorprodukte in die zweite Kammer übergeben, wo im Abwärtsfahren die Restenergie eingebracht, die erreichte Temperatur gehalten und die gewünschte Endtemperatur erreicht wird. Unten angekommen können die auf Prozesstemperatur erwärmten Werkstücke entnommen und der Presse zugeführt werden. Der Gesamtenergiebedarf beträgt nur etwa 90 kW. Das gleichmäßige Aufheizverfahren ist äußerst schonend und erhält die mechanischen Eigenschaften der thermoplastischen Faserverbundhalbzeuge.

Roboter übernimmt das Handling der heißen Teile

Entnommen wird das Werkstück vollautomatisiert von einem Roboter, dessen Greifer geheizt ist, damit die Temperatur bis zur Übergabe an die Presse gehalten wird. Im Werkzeug werden die Vorformlinge konsolidiert und gegebenenfalls drapiert, bevor im selben Werkzeug Rippen und Verstärkungen als Funktionalisierungselemente angespritzt werden. Darüber hinaus wird noch ein Rand angespritzt, damit die Teile keine Nacharbeit mehr erfordern.

Qualitätskontrolle und Rückverfolgbarkeit sichergestellt
Die zwei Kammern des Umluftofens werden getrennt voneinander geregelt und überwacht. Dazu gehört auch eine Überwachungs- und Trackingfunktion, die die Verweilzeit eines jeden, mit einem Halbzeug beladenen Rostes erkennt und seinen Fortgang im Ofen minutiös festhält. Das wirkt sich bei einer eventuellen Anlagenstörung positiv aus, denn über ein Notprogramm kann die Temperatur auf ein niedriges Niveau abgesenkt werden. Dadurch erübrigt sich das Leerräumen des Ofens, Ausschusskosten werden deutlich gesenkt. Das Programm weiß genau, welcher Rost wie lange im Ofen war. So entsteht nach dem Wiederanfahren keinerlei Materialverlust und die Rückverfolgbarkeit kann für jedes Teil sichergestellt werden.

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