Juli 2013

Die 1974 gegründete RKT Rodinger Kunststoff-Technik, Roding, ist Hersteller von Werkzeugen für den Kunststoffspritzguss und fertigt anspruchsvolle Teile, beispielsweise für die Medizintechnik oder die Automobilindustrie. Das Unternehmen ist eine hundertprozentige Tochter der Alfmeier Gruppe. Um bei schwankender Auftragslage flexibel in kleineren Losgrößen fertigen zu können, suchte das Unternehmen Unterstützung bei der Optimierung ihrer Prozesse. Da es der Muttergesellschaft mit der Beratung durch die Wassermann Unternehmensberatung 2011 gelungen war, innerhalb von vier Monaten die Bestände um 20 Prozent zu reduzieren, waren die Verantwortlichen gespannt, wie das Prozess- und IT-Beratungshaus das leidige Thema der Werkzeugwechselzeiten an Spritzgussmaschinen angehen würde. „Ein Werkzeugwechsel an Spritzgussmaschinen dauert eben seine Zeit, also vermeidet man ihn über die Losgrößen – das schien bis dato ein Gesetz im Spritzguss zu sein“, sagt Lothar Maier, Geschäftsführer bei RKT Rodinger Kunststoff-Technik.

„Verbesserungen an Prozessen ist Teamarbeit und so haben mein Kollege und ich zunächst das Projektteam beim Spritzgießer in einem eintägigen Workshop mit den theoretischen Grundlagen der Beschleunigung von Produktwechseln vertraut gemacht und mit Praxisbeispielen auf die Thematik eingestimmt. Ganz wichtig war bei diesem Workshop aber bereits die Auswahl der Maschine, an der die Optimierung exemplarisch durchgeführt werden sollte“, berichtet Christoph Hummel, der Projektleiter aus dem Beraterteam von Wassermann. Das Projektteam, bestehend aus den beiden Consultants, Bereichsleiter, Schichtführer und sechs Einrichtern beschäftigten sich mit Single-Minute-Exchange-of-Die-Konzepten (SMED) wie der Trennung von internen und externen Rüstvorgängen und wählten zwei Maschinen aus: eine Arburg Alrounder 420C 1000 60/60, die in der Fertigung sechsfach im Einsatz ist und eine Engel EM 740/180 die am häufigsten umgerüstet wird.

Ist-Aufnahme mit Fotos und Videos

Zwei Maschinen, zwei Teams, zwei Tage – bis ins letzte Detail wurden nun die Prozesse im Rahmen eines Produkt- und Werkzeugwechsels analysiert. Die eigene Arbeit dokumentierten die Einrichter mit Fotos und Videos, unter Anleitung führten sie eine systematische Aufnahme der Prozesse durch. Dabei zerlegten sie alle Tätigkeiten in ihre Einzelschritte und ordneten sie zeitlich ein. Hierbei kam auch erstmals die wichtige Unterscheidung zwischen internen und externen Rüstvorgängen ins Spiel. Intern sind Prozesse an der stehenden Maschine, extern die vor- und nachbereitenden Tätigkeiten. Im Aufnahmeblatt für die Tätigkeitsanalyse wurden alle Tätigkeiten benannt und chronologisch eingetragen. Es folgten benötigte Hilfsmittel und Werkzeuge, die Dauer der Tätigkeit und die Klassifizierung als interne, externe oder parallel durchgeführte Tätigkeit. Durch diese Unterscheidung wurde den Teammitgliedern schon während der Ist-Aufnahme klar, dass sich sehr viele Tätigkeiten in der Spalte intern wiederfanden. Die Frage, ob das so sein müsse, stellte sich dabei automatisch und dies noch viel mehr bei einer weiteren Analyse: Die Aufnahme der zurückgelegten Wege während, vor und nach dem Maschinenstillstand zeigte eine ganze Reihe unnötiger Leerwege und Potenzial für eine bessere Vorbereitung einzelner Prozessschritte.

Nach der Aufnahme wurden die Prozesse visualisiert und das Team diskutierte, welche Tätigkeiten sich während des rund 90-minütigen Maschinenstillstands parallelisieren lassen. Außerdem wurde die bisherige Praxis dahin gehend hinterfragt, ob nicht Tätigkeiten, die bisher selbstverständlich als Teil des internen Rüstvorgangs an der Maschine behandelt wurden, sich in die Vor- und Nachbereitung verschieben ließen.

Dabei ging es nicht nur um so offensichtliche Dinge wie das Bereitlegen der nötigen Schläuche oder Reinigungsarbeiten, sondern es fiel zum Beispiel auf, dass die Dokumentation der Tätigkeiten zur Qualitätskontrolle bisher komplett während des Maschinenstillstands ausgefüllt worden war. Das Team erkannte, dass sich hier zum Beispiel einiges vorher eintragen ließ und dass eine neue Gestaltung des Protokolls im Sinne einer Checkliste diese notwendige, aber nicht wertschöpfende Tätigkeit deutlich beschleunigen kann. Die Diskussion der Prozesse zeigte, dass allein organisatorische Änderungen ein gewaltiges Potenzial für die Verkürzung der Maschinenstillstandszeiten in sich trugen. Circa 20 Minuten schienen durch die Parallelisierung von Tätigkeiten eingespart werden zu können und weitere 20 Minuten Stillstand erwartete man durch die Verschiebung von internen Tätigkeiten in den Bereich der externen vermeiden zu können – ein motivierendes Ergebnis des zweitägigen Rüst-Workshops.

Leicht und kostengünstig verbessern

Das Projektteam traf sich zu einem weiteren zweitägigen Workshop, um von der Analyse der Ist-Zustände zu einer Definition der Soll-Abläufe zu kommen. Eine lange Liste von Verbesserungsansätzen war zu diskutieren. Angefangen bei der Parallelisierung von Tätigkeiten und dem stärkeren Fokus auf die Vor- und Nachbereitung – etwa der Öfenvorbereitung – bis hin zu Möglichkeiten, Wege zu verkürzen zum Beispiel durch einen Schlauchwagen. Neben den organisatorischen und prozessualen Anpassungen standen auch jede Menge Ideen für technische Verbesserungen im Raum, zum Beispiel feste Verrohrung oder die Ausstattung der High-Runner-Werkzeuge mit Schläuchen. Auch der Einsatz von Schnellspannern und die Standardisierung von Werkzeugen wie Nadelverschlussdüsen, Schnellverschlüssen oder Verschlusskupplungen war in der Diskussion.

Um das weitere Vorgehen zu planen, nahmen die Teammitglieder eine Priorisierung der Potenziale vor. Dazu wurden die Ideen in ein Koordinatensystem eingetragen. Das eine Kriterium war die Notwendigkeit von Investitionen, das andere die Schwierigkeit der Umsetzung. So nahmen die Mitglieder die Maßnahmen in den Fokus, die keine oder mittlere Investitionen verlangen und zugleich einfach oder mittelschwer umzusetzen sind.

Abläufe auf andere Maschinen übertragen

Es wurde ein Umsetzungstag bestimmt, an dem das Projektteam in vier Zweiergruppen „ausschwärmte“, um die beschlossenen neuen Abläufe bekannt zu machen, die neuen Checklisten einzuführen und die strukturierten Abläufe auf andere Maschinen zu übertragen. Hierbei konzentrierte man sich auf die Maschinen, bei denen eine Rüstzeitoptimierung am ehesten spürbar wird – gibt es ja auch Maschinen, die höchstens dreimal im Jahr umgerüstet werden. Neben den organisatorischen Änderungen hatten die Berater eine IT-Maßname empfohlen, die auch umgesetzt wurde: Ergänzende Werkzeugstücklisten, die alle für den Prozess benötigten Teile inklusive Schrauben umfassen, sichern die vorbereitende externe Rüstung ab. Diese Listen, die auch im ERP-System geführt werden, haben sich vor allem für weniger erfahrene Einrichter als wertvolle Erleichterung erwiesen, weil sie so eine bessere Übersicht bekamen. Eine weitere Leistung der Prozessberater, die ja zugleich IT-Berater sind, war eine Anpassung der Planungsparameter an die neuen Prozesse, um die gewonnene Zeit in einer agilen Auftragsbearbeitung und Produktionsplanung auch optimal zu nutzen.

„Die Rüstung wurde sehr individuell behandelt, obwohl das Unternehmen als Formenbauer die besten Voraussetzungen für eine Standardisierung hat und diese jetzt auch nutzen wird“, sagt Projektleiter Christoph Hummel. „Der Anwender konnte die durchschnittliche Rüstzeit bei ausgewählten Produkten sogar halbieren.“ Und dies obwohl bis zum Review-Treffen, einen Monat nach Ende der Teamarbeit, erst die organisatorischen Maßnahmen umgesetzt waren und noch nicht die technischen Standardisierungen. Dieser rückblickende Workshop nach den ersten Erfolgen war nur der Auftakt zu den regelmäßigen monatlichen Treffs der Verantwortlichen, zu denen auch jeweils Einrichter hinzugezogen werden.

Verständnis für Verbesserungsmaßnahmen

Der Erfolg der Rüstzeitoptimierung ist beachtlich, allerdings entscheidend von einer disziplinierten Umsetzung der strukturierten Abläufe abhängig. Es zeigte sich, dass die Einrichter, die am Projekt beteiligt waren, die neuen Prozesse sehr gut umsetzten, während es den anderen nicht so leicht fiel. „Hier fragen wir uns im Nachhinein, ob das Team vielleicht noch größer hätte sein sollen, da die Beteiligten sich so viel leichter tun“, so Hummel und gibt zu bedenken: „Die Ist-Aufnahme hat einen sehr aufrüttelnden Effekt. Wer die Schwachpunkte selbst entdeckt hat, bringt nachher auch ein besseres Verständnis für Verbesserungsmaßnahmen auf. Im Sinne des Change-Managements gewinnt man auf diese Weise eine größere Zahl von Multiplikatoren. Bewährt hat sich übrigens auch, bei der Bildung des Projektteams auf einen ausgewogenen Mix aus langjährigen und jüngeren Mitarbeitern zu achten.“

Geschäftsführer Lothar Maier, der die Schlussphasen der einzelnen Workshops jeweils selbst mitverfolgte, sagt rückblickend: „Die gemeinsame Prozessanalyse hat uns gezeigt, dass die Werkzeugwechsel-Vermeidungsstrategie im Spritzguss auf der völlig falschen Annahme beruht. Nämlich darauf, dass sich an den Abläufen nichts wesentlich beschleunigen lässt. Dieses Projekt hat bei uns den Ausschlag dafür gegeben, dass wir unsere Prozesse jetzt regelmäßig hinterfragen und optimieren, denn hier liegt Potenzial für einen Produktivitätsgewinn.“

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