Oktober 2012

Spritzgießbare technische Duroplaste zeichnen sich unter anderem durch hohe Steifigkeit und Wärmeformbeständigkeit bei vergleichsweise niedrigen Materialkosten aus. Neben den technischen und ökonomischen Anforderungen rücken Energie- und Ressourceneffizienz in den Focus. Hier bieten rieselfähige Phenolformmassen (PF) hohes Potenzial: Der Primärenergiebedarf zur Herstellung von PF-GF50 ist im Vergleich zu Aluminium um etwa 85 Prozent, gegenüber PA-GF50 etwa 40 Prozent geringer. Beim Spritzgießen wird PF im Zylinder bei 80 bis 100 °C aufgeschmolzen und plastifiziert, wobei die Energie größtenteils durch scherinduzierte Friktionswärme in der Schnecke zugeführt wird.

Im Vergleich dazu werden bei der Verarbeitung von Hochleistungsthermoplasten die Zylinder elektrisch auf bis zu 400 °C beheizt. Diese Differenz unterstreicht das Potenzial der Duroplast-Verarbeitung. Zur Aushärtung der reagierenden Formmassen werden Duroplast-Werkzeuge meist elektrisch auf 170 bis 190°C beheizt. Energetische Vorteile ergeben sich durch die entstehende Reaktionswärme und den Wegfall des Kühlmediums zur Werkzeug-Temperierung. Zusätzliche Vorteile der elektrischen Beheizung sind eine präzise Temperaturregelung und gleichmäßige -verteilung durch die Verwendung von flexiblen Heizbändern. Die Isolation der Spritzgießwerkzeuge empfiehlt sich aufgrund der thermischen Trennung zur Spritzgießmaschine, Minimierung der Wärmeverluste und der Reduzierung der Heizleistung.

Nach dem Spritzgießen liegt die Glasübergangstemperatur bei Duroplasten knapp unterhalb der Werkzeugtemperatur. Werden besondere Kriterien an Wärmeform- und Medienbeständigkeit sowie geringe Nachschwindung gefordert, ist nachgelagertes Tempern erforderlich. Dies dient dazu den Vernetzungsprozess zu vervollständigen. Damit wird Nachschwindung sowie das Ausgasen von Polykondensationsprodukten im Gebrauch vorweggenommen und Glasübergangs- sowie Dauergebrauchstemperatur weiter angehoben. Der Energiebedarf kann je nach Warmlagerungstemperatur, -dauer und Kapazität der Temperöfen variieren. In Abhängigkeit von der Einsatztemperatur (<180°C) und den Präzisionsanforderungen kann auf diesen Nachbearbeitungsschrit auch verzichtet werden.

Ressentiments führen zu geringem Einsatz

Mit einem volumetrischen Anteil von etwa 46 Prozent stellen Polymere in einer Mercedes Benz C-Klasse die stärkste Werkstoffgruppe dar. Aber nur etwa 0,2  Prozent sind Duroplaste: zum Beispiel das Gehäuse der Wasserpumpe aus PF, Reflektoren aus UP-BMC und Verkapselungen von Elektronikkomponenten mit Epoxidmassen. Dieser geringe Anteil kann mit einem Erkenntnisdefizit – speziell in der Prozess- und Verfahrenstechnik – und daraus resultierenden Ressentiments begründet werden. Für eine rationelle Großserienfertigung ist hohes Prozessverständnis erforderlich, da sich die charakteristischen Werkstoffeigenschaften erst durch den Vernetzungsprozess im Spritzgieß-Werkzeug ausbilden. Sowohl Schwankungen bei Materialchargen und -Verarbeitung als auch der Mangel an einheitlichen Material-Prüfmethoden zur Rohstoffcharakterisierung haben dazu beigetragen, dass eher Thermoplaste oder metallische Werkstoffe eingesetzt werden.

Kosteneffizienter Leichtbau

Für Duroplaste spricht weiterhin, dass in motorraumnahen Anwendungen die thermischen Anforderungen stetig steigen. Häufig kommen jedoch metallische Werkstoffe zum Einsatz, obwohl zum Beispiel Druckguss-Bauteile aus Aluminium in der Regel aufwendig spanend nachbearbeitet werden müssen. Hier haben Duroplaste deutliche Gewichts- und Kostenvorteile: Mit einer im Vergleich zu Aluminium bis zu 40 Prozent geringeren Dichte der technischen Phenolformmassen ist bei einer kunststoffgerechten Auslegung eine Gewichtseinsparung bis 35 Prozent zu erzielen. Kosteneinsparungen ergeben sich durch den minimierten Nachbearbeitungsaufwand. Am Beispiel eines Ventilblocks für ein Automatikgetriebe kann das Potenzial verdeutlicht werden. Gegenüber der Variante aus Aluminium kann durch PF-GF55 das Bauteilgewicht um 35 Prozent gesenkt werden. Vor allem durch den Wegfall der Nachbearbeitungsschritte können die Bauteilkosten um 50 Prozent reduziert werden – trotz der im Vergleich zu Aluminium höheren Materialpreise.

Forschung für die Produktion von morgen

Prozesstechnische Untersuchungen von kurz- und langfaserverstärkten PF ist ein Forschungsschwerpunkt des dreijährigen BMBF-VerbundprojektesFiberset. Die Grundlage dafür bilden drei unterschiedliche Demonstrator-Bauteile. Im ersten Schritt werden Verarbeitungseigenschaften anhand eines generischen Demonstrators ermittelt sowie Materialzuführungs- und Schneckenkonzepte erprobt.

Der Demonstrator, eine quadratische Platte mit den Abmessungen 150 x 150 mm², kann durch variable Wechseleinsätze im Versuchswerkzeug sowohl in verschiedenen Wanddicken als auch mit Rippen und Wanddickensprüngen abgemustert werden. Der Einsatz von Druck-, Temperaturgradienten- und Ultraschallsensoren im Werkzeug dient der Prozessüberwachung, so dass unter anderem Materialschwankungen, Formfüllung und Härtungsprozess präzise analysiert werden können. Die Ergebnisse sind Basis für weiterführende Forschung an zwei applikationsspezifischen Demonstrator-Bauteilen. Aus den vorgegebenen Spezifikationen ergeben sich zwei unterschiedliche Lastenhefte für ein kurz- und ein langglasfaserverstärktes Bauteil.

Die Anforderungen an den kurzfaserverstärkten Demonstrator sind ein hoher Funktionalisierungsgrad und hohe Präzision bei Maßhaltigkeit und Toleranzgenauigkeit kleiner Bauteilabmessungen. Für ein großvolumiges, lasttragendes Bauteil ist der Einsatz von langfaserverstärkten Phenolformmassen vorgesehen. Die Untersuchungen entlang der Wertschöpfungskette vom Werkstoff bis zum abgemusterten Bauteil mit einer Qualitätssicherung vor und während der Verarbeitung helfen, duroplastgerechte Richtlinien zur Bauteil- und Werkzeugauslegung abzuleiten.

Mit Duroplasten können die bestehenden Grenzen für den großserienfähigen Leichtbau erweitert werden. Sowohl lang- als auch kurzfaserverstärkte duroplastische Bauteile können als Komponenten im Fahrzeug- und Maschinenbau eingesetzt werden, um Gewicht zu reduzieren. Entwickler und Anwender bekommen die Möglichkeit, Leichtbau in technisch anspruchsvollen Applikationen umzusetzen. Die energetischen Vorteile der Materialherstellung und der Verarbeitung sowie die Werkstoffkosten für diese Leichtbauteile können in der Produktion zu wettbewerbswirksamen Vorteilen führen. Den vor allem mittelständisch geprägten Verarbeitern eröffnet dies enorme Wachstumspotenziale.

 

Das BMBF-Projekt

Energieeffizienter Leichtbau – Fiberset

Faserverstärkte Duroplaste besitzen erhebliches noch ungenutztes Energieeffizienz-Potenzial. Das Projekt Fiberset – Faserverstärkte Duroplaste für die Großserienfertigung im Spritzgießen; Fertigungs- und werkstoffgerechte Bauteilkonstruktion, Werkzeugtechnik, Qualitätssicherung – zielt auf die Bereitstellung einer Wissensbasis zur breiten Anwendung von Duroplasten als Alternative zu thermoplastischen und metallischen Werkstoffen.

Dazu sollen werkstoff- und fertigungsgerechte Konstruktionsvorschriften entwickelt und die Beherrschung der komplexen Verarbeitungsabläufe bei der Duroplast-Spritzgießfertigung deutlich verbessert werden. Teilnehmende Institute und Unternehmen sind:

  • TU Chemnitz, Institut für Fördertechnik und Kunststofftechnik, Professur Kunststoffe sowie das Institut für Chemie, Professur Polymerchemie (Chemnitz),
  • KraussMaffei Technologies (München),
  • Daimler (Stuttgart),
  • Robert Bosch (Waiblingen),
  • Oechsler (Ansbach)
  • Jacob Plastics (Wilhelmsdorf),
  • Schwarzpunkt Schwarz (Gilching),
  • Mitras Composites Systems (Radeburg),
  • Momentive Specialty Chemicals (Iserlohn)
  • sowie als assoziierte Partner GWK Gesellschaft Wärme Kältetechnik (Kierspe) und Neopreg (Geltenkirchen, CH).

 

Vorteile

– hohe Festigkeit und Steifigkeit
– gute Temperaturbeständigkeit
– gute Medienbeständigkeit
– geringe Schwindung
– geringe Kriechneigung
– hohe Härte
– gute elektrische Eigenschaften
– günstiges Preis/Leistungsverhältnis
– komplexe Bauteilstrukturen mit extremen
   Wanddicken-Sprüngen umsetzbar

 

Nachteile 

– geringe Duktilität
– Gratbildung
– Lagerstabilität
– großer Erkenntnisdefizite für Großserien
   Spritzgießfertigung
– unzureichende Auslegungskriterien für
   Konstruktion, Simulation und Werkzeug-
   technik
– unzureichende in-line/off-line Qualitäts-
   sicherungsstandards   

 

Forschungsziele

– Werkstoffmodifizierung hinsichtlich Zähigkeit und
   Festigkeit durch Langglasfasern
– Technologie- und Prozessentwicklung für die
   Spritzgießfertigung
– Werkzeugtechnik mit steuerbaren Härtungs-
   prozessen (variotherme Temperierung), gratfreier
   Bauteilherstellung (lokale Temperierung) und
   Funktionsintegration
– Prozessintegrierte Qualitätssicherung
– Simulationswerkzeuge
– Bauteilprüfung/spezifische Richtlinien

 

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ (Förderkennzeichen 02PJ2160) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

 

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