Oktober 2011

Sheet Moulding Compound (SMC) ist eine duroplastische Pressmasse auf Basis eines ungesättigten Polyesterharzes. Dem Harz werden verschiedene Füllstoffe zur Verstärkung und Additive, beispielsweise zur Reduzierung der Reaktionsschwindung oder zur Verbesserung des Fließverhaltens beigegeben. Als Füllstoffe kommen Kalziumkarbonat und Glasfasern zum Einsatz. Das Material ist sehr witterungsbeständig, kann auch bei höheren Temperaturen eingesetzt werden, ist durchlässig für elektromagnetische Strahlung und es lassen sich Bauteile mit guter Oberflächenqualität fertigen.
Diese Merkmale ermöglichen unter anderem die Fertigung von leistungsstarken Außenhautbauteilen für Kraftfahrzeuge. Die SMC-Bauteile können aufgrund der hohen Temperaturbeständigkeit zusammen mit Metallbauteilen lackiert werden. Des Weiteren können aufgrund der Durchlässigkeit für elektromagnetische Strahlung Antennen integriert werden. Aktuelle Entwicklungen zielen auf die weitere Verbesserung der Oberflächenqualität und die Reduzierung des Gewichts der Bauteile. Hierzu wurden die verstärkenden Glasfasern durch Kohlenstofffasern ersetzt, welche es durch geeignetere mechanische Eigenschaften und eine geringere Dichte erlauben, das Gewicht der Bauteile weiter zu reduzieren. Außerdem wurde der Füllstoff Kalziumkarbonat durch Hohlglaskugeln ersetzt, was ebenfalls zu einer Reduzierung der Dichte führt.
Eine weitere Möglichkeit das Gewicht eines Bauteiles zu reduzieren besteht darin, den Kern des Bauteils zu schäumen und auf diese Weise ein Sandwich zu erzeugen. Mithilfe des sogenannten One-Step-Sandwich-SMC-Verfahrens (OSS-SMC-Verfahren) lassen sich SMC-Sandwichbauteile mit kompakten Deckschichten und geschäumten Kern in einem geschlossenen Prozess fertigen. Für die Deckschichten wird ein Standard SMC eingesetzt. Für die Kernschicht wird ein SMC ohne Glasfasern, welches jedoch mit Treibmittel versetzt ist, eingesetzt. Im Rahmen eines IGF(Industrielles Gemeinschaftsforschungsprojekt)-Projekts (16133 N) wurde das OSS-SMC-Verfahren weiterentwickelt.
Das Projekt zielte zunächst auf die grundlegende Analyse des OSS-SMC-Verfahrens. Dabei wurden potenziell geeignete Treibmittel ausgewählt und analysiert. Im Anschluss daran wurde das Schäumverhalten der reinen Sandwich-Kernschicht mithilfe eines speziellen Presswerkzeugs detailliert untersucht. Ziel war die Bestimmung der Prozesseinflussgrößen auf die Schaumstruktur sowie der Einsatz von Druck- und Ultraschallsensoren zur Steuerung des Schäumvorgangs.

Kontrollierte Werkzeugöffnung für Schäumprozess

Der Prozessablauf zum Schäumen von SMC gleicht dem normalen Prozessablauf zur Verarbeitung von Standard-SMC. Zusätzlich wird jedoch ein Schritt zum Schäumen eingefügt. Bei der Verarbeitung von Standard-SMC wird zwischen Fließpress- und Formpressverfahren unterschieden. Beim Fließpressverfahren wird die Kavität nur in Teilen mit der Pressmasse belegt. Schließt das Werkzeug, so wird die Pressmasse zusammengepresst und beginnt zu fließen. Durch diesen Fließprozess wird die Kavität vollständig gefüllt. Beim Formpressverfahren wird die Kavität des Werkzeugs vollständig belegt. So ergeben sich nur minimale Fließbewegungen. Die hier beschriebenen Untersuchungen beschränken sich auf das Formpressverfahren.
Zunächst wird ein Zuschnittpaket bestehend aus SMC-Deckschichten und Kernschichtmaterial, in das Werkzeug eingelegt. Dann wird das Werkzeug geschlossen, das Zuschnittpaket zusammengepresst und erwärmt. Durch die Erwärmung wird das Treibmittel in der Kernschicht aktiviert. Nun wird das Werkzeug definiert geöffnet und die Kernschicht schäumt auf. Dies kann einerseits dadurch geschehen, dass der Pressdruck soweit reduziert wird, dass der Druckaufbau durch die Zersetzung des Treibmittels das Werkzeug aufdrückt (druckgeregeltes Schäumen).
Ebenfalls ist es möglich das Werkzeug mit einer definierten langsamen Geschwindigkeit zu öffnen (weggeregeltes Schäumen). Die Geschwindigkeit wird so berechnet, dass die Öffnungsgeschwindigkeit stets unter der Geschwindigkeit liegt, welche beim druckgeregelten Schäumen erreicht wurde (gepunktete Linie).
Ein sprunghaftes Öffnen des Werkzeugs auf eine bestimmte Bauteildicke ist auch möglich, jedoch kommt es dadurch zu einer Ablösung der Pressmasse von der Oberform. Dies reduziert einseitig den Wärmeeintrag und kann den Prozess negativ beeinflussen. Schließlich wird das Bauteil bei konstanter Dicke ausgehärtet und entformt.

Spezielles Werkzeug für
die Prozessanalyse

Für die Untersuchungen wurde ein spezielles Presswerkzeug konstruiert. Dieses kann sowohl auf hydraulischen Pressen als auch auf Zug-Druck-Prüfmaschinen montiert werden. Es ist dazu mit einer integrierten pneumatischen Auswerfertechnologie ausgestattet und besitzt eine rechteckige Kavität mit einer Fläche von 150 x 80 mm². Zur Prozessanalyse wurde das Werkzeug mit einem Temperatur-, Druck- und zwei Ultraschallsensoren ausgestattet.
Der Temperatursensor ermöglicht die Überwachung der Erwärmung und Vernetzung (exotherme Reaktion) der Pressmasse und ist durch unterschiedliche Wechseleinsätze in seiner Höhe variabel. Der Drucksensor bestimmt den Druck in der Kavität. Das Ultraschallsensorpaar (Sender und Empfänger) wird dazu verwendet, die Geschwindigkeit der Schallwellen beim Durchgang durch die Pressmasse zu bestimmen. Sender und Empfänger sind dazu gegenüberliegend in der Ober- und Unterform integriert. Die Schallgeschwindigkeit gibt Aufschluss über den Erwärmungs- und Vernetzungszustand der Pressmasse. Während des Pressvorgangs wird die Viskosität und damit auch die Schallgeschwindigkeit zunächst durch die Erwärmung herabgesetzt, schließlich steigt sie durch die Vernetzung an.

Treibmittel bei niedrigen
Temperaturen aktivieren

Zunächst wurden potenziell geeignete Treibmittel für die Untersuchungen ausgewählt. Treibmittel werden in drei unterschiedliche Gruppen aufgeteilt, welche sich in ihrem Reaktionsverhalten grundlegend unterscheiden: physikalische, chemische und mikroverkapselte Treibmittel. Die physikalischen Treibmittel sind Flüssigkeiten, die bei der Erwärmung verdampfen und auf diese Weise zum Schäumen von Kunststoffen eingesetzt werden können. Chemische Treibmittel zersetzen sich bei der Erwärmung und bilden gasförmige Spaltprodukte. Hierbei wird zwischen exotherm und endotherm reagierenden Treibmitteln unterschieden. Exotherme Treibmittel setzen bei der Zersetzungsreaktion Wärme frei, endotherme Treibmittel absorbieren Wärme. Mikroverkapselte Treibmittel sind in der Regel organische Flüssigkeiten, die in einer Polymerhülle eingeschlossen sind. Ebenso wie die physikalischen Treibmittel verdampfen die organischen Flüssigkeiten bei der Erwärmung und vergrößern so das Volumen der Polymerkapsel. Für die Untersuchungen wurden Treibmittel aus jeder der Gruppen ausgewählt und bewertet.
Die Treibmittel müssen bei niedrigen Temperaturen aktiviert werden, da der Schäumvorgang vor der Vernetzungsreaktion beginnen muss. Im ausgehärteten Zustand der Pressmasse ist kein Schäumen mehr möglich. Auch kann eine Überlagerung von Schäumvorgang und Vernetzungsreaktion zu Schwierigkeiten führen. Die Tabelle zeigt die Auswahl der Treibmittel.
Das Zersetzungsverhalten der chemischen Treibmittel wurde zunächst mithilfe der Thermogravimetrischen Analyse (TGA) untersucht. Hierdurch wurde das stark unterschiedliche Zersetzungsverhalten der exothermen- und endothermen Treibmittel bei verschiedenen Temperaturen charakterisiert. Es zeigt sich, dass durch die Steigerung der Temperatur ein höherer Treibmittelanteil aktiviert werden kann.

Natriumhydrogencarbonat als Favorit

Zur Analyse des OSS-SMC-Verfahrens wurden die Prozessparameter Regelungsart (druck-, weggeregeltes Schäumen, sprunghaftes Öffnen), Temperatur, Schäumdruck und Treibmittelart variiert. Als Ausgangsmaterial der Deckschichten wurde SMC 0400 5449 und als Kernschichtmaterial die Basispaste des SMC 400 5449 (Harz, Kalziumkarbonat, Additive) von Menzolit, Bruchsal, eingesetzt. Der Paste wurde Treibmittel (ein bis drei Gewichtsprozent) sowie weiteres Kalziumkarbonat (sechs Gewichtsprozent) und Eindickmittel (Magnesiumoxid, 1:100 bezogen auf die Menge des SMC) beigegeben.
Es zeigte sich, dass lediglich das Treibmittel Natriumhydrogenkarbonat für eine Prozessanalyse geeignet ist. Nur hier bildet sich eine feine und homogene Schaumstruktur aus. Das Treibmittel Azodicarbonamid bildet bei der Zersetzung freie Radikale, die zu einer lokalen Vernetzung des SMC führen. Bei der weiteren Ausdehnung der freigesetzten Gase durch die fortschreitende Erwärmung wird das bereits lokal ausgehärtete Bauteil aufgesprengt und zerreißt. Die relativ lange Erwärmung des mikroverkapselten Expancel Treibmittels führt dazu, dass die Gase aus den Mikrosphären heraus diffundieren. Sie bewirken zwar ein relativ starkes Aufschäumen, dabei jedoch eine inhomogene Schaumstruktur mit großen Poren. Die Schaumstruktur, welche durch das physikalische Treibmittel Isopropanol erzielt werden kann, ist ebenfalls sehr inhomogen. Auch hier bilden sich große Poren. Exemplarische Darstellungen der Schaumstrukturen mit den jeweiligen Besonderheiten finden sich in der Abbildung.
Die weitere Analyse zeigte, dass mit dem Treibmittel Natriumhydrogenkarbonat in allen drei Prozessführungen – druckgeregelt, weggeregelt, sprunghaftes Öffnen – Bauteile gefertigt werden können. Die Dichte der Kernschicht kann dabei auf unter 0,6 g/cm³ reduziert werden. Die besten Ergebnisse konnten bei Prozesstemperaturen von 130 bis 140 °C erzielt werden. Bei diesen Temperaturen kann die Pressmasse langsam und homogen erwärmt werden. Das Treibmittel wird daher in allen Bauteilbereichen gleichmäßig aktiviert. Die Erwärmungszeit vor dem Schäumen sollte dabei maximiert werden. Hierdurch ergibt sich eine feine und homogene Schaumstruktur. Die Dichte der Bauteile nimmt mit steigender Prozesstemperatur ab. Ein geringerer Schäumdruck ermöglicht stärkeres Schäumen und damit ebenfalls eine geringere Bauteildichte. Gleichzeitig wird die Homogenität der Schaumstruktur mit geringerem Schäumdruck reduziert. Es bilden sich große Poren, die durch den Auftrieb in der unvernetzten Pressmasse an die Bauteiloberseite wandern. Ein Schäumdruck von 1 bar hat sich als am besten geeignet erwiesen. Sowohl das weg- als auch das druckgeregelte Schäumen führen zu guten Ergebnissen. Aufgrund einer exakten Prozesskontrolle scheint das weggeregelte Schäumen am besten geeignet.
Die Versuche zeigen, dass auch aus reinem Kernschichtmaterial Bauteile mit geschlossener, porenfreier Oberfläche gefertigt werden können. Dies ist auch möglich, wenn dem Kernschichtmaterial Glasfasern beigegeben werden. Mit Hilfe von Temperatur-, Druck- und Ultraschallmesstechnik kann dabei eine genaue Prozessüberwachung und Steuerung erfolgen.

 

Neue Technologie
Weniger Gewicht

Durch den Einsatz von treibmittelversetztem SMC anstelle von Standard-SMC kann das Bauteilgewicht reduziert werden. Die Dichte der Kernschicht kann dabei auf unter 0,6 g/cm³ reduziert werden. Als am besten geeignetes Treibmittel wurde das Natriumhydrogenkarbonat ESC 5671 von Clariant identifiziert. Mithilfe dieses Treibmittels lässt sich bei einem Schäumdruck von 1 bar und einer Temperatur von 130 bis 140 °C eine feine und homogene Schaumstruktur erzielen.

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

Seffenter Weg 201
52074 Aachen
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