Direktcompoundieren für kleinere und größere Spritzgießmaschinen

Diese Technik ermöglicht das Compoundieren direkt an nahezu allen gängigen Spritzgießanlagen. Mit der als Nachrüst-Modul für Spritzgießmaschinen konzipierten Technik können Kunststoffteile schneller, materialschonender und deutlich kostengünstiger als bisher hergestellt werden; die Technik stellt Einsparpotenziale von über 50 Cent pro kg in Aussicht. Aber auch die Materialeigenschaften der Kunststoffteile, etwa die Schlagzähigkeit und Zugfestigkeit, können überraschenderweise besser sein als bei mit klassischen Compounds hergestellte Teilen. Die Kosten für die DCIM-Zusatzausrüstung für Spritzgießmaschinen von 35 bis 200 t bezifferte Kraussmaffei auf gut 80.000 Euro – ohne die nach Aufwand zu berechnende Anpassung der Spritzgießmaschine.

Mehr als 50 Fachleute aus Kunststoffverarbeitung, Maschinenbau und Forschung waren aus ganz Deutschland der Einladung des Vereins Polykum, gefolgt, um die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet des Direktcompoundierens im Schkopauer Valuepark zu diskutieren.

Verkürzung der Fertigungskette
Direct Compounding Injection Molding (DCIM) verbindet das Compoundieren und Spritzgießen zu einem „durchgehenden und zugleich modularen Prozess“ – so beschreibt der der Ideengeber Peter Putsch und Inhaber von Putsch Plastics den Prozess. „Bisher werden die für einen Kunststoff notwendigen Ausgangsmaterialien vom Compoundeur zunächst eingeschmolzen, um das Compound nach dem Mischen wieder abzukühlen, zu granulieren, zu verpacken und zum Verarbeiter zu transportieren. Dort muss es vor dem Spritzgießen erneut eingeschmolzen werden“, umreißt der Inhaber von Putsch Plastics, eines 1922 gegründeten Compoundierunternehmens in Nürnberg, das bisher übliche Prozedere.

Beim Direktcompoundieren werde die Materialmischung hingegen „direkt an der Spritzgießmaschine hergestellt und dort sofort zur Teilefertigung genutzt“. Damit entfielen die Zwischenschritte vom Abkühlen bis zum Wiedereinschmelzen (siehe Grafik 1 – alle Grafiken als PDF-Dokument am Textende). Pro Kilogramm Material entstünden so Einsparpotenziale von 50 Cent oder mehr (siehe Grafik 2), hat Putsch ausgerechnet. Unter anderem könnten allein 660 Wattstunden Energie pro Kilogramm gespart werden. „In einer Branche, in der Lieferanten mit ihren Kunden teilweise um Zehntel-Cent pro Kilogramm verhandeln, sind das Welten“, gab Putsch zu bedenken.

Spielräume für Zukunftsaufgaben
Die Geschichte des Direktcompoundierens begann lange vor der Verabschiedung europäischer Emissionsvorgaben, wie der Moderator des Schkopauer Innovationstages, Dr.-Ing. Hans Wobbe von Wobbe-Bürkle-Partner, in seinem einführenden Vortrag zeigte. So präsentierte er das weltweit erste Patent zu diesem Thema, das Peter Putsch 1991 erhalten hatte. Und aus eigenem Erleben schilderte der Technologieberater die nur wenig später gestartete konkurrierende Entwicklungsarbeit bei Kraussmaffei.

Zur „K“-Messe 1998 hatte das Münchener Kunststoffmaschinenbau-Unternehmen den ersten Spritzgießcompounder präsentiert. Die international fortan als „Injection Molding Compounding“ (IMC) bezeichnete Technologie vereinte Spritzgießen und Compoundieren in einer neuen Maschinenklasse. In der Fachwelt stieß die Messepremiere auf breites Interesse. „Verkauft aber haben wir zunächst keine einzige Anlage“, erinnert sich der heute 61-jährige.

Spritzgießer wollen keine Compoundeure sein
Das lag nach Wobbes rückblickender Analyse weniger an den (in D-Mark) mindestens sechsstelligen Investitionskosten für eine IMC-Anlage, als vielmehr an der traditionell gewachsenen Arbeitsteilung in der Kunststoffbranche: „Spritzgießer wollen keine Compoundeure sein“, fasste der Technologieberater seine Erfahrungen zusammen, „und Compoundeure keine Spritzgießer.“ Bis heute sei es kaum gelungen, die damit entstandene Barriere zwischen den Professionen zu überbrücken.

Mit ungefähr 25 bis 30 verkauften Anlagen pro Jahr ist der IMC-Markt in Deutschland überschaubar, bestätigte Timo Günzel, Leiter des Kraussmaffei Technologies Vertrieb- und Servicecenters in Schkopau. Der Münchener Konzern ist mittlerweile der einzige verbliebene Anbieter für IMC-Anlagen weltweit. Alle zwischenzeitlich angetretenen Wettbewerber haben sich wieder aus dem Markt zurückgezogen. „Geordert werden Spritzgießcompounder überwiegend für Anlagen ab 650 Tonnen aufwärts“, gab Günzel zu bedenken, „bei kleineren Fertigungslinien konnte sich diese Technologie bislang nicht beziehungsweise nur im Labor- und Forschungsbereich durchsetzen“.

Entwicklungspartner Tür an Tür
Um eben diese Lücke auszufüllen, startete die Schkopauer Niederlassung des Maschinenbaukonzerns vor rund einem Jahr eine Entwicklungspartnerschaft mit Peter Putsch. Der Franke hatte 2009 die Forschungsaktivitäten seines Nürnberger Familienunternehmens in der neugegründeten Exipnos UG konzentriert und nach Sachsen-Anhalt verlagert. „Im mitteldeutschen Chemiedreieck fanden wir ein äußerst forschungsfreundliches Umfeld“, begründet Putsch diesen Schritt. Dazu zählten neben einer „hohen Akzeptanz der Kunststoffindustrie“ und dem guten Angebot an qualifizierten Fachkräften auch zahlreiche hochkarätige Partner, „mit denen wir innovative Ideen in die Tat umsetzen können“.
So lieferte Exipnos mit dem mittlerweile zum Patent angemeldeten neuartigen Spritzgießcompounder die „Keimzelle“ für das gemeinsame DCIM-Projekt.

Die Spezialisten von Kraussmaffei brachten ihr Know-how etwa in der Spritzgießtechnik, der Automatisierung und dem Maschinenbau ein. Unterstützt wurden die Firmen dabei von Experten des unmittelbar benachbarten Fraunhofer Pilotanlagenzentrums und mehrerer Fraunhofer Institute, insbesondere bei vergleichenden Versuchsreihen zur traditionellen Arbeitsweise.

Für fast alle Compounds geeignet
Das Ergebnis der Tür-an-Tür-Kooperation konnten die Teilnehmer des Innovationstages im Exipnos-Technikum in Aktion erleben. Ein Prototyp des neuen DCIM-Compounders fütterte hier eine herkömmliche 160-t-Spritzgießmaschine „mundgerecht“ mit frisch zubereiteter Schmelze aus drei Komponenten. „Wir werden mit dem Verfahren künftig bis zu fünf Ausgangsstoffe gleichzeitig verarbeiten können“, blickte Putsch voraus. Damit seien 70 bis 90 Prozent aller relevanten Compounds mit DCIM herstell- und nutzbar“. Nicht zuletzt auch solche Materialkombinationen, bei denen klassische Granulate an ihre Grenzen stießen, etwa Mischungen mit klebrigen Bestandteilen oder mit extremen Faserlängen.

Materialverantwortung beim Compoundeur
Deutlich wurden bei der Live-Demonstration außerdem Unterschiede zum IMC-Verfahren. „Der Spritzgießer braucht für DCIM keinerlei Compoundier-Kenntnisse. Er kann sich weiterhin voll auf seine Kernkompetenz konzentrieren – die Teilequalität“, unterstrich Peter Putsch. „Die Materialverantwortung übernimmt auf Wunsch die Exipnos, wenn die DCIM-Anlage entsprechend konfiguriert ist“, versprach Putsch, „und zwar unabhängig davon, wo die Spritzgießanlage sich befindet“. Mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Fabrikautomatisierung (IFF) in Magdeburg werde dafür gegenwärtig eine internetbasierte Steuerung entwickelt. Auf diese Weise sei zukünftig auch die Überwachung von „Fremdcompounds“ möglich. Mit der Übernahme der Materialverantwortung beseitigt das Schkopauer Entwicklerteam „das größte Hemmnis der Direktcompoundierung“, wie Technologieberater Hans Wobbe anerkennend feststellte.

Kurze Amortisationszeiten
Ein weiteres Plus: DCIM-Module können „mit vergleichsweise geringem Aufwand an vorhandene Spritzgießmaschinen angedockt werden“, hob Kraussmaffei-Vertriebscenterleiter Timo Günzel hervor. Die Funktionalität der Spritzgießmaschine werde dadurch in keiner Weise beeinträchtigt: „So können wahlweise auch weiterhin vorgefertigte Granulate verarbeitet werden.“ Damit eigne sich DCIM auch für kleinere Fertigungslinien. Die erforderliche Investition von etwa 80.000 bis 120.000 Euro (je nach Anlagengröße, siehe Grafik 3) dürfte sich in der Regel binnen 1bis 2 Jahren bezahlt machen.

Dazu trage auch die diskontinuierliche Arbeitsweise bei, ergänzte Peter Putsch. „Durch die Verwendung eines Einschnecken-Extruders und einer hochpräzisen automatischen Steuerung können wir auf extra Schmelzespeicher komplett verzichten“, verriet der Unternehmer. „Die Dosiereinheit startet und stoppt punktgenau entsprechend der Materialanforderung der Spritzgießmaschine“.

Bessere Materialeigenschaften – höhere Teilequalität
Dass die Qualität der so produzierten Teile keinen Vergleich mit herkömmlich produzierten scheuen muss, stellte Patrick Zierdt vom Fraunhofer PAZ im Rahmen einer vergleichenden Studie fest: „Das Gegenteil ist der Fall“, staunt der Wissenschaftler. Er untersuchte ein Polyamid-Compound-System, das mit einem Schlagzahlmodifikator und einem Organoclay in verschiedenen Konzentrationen versetzt wurde. Das Überraschende: „Alle DCIM-Proben wiesen nach der Verarbeitung deutlich höhere Schlagzähigkeits- und Zugfestigkeitswerte auf als die klassisch aus granuliertem Compound hergestellten Testkörper mit der identischen Werkstoffzusammensetzung“, berichtete Zierdt (Grafik 4).

Die Ursachen dafür seien noch nicht im Einzelnen untersucht. Es liege aber die Vermutung nahe, dass sich neben der offenbar sehr gleichmäßigen Vereinzelung und Vermengung der Werkstoffe im DCIM-Compounder insbesondere die geringere thermische und mechanische Belastung bei der Verarbeitung auszahle. „Es lohnt sich offenbar nicht nur mit Blick aufs Portemonnaie und die Umwelt, einen Schmelzvorgang einzusparen“, resümiert Zierdt, „sondern auch mit Blick auf die Qualität“.

Vom Zeitgewinn, so fügt er hinzu, „ganz zu schweigen“. Um die entsprechenden Prüfkörper im klassischen zweistufigen Verfahren herzustellen, habe er gut eine Woche benötigt. „Mit DCIM war die gleiche Arbeit binnen zwei Tagen erledigt.“

Marktstart 2014
Argumente, die unter anderem Stephan Schmidt von Miele & Cie aufhorchen ließen. „Um ein neues Compound für den Einsatz in unseren Produkten freigeben zu können, sind mehr als 40 Tests erforderlich“, berichtete der Leiter des Gummi- und Kunststofflabors des Qualitätsführers im Hausgerätebereich. „Wenn mit DCIM der Aufwand und die Zeiträume dafür deutlich reduziert werden könnten, ohne die Aussagekraft der Tests zu schmälern, würde uns das ebenso interessieren wie die Potenziale zur Qualitätsverbesserung.“

DCIM trifft die Bedürfnisse vieler Anwender, das zeigten Gespräche am Rande des Innovationstages. „Wir haben bereits eine ganze Liste von ernsthaften Interessenten“, zeigte sich Günzel hochzufrieden mit der Resonanz. „Doch noch befinden wir uns in der Pilotphase“, bremst er allzu ungeduldige Nachfrager. „Unser Ziel ist es, zum Jahresbeginn 2014 mit einer marktreifen Lösung an den Start zu gehen.“

Veranstaltung findet Fortsetzung
Der erfolgreichen Veranstaltungspremiere sollen sollen laut Veranstalter Polykum künftig weitere Veranstaltungen zum Thema Direktcompoundieren folgen. So werden sich künftige Innovationstage neuen DCIM-spezifischen Materialentwicklungen, dem Einfärben mit DCIM oder der Einsparung von Trocknungsprozessen durch DCIM widmen.

(dw)

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