Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie in Augsburg eröffnet

Die Eröffnung erfolgte unter der Schirmherrschaft von Martin Zeil, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident und Wirtschaftsminister,  gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR, Dr. Kurt Gribl, Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, und Prof. Dr. Heinz Voggenreiter, Direktor der DLR-Institute für Bauweisen- und Konstruktionsforschung und für Werkstoff-Forschung.

„Das Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie ist unsere Antwort nicht nur auf die regionale Technologie- und Standortentwicklung. Damit kommen wir auch dem nationalen Forschungsbedarf im Bereich der zukunftsweisenden CFK-Materialien nach. Am Standort Augsburg erweitert das DLR sein Kompetenzspektrum und erarbeitet wesentliches Know-How für eine interdisziplinäre Technologienutzung in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Verkehr und Energie. Mit dem ZLP wollen wir einen Beitrag zur Sicherstellung einer nahtlosen Innovationskette von der Grundlagenforschung bis zum Industrieprodukt leisten“, sagte Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner.

Ziel der DLR-Forschung in Augsburg ist es, erstmals einen durchgängigen Produktionsprozess für CFK-Bauteile zu entwickeln der roboterbasiert automatisiert ist. Denn der Einsatz von flexiblen und interaktiven Robotersystemen senkt die Produktionskosten und steigert zugleich Produktivität und Qualität der Fertigung. Die neuen multifunktionalen Großanlagen ermöglichen Forschung im Industriemaßstab, um auf spezielle Anforderungen der jeweiligen Branche individuell und flexibel reagieren zu können. Dabei kann ein technologischer Vorsprung erarbeitet werden, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie sichert und den Raum für weitere Anteile im europäischen Wettbewerb schafft.

Dazu erläutert Prof. Dr. Heinz Voggenreiter: „Mit dem Schwerpunkt ‘Produktionstechnologie‘ des ZLP Augsburg deckt das DLR im Zusammenspiel mit dem Standort Stade als nationales Forschungszentrum die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich der carbonfaserverstärkten Kunststoffe ab – die von der Werkstoffentwicklung bis zur Fertigung von CFK-Bauteilen reicht. Für den Ausbau des Kompetenznetzwerks bestehen Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen.“

Die neue Forschungsplattform ist in Europa einmalig und wurde zusammen mit dem Roboterhersteller Kuka und mit Unterstützung von Industriepartnern aufgebaut. Herzstück ist die „Multifunktionale Roboterzelle“, die mit 5 flexiblen Roboterarmen ausgestattet ist und eine Gesamtgröße von etwa 30 m Länge, 15 m Breite und 7 Meter Höhe aufweist. Dort können unterschiedliche Produktionsprozesse auf ihre Automatisierbarkeit hin untersucht und validiert werden. Kooperierend oder allein agierend können die Leichtbau-Arme auch große Bauteile handhaben.

Darüber hinaus verfügt das ZLP in Augsburg über weitere Forschungsanlagen zur optimalen Herstellung von CFK-Bauteilen. Dazu gehören insbesondere eine „Technologieerprobungszelle“ mit zwei Robotern, eine Thermoplast-Verarbeitung mit Roboterzelle, ein Qualitätssicherungslabor mit Roboterzelle, ein Duromerofen für Temperaturen bis 200 °C, ein Thermoplastofen für Temperaturen bis 400 °C sowie eine Wasserstrahlschneideanlage.

Das Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie (ZLP) ist eine nationale Einrichtung des DLR mit zwei Standorten – Augsburg und Stade. Dort steht jeweils die automatisierte Produktion von Bauteilen aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) für die Luft- und Raumfahrt, den Verkehr und die Energie im Mittelpunkt. Die Forschungsschwerpunkte der Standorte ergänzen sich dabei technologisch. Im ZLP arbeiten drei DLR-Institute zusammen: das Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung aus Stuttgart, das Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik aus Braunschweig und das Institut für Robotik und Mechatronik aus Oberpfaffenhofen. Damit kann das DLR die gesamte CFK-Engineering-Prozesskette abbilden – vom Werkstoff bis zur automatisierten Produktion.

Forschungsgruppe Funktionsintegrierter Leichtbau (FIL)
An der Forschungsgruppe FIL des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (Fraunhofer ICT) werden nun Arbeitsmöglichkeiten für etwa 55 Mitarbeiter und 25 wissenschaftliche Hilfskräfte/Studenten geschaffen. „Wir verfügen über die modernsten Anlagen im Bereich der automatisierten Fertigung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen CFK. Mit unseren lokalen Partnern wie der Universität Augsburg, Premium Aerotec, Kuka, SGL, MT Aerospace, Eurocopter und vielen mehr sind wir eng vernetzt«, freut sich Prof. Dr. Klaus Drechsler, einer der beiden Leiter der Projektgruppe. Enge Verbindungen bestehen auch zum Lehrstuhl für Carbon Composites an der TU München und zum Institut für Flugzeugbau der Uni Stuttgart. Die Projektgruppe ist außerdem wichtiger Partner im Spitzencluster MAI Carbon mit Audi, BMW und vielen anderen. Derzeit kooperiert das FIL mit über 40 Firmen, darunter viele kleine Unternehmen.

Die Fraunhofer-Projektgruppe FIL wurde 2009 in Augsburg als Außenstelle des Fraunhofer ICT in Pfinztal bei Karlsruhe gegründet. Sie soll sich in den kommenden Jahren zu einem eigenständigen Institut entwickeln. Der Freistaat Bayern stellt für den Aufbau der Projektgruppe und den Neubau18 Mio. Euro zur Verfügung. Die Stadt Augsburg beteiligt sich ebenfalls mit 3,5 Mio. Euro, das BMBF mit 5,7 Mio. Euro. Die Europäische Union unterstützt den FIL-Bau mit 3,9 Mio. Euro. In dem sechsstöckigen Gebäude sind auf einer Fläche von etwa 1.900 m2 Büros und Laboratorien untergebracht sowie eine separate 1.200 m2 große Technikhalle für die Großanlagen. Ein zweiter Bauabschnitt ist bereits in der Vorplanung.

Für die Automobilindustrie haben die FIL-Forscher bereits ein neuartiges Herstellungsverfahren entwickelt. Dabei kombinieren sie eine üblicherweise im Textilbereich eingesetzte Flechtmaschine mit einer Pultrusionsanlage, die am Fraunhofer ICT weiterentwickelt wurde. Die Flechtmaschine bringt die trockenen Carbonfasern in die richtige Form, die Pultrusionsmaschine ummantelt sie mit Harz. Das Besondere: Während bisher alles per Hand erledigt werden musste – die Fasern in das Werkzeug legen, ausrichten und Harz einspritzen – laufen nun alle Schritte vollautomatisch. Die Kombinationsanlage fertigt die Bauteile in einem kontinuierlichen Verfahren.

Auch für die Luftfahrtindustrie hat die Fraunhofer Projektgruppe einiges zu bieten: So entwickeln die Forscher in einem vom BMWi geförderten Vorhaben unter anderem ein vollautomatisches Fertigungsverfahren für komplexe CFK-Bauteile, gemeinsam mit ihren Kollegen von Premium Aerotec und Coriolis Composites. Kern der Technologie ist ein Roboter mit Legekopf: Er greift die mit Harz ummantelten Carbonfasern und legt sie auf dem Werkzeug ab. In einem Folgeprozessschritt werden die Fasern ausgehärtet. Das automatisierte Verfahren eignet sich für Großserien und liefert gleichbleibend hohe Qualität. Zudem entsteht kein Verschnitt und die Fasern können belastungsgerecht abgelegt werden. „Unser Ziel ist es, die Herstellungskosten von CFK-Bauteilen um 90 Prozent zu reduzieren und das Leichtbaupotenzial größtmöglich auszuschöpfen. Das wollen wir vor allem über neue Produktionsverfahren erreichen, die sich auch für Großserien eignen“, sagt Drechsler.

(dw)

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