Kautschukindustrie ist trotz Umsatzsteigerung nicht sorgenfrei

Die Pandemie hinterlässt auch in der Kautschukindustrie erhebliche Bremsspuren. (Bild: longquattro - fotolia.com)

Bei der Vorstellung der konjunkturellen Kennzahlen hat das Statistische Bundesamt kürzlich 2020 ein „schwarzes Jahr für die Industrie“ genannt. Demnach ist die gesamte Industrieproduktion in Deutschland wegen der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr um 10,8 Prozent gesunken. Den härtesten Rückschlag hatte es im April mit einem Minus von 29,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gegeben. Im Dezember lag das Minus zum November noch bei 1,5 Prozent. Vor allem die Autoindustrie, Deutschlands wichtigster Industriezweig, litt unter dem Lockdown.

Kautschukindustrie hängt an der Automobilindustrie

Spiegelbildlich stellt sich das Geschäftsjahr 2020 der deutschen Kautschukindustrie dar: Die Branche wurde insbesondere wegen ihrer starken Kopplung an die Automobilindustrie stark in Mitleidenschaft gezogen. In fast allen übrigen wichtigen Abnehmerbereichen ging die Geschäftstätigkeit im Vergleich zum Vorjahr zwar ebenfalls spürbar, aber insgesamt etwas moderater zurück. Der Branchenumsatz insgesamt umfasste 2020 ein Volumen von 9,37 Milliarden Euro. Das bedeutet einen Rückgang von 14,5 Prozent. Damit ist die wdk-Prognose vom April 2020 von der Realität bestätigt worden.

Parallel zu den Umsätzen gaben 2020 auch Beschäftigung und Produktion in der Branche nach. Die Produktion verringerte sich um nahezu ein Fünftel. „Die Unternehmen mussten auf die Nachfrageschwäche reagieren und trotz der staatlichen Hilfen ihre Kapazitäten anpassen“, erklärt Michael Berthel, Chef-Volkswirt des wdk, die Hintergründe. Bei den Beschäftigten reduzierte sich die Anzahl in der Branche um 4,5 Prozent auf etwa 70.000 Mitarbeiter. Corona habe in den Unternehmen erforderliche Anpassungen beschleunigt, so Berthel weiter. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Rückgänge in der inländischen Produktion und bei den Beschäftigten nach Corona wieder kompensiert würden. Dagegen sprächen jüngste Gesetze wie das Brennstoffemissionshandelsgesetz oder geplante Vorhaben wie das Verbandssanktionengesetz, die den Industriestandort Deutschland zunehmend unattraktiver machten.

Lichtblicke für Kautschukprodukte in der Medizintechnik und im Bausektor

2020 waren die beiden großen Produktbereiche Reifen und TEE (Technische Elastomer-Erzeugnisse bzw. GRG – General Rubber Goods) von der Konjunkturschwäche betroffen wie auch das Inlands- und das Exportgeschäft. Der Produktionsrückgang der Fahrzeugfertigung in Deutschland um nahezu ein Viertel belastete die Umsätze mit Reifen in die Fahrzeug-Erstausrüstung ebenso wie die vielen GRG-Anwendungen für Mobilität (unter anderem Antivibration-Komponenten, Dichtungen oder Fluid-Systeme). Die Abnehmerbereiche Aviation und Bahn im Bereich der Mobilität lagen 2020 in noch höherem Ausmaß brach. Kaum Impulse kamen zudem vom Maschinenbau und der Elektroindustrie. Leichte Zuwächse brachten die Geschäfte im Bausektor, während es bei der Herstellung von medizinischen und hygienischen Produkten wie etwa Atemschutzmasken exorbitante Steigerungen gab.

wdk rechent mit Erholung im 3 Quartal 2021

Für 2021 rechnet der wdk mit einem Aufholprozess spätestens ab dem 3. Quartal und einem Basiseffekt insbesondere gegenüber dem 2. Quartal 2020. Das im Jahr 2021 mögliche zweistellige Umsatzwachstum kaschiert jedoch, dass seit 2018 im Trend kein Wachstum im Inland mehr für die deutsche Kautschukindustrie generiert werden kann. Detaillierte Zahlen gibt die Übersicht und der Jahresbericht bekannt.

Hinzu kommt, dass aktuell turbulente Rohstoffmärkte und brüchige logistische Lieferketten den Erholungsprozess bedrohen. Auf den Rohstoff- und Logistikmärkten ziehen die Preise rasant an. Aus dem Angebotsmarkt des vergangenen Jahres ist ein Nachfragemarkt geworden – mit dem Ergebnis steigender Preise und enger Verfügbarkeiten. Für manche Materialien sind über die bisherigen Bestellungen hinausgehende Mengen nicht oder nur mit langen Lieferfristen von bis zu sechs Monaten zu erhalten. Dazu kommen erschreckend viele Force Majeure-Meldungen bei petrochemischen Grundstoffen oder anderen Vormaterialien. Im Frachtbereich findet sich eine vergleichbare Situation: Preissteigerungen um den Faktor 6 gegenüber dem Vorjahr sowie ein Mangel an Container-Kapazitäten. (ega)

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