Uni Tübingen_Cyanobakterien_natürliches Plastik

Die Tübinger Forschungsgruppe hat Cyanobakterien so verändert, dass sie Plastik in Mengen erzeugen, die bis zu 80 % ihrer Gesamtmasse ausmachen. (Bild: Karl Forchhammer/Universität Tübingen)

Dieser natürliche Kunststoff könnte Kunststoff auf Erdölbasis also künftig Konkurrenz machen. Die Forschungsgruppe unter Leitung von Professor Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin legte ihre Ergebnisse vor kurzem in mehreren Studien vor, die in den Fachjournals Microbial Cell Factories und PNAS erschienen.

„Die industrielle Relevanz dieser Form von Bioplastik kann kaum überschätzt werden“, erklärt Forchhammer. Rund 370 Mio. t Kunststoffe werden derzeit pro Jahr produziert. Und laut Prognosen soll die weltweite Plastikproduktion im nächsten Jahrzehnt um weitere 40 % zunehmen.
Zwar ist Kunststoff vielfältig einsetzbar und preisgünstig, beispielsweise als Verpackung von Lebensmitteln. Andererseits ist er Ursache für zunehmende Umweltprobleme. Immer mehr Plastikmüll landet in der Natur, wo die Kunststoffe zum Teil die Meere verschmutzen oder in Form von Mikroplastik in die Nahrungskette gelangen. Zudem wird Kunststoff überwiegend aus Erdöl hergestellt, was bei der Verbrennung zusätzliches CO2 in die Atmosphäre freisetzt.

Cyanobakterien produzieren natürlichen Kunststoff

Eine Lösung für diese Probleme könnte in einem Stamm von Cyanobakterien mit überraschenden Eigenschaften liegen: Cyanobakterien der Gattung Synechocystis stellen Polyhydroxybutyrat (PHB) her, eine natürliche Form von Plastik. PHB ist ähnlich einsetzbar wie der Kunststoff Polypropylen aber in der Umwelt schnell sowie schadstofffrei abbaubar. Allerdings ist die von diesen Bakterien produzierte Menge normalerweise sehr gering.

Der Tübinger Forschungsgruppe gelang es, in den Bakterien ein Protein zu identifizieren, das den Kohlenstofffluss in Richtung PHB innerhalb der Bakterienzelle drosselt. Nach Entfernen des entsprechenden Regulators sowie weiteren genetischen Veränderungen stieg die von den Bakterien produzierte PHB-Menge enorm an und machte schließlich über 80 % der Gesamtmasse der Zelle aus. „Wir haben regelrechte Plastikbakterien erschaffen“, kommentiert Dr. Moritz Koch, Erstautor der in Microbial Cell Factories veröffentlichten Studie.

Cyanobakterien, die auch als Mikroalgen oder Blaualgen bezeichnet werden, gehören zu den unscheinbarsten und doch mächtigsten Akteuren auf unserem Planeten. Es waren Blaualgen, die vor etwa 2,3 Mrd. Jahren durch Fotosynthese unsere Atmosphäre sowie die vor UV-Strahlung schützende Ozonschicht schufen. „Cyanobakterien sind gewissermaßen die Hidden Champions unseres Planeten“, betont Koch: „Das unterstreicht das enorme Potenzial, das diese Lebewesen mitbringen.“

Da die blaugrünen Bakterien lediglich Wasser, CO2 und Sonnenlicht brauchen, sind sie nach Einschätzung der Forscherinnen und Forscher optimale Akteure für eine klimaschonende und nachhaltige Produktion. „Einmal in der Industrie etabliert könnte die gesamte Kunststoffproduktion revolutioniert werden“, erklärt Koch. Langfristiges Ziel sei, den Einsatz der Bakterien zu optimieren und so weit zu skalieren, dass ein großtechnischer Einsatz möglich werde.

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