plastship_Use Recycled Plastics

Mit dem Plastship-System passende Kunststoffrezyklate finden. (Bild: Plastship)

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Andreas Bastian, Geschäftsführer Plastship. (Bild: Plastship)

Herr Bastian, Plastship wurde 2018 mit dem Ziel, Rezyklate digital zu vermarkten gegründet. Nimmt der Markt dieses Angebot an?

Andreas Bastian: Immer mehr und auch immer reibungsloser, da uns eine gute Abgrenzung zu Rohstoffbörsen gelingt. Letztendlich geht es darum, Kunststoffverarbeitern eine Plattform zu bieten, auf der sie kontinuierlich verfügbare, qualitativ hochwertige und nachgewiesenermaßen für ihren Produktbereich sichere Rezyklate beziehen können. Das bringt einige Herausforderungen und Anforderungen an ein Marktplatzmodell mit sich. Wir beobachten, dass es einen klaren Bedarf an transparenten Informationen im Markt für recycelte Kunststoffe gibt und dass mehr technische Informationen zu den Materialien und Wissen im Bereich der Kunststoffrezyklate zu mehr Klarheit und Sicherheit in der Nutzung von recycelten Kunststoffen führen. Wir haben durchschnittlich rund 30 Registrierungen im Monat und die Kunden, die sich auf der Plattform registrieren, nehmen unsere Leistungen auch immer wieder in Anspruch. Dabei liegt der Fokus auf der Zurverfügungstellung von relevanten Informationen, die eine Verknüpfung von Angebot und Nachfrage ermöglichen, die den Einkauf von Rezyklaten sicherer und einfacher machen und in der Möglichkeit, die Abwicklung von Lieferungen digital abzubilden und diese damit effizienter und informativer zu gestalten. Dazu kommen dann unsere Dienstleistungen in der Abwicklung, der externen Qualitätssicherung und in der Auditierung und Zertifizierung von Kunststoffverwertern auf der Lieferantenseite und in der neutralen Beratung zum Markt oder zu Recyclingkonzepten, der Zertifizierung des Rezyklatgehalts und der Recyclingfähigkeit auf der Abnehmerseite. Was ich damit ausdrücken will, ist, dass das Gesamtkonzept und die Verknüpfung der Plattform mit weiteren Dienstleistungen die entscheidenden Faktoren sind, die mittlerweile immer mehr Kunden überzeugen. So bauen wir nach und nach ein Kundenportal für die Kreislaufwirtschaft im Kunststoffbereich auf, das gerade durch unsere ergänzenden Dienstleistungen einen klaren Mehrwert für alle Teilnehmer bietet. Die Nachfrage nach einem systematischen Ansatz zum Einsatz von Rezyklaten ist da und das bisherige Feedback unserer Kunden ist durchaus positiv.

Eine grundsätzliche Frage vorweg: Was bedeutet Recyclingfähigkeit eigentlich?

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EU-weit gültige Zertifizierung der Recyclingfähigkeit mit Recyclass. (Bild: Plastship)

Bastian: Eine Verpackung, die nach Nutzung entsorgt wird, soll zu einem möglichst hohen Anteil recycelt werden und dabei soll ein möglichst hochwertiges Rezyklat entstehen, das wieder in einer anspruchsvollen Anwendung eingesetzt werden kann. Ob eine Verpackung diese Voraussetzung erfüllt, lässt sich über die Recyclingfähigkeit als Kriterium bewerten. Sie beantwortet also die Frage, wie gut eine Verpackung recycelt werden kann. Im Fall von Recyclass in Recyclingfähigkeitsklassen von A–F und einem Prozentanteil, der angibt, welcher Anteil der Verpackung dem Recycling wirklich zur Verfügung steht. Die Recyclingfähigkeit bezieht sich immer auf den vollständigen Weg, den eine Verpackung nach Nutzung und Entsorgung ab der Sammlung, über die Sortierung und Verwertung bis in ein neues Rezyklat macht. Das heißt, eine Verpackung muss in einer systematischen Art und Weise gesammelt werden, beispielweise hier in Deutschland über die Dualen Systeme. Anschließend wird die Verpackung in eine Sortieranlage gebracht, welche in Ballen gepresste Fraktionen herstellt. Hier muss sichergestellt sein, dass die Verpackung dem richtigen Materialstrom zugeordnet wird und damit auch in der richtigen Ballenfraktion landet. Die Fraktionen werden dann durch Kunststoffverwerter als Inputmaterialien bezogen und in Regranulate umgearbeitet. Die Verpackung sollte dabei weder im Prozess verloren gehen, noch sollten einzelne Verpackungskomponenten negative Auswirkungen auf den Prozess haben. Und letztendlich muss das hergestellte Produkt, also das Regranulat, eine möglichst hohe Qualität aufweisen, damit es wieder in neuen Produkten verwendet werden kann. Ein negativer Faktor wäre hier beispielsweise eine starke Bedruckung der Verpackung, die Auswirkungen auf die Farbgebung des Rezyklats hätte. Diese Punkte werden pro Verpackung bei einer Recyclingfähigkeitsprüfung detailliert betrachtet. Insgesamt geht es nicht nur darum, die Quantität der recycelten Verpackungen zu erhöhen, sondern die Qualität der damit hergestellten Regranulate, da hier die größten Hürden für einen Wiedereinsatz in anspruchsvollen Anwendungen liegen.

Wie beurteilen Sie die gesetzlichen Vorgaben zum Rezyklateinsatz?

Bastian: Produktsicherheit steht immer an erster Stelle. Ich denke, das findet sich auch so in der Gesetzgebung wieder. Die Frage ist, an welchen Stellen sinnvolle Maßnahmen getroffen werden können, um den Rezyklateinsatz zu steigern. Den Einsatz von Rezyklaten zu steigern ist ja schon mal definitiv sinnvoll, da endliche Ressourcen so lange wie möglich nutzbar gemacht werden und bei der Herstellung der Sekundärwaren die Umwelt weit weniger belastet wird im Vergleich zur Herstellung von Kunststoffneuwaren. In vielen Anwendungen bestehen allerdings qualitative/quantitative oder rechtliche/normative Hürden zum Einsatz von Rezyklaten. Bei bestimmten Applikationen und bestimmten Strukturen, wie dem durch das Pfandsystem geschlossenen Kreislauf für PET-Getränkeflaschen, ist der Einsatz von Rezyklaten aus diesem System möglich und hier ist eine gesetzliche Vorgabe machbar und ja auch im EU-Recht existent. Das hängt auch mit den Besonderheiten des PET-Recyclings zusammen. In anderen Bereichen ist das unter der aktuellen Gesetzgebung teilweise schwierig, wie zum Beispiel bei Industrieverpackungen mit UN-Zulassung oder aktuell nicht möglich, wie im Medical-Bereich. Teilweise muss auch bewertet werden, ob Regranulate in allen möglichen Anwendungen sinnvoll eingesetzt werden können oder sollten. Begrüßenswert wäre hier eine größere Sicherheit in den einzelnen Produktsegmenten, die die Selbstverpflichtungen der Verpackungsindustrie fördert und dazu führt, dass der Rezyklateinsatz steigt. Und wenn es in den EU-Gesetzgebungsverfahren dann um gesetzliche Mindestquoten geht, sollte ein Fördermodell gewählt werden, das den Markt unterstützt, die Produktsicherheit gewährleistet und das nachvollziehbar, beziehungsweise nachweisbar ist. AGVU und IK haben hierzu in ihrem Diskussionspapier „Gesetzliche Mindestquoten für Rezyklate in Kunststoffverpackungen?“ drei Optionen betrachtet.

Welche Voraussetzungen muss ein Recyclingunternehmen erfüllen, um Teil der Plastship-Plattform zu werden?

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Überblick, Qualität und Nachvollziehbarkeit durch die Wertschöpfungskette des Kunststoffrecyclings. (Bild: Plastship)

Bastian: Grundsätzlich haben wir einen Prozess etabliert, den wir durchlaufen, bevor wir ein Unternehmen auf der Plattform freischalten. Dabei wird im ersten Schritt geprüft, ob das Unternehmen ein produzierendes Unternehmen ist, bevor wir ein erstes Gespräch über die hergestellten Materialien und die qualitativen Möglichkeiten führen. Zudem überprüfen wir das Vorhandensein von relevanten Zertifizierungen, wie EuCertPlast oder ISO 9001. Zusätzlich dazu haben wir ein „Approved Supplier“-Label, welches wir nur vergeben, wenn wir ein kleines Audit mit dem Unternehmen durchlaufen haben, uns der Materialstrom und die Mengen für den Input des Recyclers und der Prozess zur Herstellung der Rezyklate bekannt ist und uns Handmuster zu den angebotenen Materialien vorliegen. Damit wir auch in einem kontinuierlichen Geschäft Qualitäten sichergestellt sind, vergeben wir zudem noch ein Label „Approved for external Quality Assurance“. Wenn wir dieses vergeben, sind uns zudem die Qualitätssicherungsmaßnahmen im Prozess des Recyclers bekannt und eine Homogenisierung des Materials ist chargenweise möglich. Auf Wunsch liefern wir hier auch Materialanalysen mit. Die Informationen zu den Labels und Zertifikaten und die Materialdaten sind nach Registrierung kostenlos zugänglich.

Welchen Nutzen bietet die Handelsplattform für Hersteller und Verarbeiter von Rezyklaten?

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Marktübersicht über verfügbare Recyclingkunststoffe. (Bild: Plastship)

Bastian: Im Prinzip gebe ich als registriertes Unternehmen nur meine Einkaufsspezifikation oder die Spezifikation der bisher verwendeten Neuware an. Wir können dann über die auf der Plattform verfügbaren Datenvorschläge passende Rezyklattypen liefern. Die Rezyklatqualität hängt natürlich stark vom Materialstrom und dem Prozess im Recycling ab. Hier kennen wir uns gut aus und können neutral beraten. Eingangs hatte ich ja schon mal erwähnt, dass nicht nur die Verknüpfung von Angebot und Nachfrage entscheidend ist, sondern dass wir ein großes Augenmerk auf die Qualität und ein funktionierendes Gesamtkonzept inklusive erweiterter Dienstleistungen setzen. Dabei sind wir aktiv tätig und erarbeiten so Vorteile für beide Parteien.

Für Kunststoffverwerter können wir neue Materialströme sichern, sorgen über die Plattform für einen zusätzlichen Vertriebskanal und die Möglichkeit, die Vorteile des eigenen Unternehmens und der hergestellten Produkte darzustellen. Zusätzlich steigern wir die Effizienz in der Anbahnung von Geschäften und durch die Digitalisierungsmöglichkeiten auch in der Abwicklung. Mögliche Kunden können Geschäftsvorgänge verfolgen und erhalten direkten Zugang zu erweiterten Services und Vorteilen, wie beispielsweise dem vergünstigten Nachweis des Rezyklatgehalts im Produkt. Für Kunststoffverarbeiter sind wir als neutraler Berater zur Stelle und können einen vertieften Marktüberblick liefern. Über die Plattform können passende Qualitäten einfach identifiziert werden, recycelte Kunststoffströme gesichert werden und Abhängigkeiten reduziert werden. Dabei lassen sich durch das Modell Einsparungen durch die direkte Zusammenarbeit mit den Produzenten der Kunststoffrezyklate realisieren und der Bezug von Rezyklaten wird übersichtlicher, nachweisbar und sicherer.

Beide Parteien können über Plastship proaktiv Vorgehen und Angebote oder Anfragen abgeben und erhalten eine gemeinsame Grundlage für einen Austausch. Wir sorgen auch immer weiter dafür, dass Normen und Informationen zur Gesetzeslage über die Plattform einsehbar sind und halten dies aktuell. Zudem arbeiten wir an Erweiterungen der Funktionalität, beispielsweise zur Frage, wie Additivierungen zum Verbessern der Materialqualität einer ausgewählten Rezyklattype beitragen können oder welche CO2e-Einsparungen sich nachweislich durch den Einsatz einer bestimmten Materialtype realisieren lassen.

Wie kommen die beiden Parteien zusammen?

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Alle Vorgänge sind über die Plattform nachverfolgbar. (Bild: Plastship)

Bastian: Jedes Unternehmen kann seine Einkaufsspezifikation inklusive aller relevanten technischen Parameter für die gewünschte Anwendung angeben. An dieser Stelle unterstützen wir Unternehmen kostenfrei und beratend, falls keine Spezifikation für Kunststoffrezyklate vorliegt. Diese Spezifikation erscheint dann anonymisiert in der Marktübersicht. Mögliche Lieferanten können ihre passenden Materialien auf Basis dieser Spezifikation anbieten. Von der anderen Seite her funktioniert das ähnlich. Lieferanten legen ihre Produkte/Regranulate inklusive aller vorhandenen Parameter auf der Plattform an. Diese können dann durch Interessenten angefragt werden. Zusätzlich werden beide Seiten benachrichtigt, wenn das System eine Übereinstimmung zwischen einer Einkaufsspezifikation und einem Material findet. Wenn ein Vorgang zustande kommt – also ein Material angefragt, beziehungsweise angeboten wurde, können beide Parteien über die Plattform miteinander in Austausch treten. Jedes Feedback nach Bemusterung der Rezyklate wird aufgenommen, um unsere Leistung zu verbessern. Wir bieten über unser Vorgangsmanagement eine Möglichkeit der Nachverfolgung und unterstützen bei der Abwicklung. Das geht von der Durchführung der Transporte bis zur Analyse der Materialien. Der aktuelle Stand der Lieferungen und genannten Analysen sowie die Kommunikation zum Geschäft können vollständig über die Plattform online eingesehen und nachverfolgt werden. Beim Nachweis des Rezyklatgehalts können wir Vergünstigungen anbieten, wenn beide Parteien die Abwicklung über Plastship durchführen. Verträge werden grundsätzlich zwischen Anbieter und Abnehmer geschlossen und der Zugang zur Plattform und ist kostenlos. Wir erheben eine kleine Provision vom Lieferanten, wenn ein Geschäft zustande kommt.

Wie können Sie dem Kunststoffverarbeiter eine konstante Qualität der Rezyklate auch für große Mengen garantieren?

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Alle Materialinformationen auf einen Blick. (Bild: Plastship)

Bastian: Die Rezyklatqualität ist zu einem großen Teil abhängig von der Herkunft des Ausgangsmaterials, also dem Input eines Verwerters. Beim Materialstrom und dessen Einfluss kennen wir uns durch unsere Arbeit bei RIGK gut aus und können weit über Preconsumer und Postconsumer (nach ISO 14021) hinaus differenzieren. Damit eine gute Rezyklatqualität möglich konstant ist, muss das Zusammenspiel zwischen Materialstrom im Input und dem Prozess des Verwerters stimmen und qualitätssichernde Maßnahmen sowie die Homogenisierung des Materials durchgeführt werden. Das können wir durch unsere Audits und auch teilweise über das EuCertPlast-Zertifikat grundsätzlich sicherstellen. Auch unser Feedbacksystem spielt bei diesem Thema eine wichtige Rolle, das pro Charge vom Abnehmer ausgefüllt wird. Sollte es in der Vergangenheit bei einer Materialtype zu Qualitätsschwankungen gekommen sein, versuchen wir das zusammen mit dem Verwerter zu lösen. Eine fortlaufende Qualitätssicherung ist zudem grundsätzlich möglich und über die Plattform abbildbar. Unsere Aufgabe sehe ich darin, die zur Einschätzung einer Materialqualität benötigten Informationen aufzubauen und zu pflegen, damit sichergestellt ist, dass das eingesetzte Rezyklat die Anforderungen erfüllen kann. Es gibt auch vereinzelt Bereiche, in denen Closed-Loop-Systematiken, in denen beispielsweise ein Verpackungshersteller die entleerten Verpackungen – das sind häufig sehr homogene Stoffströme – nach Nutzung durch den Kunden wieder als Rohstoff nutzbar machen kann. An der Stelle können wir auch durch unser Netzwerk und RIGK individuelle Lösungen erarbeiten. Zusätzlich können wir über die Recycled-Content-Zertifizierung von Recyclass Materialströme durch die Kette hinweg bis zum Ursprung nachvollziehen, was natürlich auch nützlich ist, um die kontinuierliche Verfügbarkeit und konstante Qualität des Materials einschätzen zu können.

Ist die Rückverfolgbarkeit der Werkstoffe bis zur „Rohstoffquelle“ gegeben?

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Zertifizierter Nachweis des Rezyklatgehalts und der Herkunft von recycelten Kunststoffen. (Bild: Plastship)

Bastian: Ja, das lässt sich über die Recycled Content-Zertifizierung von Recyclass sicherstellen. Das ist neu. Bei dieser Zertifizierung wird der Weg des Rohstoffs in der Kette rückwärts bis zum Ursprung verfolgt und dort, ob das verwendete Rezyklat kontrolliert durch ein EuCertPlast-zertifiziertes Unternehmen hergestellt wurde. Zudem lassen sich nicht nur Aussagen über die Materialherkunft (Postconsumer/Preconsumer), sondern auch über den Rezyklatgehalt im hergestellten Produkt treffen. Dabei geht es um die drei Punkte: 1. Material stammt nachweislich aus einer kontrollierten Quelle, 2. Herkunft des Materials ist nachgewiesen und 3. im Produkt werden nachweislich X % recycelte Materialien verwendet. Über die Plattform können wir ebenfalls Informationen zur Materialherkunft greifbar machen und so auch die Zertifizierung effizient abbilden – diese wird dann in unserem Monitoring-System zum großen Teil digital möglich sein.

Herr Bastian, Sie sprachen EuCertPlast an. Was steckt dahinter und was bedeutet das Zertifikat für den Kunststoffverarbeiter?

Bastian: Das EuCertPlast-Zertifikat bestätigt, dass der Verwerter nach den aktuellen Best-Practices agiert und schafft mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Markt. Damit ein Kunststoffverwerter das Zertifikat erhält, muss er verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Zum Beispiel muss sichergestellt sein, dass die Wertstoffe im Input nachweisbar aus einer kontrollierten Quelle stammen und dass diese in einem nachvollziehbaren und definierten Prozess in ein Rezyklat umgearbeitet werden. Dabei wird auch darauf geachtet, dass alle nötigen Lizenzen und Zulassungen erteilt sind, dass eine ordentliche Lagerverwaltung existiert und dass dem Umweltschutz bei der Abfallentsorgung Sorge getragen wird. In Bezug auf den Recyclingprozess wird eine Massenbilanz erstellt, die genau aufzeigt, welche Produkte aus welchen Anteilen an Pre- oder Postconsumer-Stoffströmen hergestellt werden und wie die Qualitätssicherung funktioniert. Auch die Kapazität der Anlage und die verarbeiteten und hergestellten Mengen werden nachvollzogen. Beim Einkauf von Rezyklaten liefert das EuCertPlast-Zertifikat damit die Sicherheit, dass die hergestellten Materialien kontinuierlich verfügbar sind, aus einer definierten Quelle stammen und einem Qualitätssicherungsprozess unterliegen. Das Zertifikat ist auch Voraussetzung für beispielsweise den Blauen Engel oder die Recyclass-Recycled-Content-Zertifizierung und damit ein wichtiges Kriterium bei der Materialauswahl. Der Auditreport sowie das Summary Sheet des Zertifikats hilft zudem sehr gut dabei, die Möglichkeiten des Lieferanten einzuschätzen.

Sind die angebotenen Werkstoffe für den Einsatz in Lebensmittelverpackungen geeignet?

Bastian: In den häufigsten Fällen nicht. Da die Lebensmittelzulassung pro Recyclingverfahren von der EFSA bestätigt werden muss und die Hauptkriterien sind, dass alle Verpackungen, welche in das Recyclingverfahren einfließen, vorher schon eine Lebensmittelzulassung hatten und kein Kontaminationspotenzial besteht, werden im Prinzip sehr viele Stoffströme grundsätzlich von einer Zulassung für Lebensmittel nach (EG) Nr. 282/2008 ausgeschlossen. Zugelassene Recyclingverfahren finden sich aktuell nur in PET-Kreisläufen für PET-Flaschen, für PP-(Obst)-Kisten und eingeschränkt für PE-HD Milchflaschen. Zulassungen für beispielsweise PE-LD sind aktuell nicht aufzufinden (http://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/plastics-and-plastic-recycling). Meiner persönlichen Meinung nach ist das Erreichen der Kriterien „Verpackung hatte bereits Lebensmittelzulassung“ und „Kontaminationen können ausgeschlossen werden“ für Wertstoffe aus dem Dualen System nur unter Nutzung von neuen Sortiertechnologien möglich, die beispielsweise gerade im Projekt Holy Grail 2.0 entwickelt werden oder eben durch eine Getrenntsammlung von Lebensmittelverpackungen, wo dies sinnvoll wäre. Aktuell gibt es keine Rezyklate aus den größeren Stoffströmen (PE, PP), die eine Lebensmittelzulassung hätten und frei verfügbar sind außer im PET. Es gibt an dieser Stelle ein paar spannende Ansätze, die wir beobachten und das Interesse an Rezyklaten mit Food-Contact-Zulassungen ist hoch. Dazu wird es Entwicklungen geben.

Leidet unter einem recyclinggerechten Design einer Verpackung nicht ihre Leistungsfähigkeit?

Bastian: Erste Priorität sollte die Funktionalität der Verpackung sein. Bei der Entwicklung eines recyclinggerechten Designs geht es darum, dass unter dieser Prämisse gehandelt wird und Optimierungen dort getroffen werden, wo dies möglich ist. Die Recyclingfähigkeit sollte Teil der Funktion einer Verpackung sein, da sie angibt, wie gut eine Verpackung als Rohstoff geeignet ist. Es macht Sinn, sich grob daran zu orientieren, dass möglichst wenige verschiedene Polymere genutzt werden, die Verpackung möglichst hell/transparent ist, möglichst wenig Druckfarben genutzt werden und die Verpackung möglichst gut entleerbar ist. Auch sollte nicht unbedingt mehr Kunststoff pro Verpackung eingesetzt werden. Dabei entstehen zwangsweise Zielkonflikte, beispielsweise in der Marketingfunktion einer Verpackung. Eine Marke, die auf dunkle/schwarze Verpackungen setzt, hat hier ganz klar besondere Herausforderungen vor sich. Solange der Schutz des Produkts aber gewährleistet ist, kann man in fast allen Fällen recyclinggerechtere Verpackungen herstellen. Manchmal reicht es aus, eine Verpackungskomponente auszutauschen, beispielsweise andere Labels zu benutzen. Bei einigen Anwendungen macht es Sinn, Komponenten aus anderen Polymeren zu verwenden, wie zum Beispiel PP anstatt PET für Trays. Hier gibt es auch Lösungen, die sehr gut recyclingfähig sind. Es müssen also nicht in allen Fällen neue Verpackungskonzepte entwickelt werden, sondern geschaut werden, was unter den jetzigen Voraussetzungen möglich ist. Und da gibt es ja schon einige gute Beispiele und viele Quick-Wins.

Wann ist eine Verpackung nachhaltig?

Bastian: Eine Verpackung ist für mich dann maximal nachhaltig, wenn diese anhand eines nachvollziehbaren Kriteriums (beispielsweise CO2e eines PCFs) in Bezug auf die gesamte erwartete Lebensdauer des Produkts so optimiert wurde, dass keine weitere CO2e-Einsparung möglich ist, sie ihre Funktion bestmöglich erfüllt und sie dem Sekundärmarkt wieder als nutzbarer und hochwertiger Rohstoff zur Verfügung steht. Es geht bei dem breiteren Begriff der Nachhaltigkeit eben nicht nur darum, eine recyclingfähige Verpackung auf den Markt zu bringen, sondern die Verpackungslösung zu wählen, die alle notwendigen Funktionen mitbringt und die eine maximale Reduktion an Umweltbelastungen zur Folge hat. Eine Verpackung schützt ja in der Regel ein Gut, das im Vergleich zur Verpackung selbst einen um ein Vielfaches höheren Product Carbon Footprint mit sich bringt. Und dieses muss eben so verpackt werden, dass das Gut so geschützt wird, dass es möglichst nicht verschwendet wird. Nachdem die Verpackung ihre Funktion(en) erfüllt hat, sollte sie mindestens eine weitere Funktion erfüllen – nämlich ein möglichst hochwertiger Rohstoff für neue Anwendungen sein. Wenn das erreicht ist, ist eine Verpackung so nachhaltig wie möglich. Hier ist für mich auch wichtig, dass die Wiederverwendung in einer Verpackung, also der Closed-Loop, zwar ein mögliches Ziel sein kann, aber dass hier immer auch die Anforderung der Anwendung mit betrachtet werden muss. Im Prinzip ist es manchmal auch sinnvoll, Stoffströme so zu belassen, wie sie sind. Wenn aus dem recycelten Verpackungsmaterial sehr gut Rasengitter hergestellt werden können, ist das möglicherweise sinnvoller, als unter erhöhtem Aufwand die hochwertigen Verpackungen vorher auszusortieren und damit das Material, welches zur Herstellung der Rasengitter verwendet wurde, qualitativ abzuwerten. Der zu betreibende Aufwand und der wirkliche Nutzen müssen immer miteinander verglichen werden und Abhängigkeiten sollten mitbetrachten werden und dann sollte das gemacht werden, was aus Umweltsicht in einer möglichst vollständigen Betrachtung das Beste ist.

Stammen die über Plastship gehandelten Rezyklate ausschließlich aus Sammlungen der RIGK sowie deren Partnern?

Bastian: Nein, ausdrücklich nicht. Wir betreiben als eigenständiges Unternehmen einen für alle Parteien offenen Marktplatz mit europäischer Ausrichtung. Unser Ziel ist es, möglichst alle Rezyklathersteller in Europa von einer Zusammenarbeit mit uns zu überzeugen und auf der Nachfrageseite den europäischen Markt für recycelte Kunststoffe zu etablieren. Natürlich können wir durch unsere Nähe zu RIGK das etablierte Netzwerk nutzen, das sich RIGK in den letzten 27 Jahren aufgebaut hat und profitieren auch von der Expertise unserer Muttergesellschaft. Gerade beim Thema Rückverfolgbarkeit von Stoffströmen ist diese sehr wertvoll. Als Betreiber verschiedener Rücknahmesysteme für Kunststoffe aus der Industrie und der Agrarwirtschaft, wie beispielsweise dem ERDE-System, hilft uns RIGK auch extrem beim Verständnis und beim Aufbau funktionierender Recycling-Konzepte.

Herr Bastian, woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich Kunststoffrezyklate nur langsam am Markt durchsetzen?

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Mit dem Plastship-System passende Kunststoffrezyklate finden. (Bild: Plastship)

Bastian: Das hat meiner Meinung nach vor allem mit dem Verhältnis von Rohstoffqualität, Preis und Risiko zu tun. Risiko kann man dabei weiter Fassen – das geht von der Verfügbarkeit der Rohstoffe, über die rechtliche Unsicherheit, über einen möglicherweise erhöhten Aufwand in der Produktion bis hin zu möglichen Schwierigkeiten bei der Produktsicherheit oder bei der Erfüllung von Kundenanforderungen. Jeden dieser Punkte könnte man nochmal aufschlüsseln. Weiter ist es notwendig, sich eingehend mit dem Rohstoff Kunststoffrezyklat zu beschäftigen, Marktkenntnis zu entwickeln und die Abhängigkeiten zu verstehen. Ich muss mich also vorab intensiv mit einem Rohstoff beschäftigen, der im Vergleich zur Neuware womöglich zu einem schlechteren oder keinem Ergebnis bei erhöhtem Aufwand führt. Möglicherweise sind Kundenanforderungen auch nicht direkt umsetzbar. Und dann kommen noch die Bedenken zur Verfügbarkeit des Rohstoffs hinzu. All das verringert die Sicherheit in Bezug auf den Einsatz von Rezyklaten. Im Vergleich zu Neuware sind das schon erhebliche Hürden. Dann muss noch mit einbezogen werden, was das eigentliche Ziel ist. Ist das ein möglichst hoher Rezyklatgehalt? In Bezug auf die Zielsetzung und die Anforderungen an ein Produkt mit Rezyklatgehalt entstehen auch häufig Hemmnisse. Eine 1:1-Substitution zu Neuware ist meines Erachtens nicht notwendig und möglich, sondern eher eine komplementäre Nutzung. Der Anteil an Rezyklaten in einer Produktlinie sollte nicht möglichst hoch, sondern möglichst sinnvoll sein, um die Gesamtmenge an genutzten Rezyklaten und an wieder nutzbaren Rohstoffen zu steigern. Natürlich liegt das auch immer in der Hand des Kunden. Und ich glaube, dass hier noch viele Möglichkeiten bestehen, Wissen aufzubauen und aufzuzeigen, was im Markt möglich ist.

Wie wichtig ist der Netzwerkgedanke für das Recycling?

Bastian: Dieser ist absolut entscheidend. Alle Schritte entlang der Kette im Kunststoffrecycling sind voneinander abhängig und die Prozesse innerhalb der Unternehmen sind auf die bisherigen Anforderungen ausgelegt. Das Design for Recycling ist eigentlich das anschaulichste Beispiel für die Abhängigkeit der verfügbaren Rohstoffqualität. Wenn ein Großteil der in den Markt gebrachten Verpackungen bunt ist, wird es größtenteils nur graue Rezyklate geben. Wenn ein Großteil der PE-HD-Verpackungen mit PP-Komponenten in den Markt gebracht werden, wird es auch nur PE mit einem PP-Anteil zu kaufen geben. Wenn sich die Anforderungen, gerade in Bezug auf die Materialqualität ändern, müssen Prozesse und technische Voraussetzungen angepasst werden. Zusätzlich muss entlang der Kette die jeweilige Rohstoffqualität verbessert werden, damit ich am Ende der Kette ein Rezyklat in einer anspruchsvollen Anwendung eingesetzt haben kann. Die Vorbereitung des Materials (also zum Beispiel die Sortierung) und der Recyclingprozess müssen auf die Anwendung passen. Das ist alles nicht 100 % starr und fixiert, sondern viele Rezyklathersteller sind in der Lage, kundenspezifische Rezyklate zu liefern. Diese unbedingte Abhängigkeit und die Vielzahl an Einflussfaktoren auf die Materialqualität, die ich bisher nur grob angeschnitten habe, machen es nötig, sich intensiv auszutauschen, damit die Anforderungen, die an ein Rezyklat gestellt werden, klar werden und an der Qualität gearbeitet werden kann. Die Relevanz von Netzwerken wird gerade in Initiativen wie Recyclass oder Ceflexbetont oder der CPA. Und oft ist ja auch gar nicht klar, dass es bereits passende Rezyklattypen für bestimmte Anforderungen gibt oder was möglich ist. Hier zählt es umso mehr, dass eine Vernetzung zu den Kunststoffverwertern so einfach wie möglich stattfinden kann und sich allgemein Wissen zum Kunststoffrecycling etabliert – und da bietet sich ein digitales Netzwerk als Problemlösungsinstrument und eine gemeinsame operative Basis an.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihr Geschäft?

Bastian: Wir haben deutlich gespürt, dass die Nachfrage nach Rezyklaten eingebrochen ist. Viele Unternehmen haben Projekte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder sind auf die in der Krise günstigere Neuware umgestiegen. Andere Kunden haben die Zeit genutzt, um sich intensiv mit dem Thema Rezyklateinsatz zu beschäftigen und sich Rohstoffquellen zu sichern, was auch durchaus sinnvoll ist. Die Zeit hat uns aber auch Raum gegeben, uns auf Entwicklungsprojekte und unsere Dienstleistungen wie die Zertifizierungen zu fokussieren. Für die Zukunft habe ich jedenfalls keine Bedenken. Die Krise ist irgendwann vorbei, der Ölpreis steigt aktuell schon wieder und die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind so relevant wie nie zuvor.

ist Redakteurin Plastverarbeiter. simone.fischer@huethig.de

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