Abbildung 1_Konzept und Aufbau der Kontaktkühlung mittels Kühlhülse

Abbildung 1: Konzept und Aufbau der Kontaktkühlung mittels Kühlhülse (Bild: alle IKV)

Die Blasfolienextrusion ist eines der wichtigsten Verfahren zur Herstellung dünner Kunststofffolien. Ein unmittelbarer Vorteil liegt in der flexiblen Einstellung der Foliengröße. Bei herkömmlichen Blasfolienanlagen erfolgt die Kühlung des Schmelzeschlauches mittels Kühlring und Blasen-Innenkühlung (IBC). Eine konvektive Kühlung erreicht jedoch nur geringe Abkühlraten, weshalb konventionelle Blasfolien aufgrund des höheren Kristallisationsgrades eine geringere Transparenz, aber dafür höhere Steifigkeiten als gegossene oder wasserabgeschreckte Folien aufweisen. Neben den Folieneigenschaften beeinflusst die Kühlung auch den Wirkungsgrad des Extrusionsprozesses, da eine verbesserte Kühlung höhere Massendurchsätze ermöglicht. Daher ist die Kühlung in der Blasfolienextrusion sowohl für die Industrie als auch für die Forschung von besonderer Bedeutung. Im Stand der Technik wurden bislang diverse Ansätze zur Verbesserung der Kühlleistung verfolgt, um die Wirtschaftlichkeit einer Extrusionsanlage immer weiter zu steigern [1, 2, 3, 4, 5, 6].

Ein Ansatz zur Produktivitätssteigerung stammt von Ohlendorf [7]. Seine Idee basiert auf dem Wärmestransport-Vorgang Wärmeleitung. Dafür wird dem Schmelzeschlauch bereits vor der Blasenexpansionszone mit einer Kontaktkühlhülse Wärme entzogen. Dieses Konzept erhöht die Kühlleistung bei anhaltender Flexibilität der Foliengröße, da die Blasenerweiterung erst nach Verlassen der Kühlhülse erfolgt.

Realisierbarkeit des Kontaktkühlkonzepts

Die Kühlhülse wird mit einem kleinen Spalt direkt über dem Düsenaustritt platziert. Der Spalt stellt die thermische Trennung zwischen der heißen Düse und der Kühlhülse sicher. Um ein Ankleben der Schmelze auf der Kühlhülsenoberfläche zu vermeiden, wird die Innenfläche mit einer Topocrom-Oberfläche (Topocrom, Stockach) beschichtet. Die Oberflächenstruktur zeichnet sich durch Halbkugeln unterschiedlicher Größen aus, wodurch die Kontaktfläche zwischen der Oberfläche und der Schmelze verringert wird. Die Rauigkeit der Oberfläche wird durch die unterschiedlichen Größen der Halbkugeln bestimmt und beträgt R= 4 μm.

Die Kontaktfläche ist austauschbar und in ein wassertemperiertes Gehäuse integriert. Für eine effiziente Kühlung muss ein dauerhafter Kontakt des Schmelzeschlauches zur Kühlfläche garantiert werden. In Voruntersuchungen wurden daher unterschiedliche Kühlflächenverjüngungen getestet, um sicherzustellen, dass weder der Schmelzeschlauch den Kontakt zur Kühlfläche verliert, noch durch die Verjüngung gestaucht wird. Verliert der Schmelzeschlauch den Kontakt zur Kühlfläche, so wird dieser nur teilweise gekühlt. Wird der Schmelzeschlauch durch die Verjüngung zu stark zusammengepresst, kommt es zu Faltenbildung. Um diese Effekte zu vermeiden muss die Kühlhülsengeometrie das Schwellen nach Düsenaustritt und das Schrumpfen aufgrund der Abzugsgeschwindigkeit und der Abkühlung des Polymers ausgleichen. Gute Ergebnisse können bei einem Innendurchmesser DE von 81,5 mm (Düsendurchmesser DD = 80 mm) mit einer Verjüngung tap von 3 Prozent erzielt werden,  ohne dabei eine unzulässige Kompression zu verursachen [8]:

FormelNEUNEU

Der Einfluss der Kühlhülse auf die optischen und die mechanischen Folieneigenschaften wurden bereits in früheren Versuchen bestimmt [8, 9]. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Kühlhülse keinen signifikanten Einfluss auf die mechanischen Folieneigenschaften besitzt. Sowohl das Elastizitätsmodul als auch die Reißdehnung stimmen mit den Werten konventionell hergestellter Folien überein. Jedoch ergeben sich für die mit der Kühlhülse hergestellten Folien geringfügig höhere Zugfestigkeiten [8]. Durch den Kontakt des Schmelzeschlauches mit der beschichteten Kühlfläche werden zusätzlich die optischen Folieneigenschaften beeinflusst. Die Transmission der Folien nimmt mit zirka 1 Prozent (absolut) geringfügig ab, während die Trübung um zirka 10 Prozent (absolut) ansteigt.

Steigende Durchsätze durch Kontaktkühlung

Neben der Folienqualität ist der maximale Massedurchsatz einer Blasfolienanlage ein ebenso wichtiges Kriterium für die Bewertung des Kühlhülsenkonzeptes. Für die Bestimmung der Durchsatzsteigerung werden Versuche an einer Blasfolienanlage der Firma Kuhne, Sankt Augustin, durchgeführt. Als Versuchsmaterial wird ein Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD 310E) der Firma Dow Europe, Horgen, Schweiz, mit einem Schmelzeindex von 0,75 g/10 min (2,16 kg, 190 °C) verwendet. Ein Teil der nachfolgenden Ergebnisse sind in [10] detaillierter beschrieben.

Zur Ermittlung der möglichen Durchsatzsteigerung wird der maximale Durchsatz sowohl für die konventionelle Blasfolienextrusion als auch für die Blasfolienextrusion mit Kühlhülse bei gleicher Frostlinienhöhe (HFL) ermittelt. Neben der Variation der Prozessparameter (TUR, BUR, Kühlringleistung, Hülsentemperatur) werden zwei verschiedene Kontaktkühlhülsen mit einer Höhe von 45 mm und 74 mm eingesetzt. Beide Hülsen besitzen eine Verjüngung von 3 Prozent.

Abbildung 2_Einfluss des Aufblasverhältnisses (BUR) und der Kühlhülsenlänge auf den maximalen Massedurchsatz (TM

Abbildung 2: Einfluss des Aufblasverhältnisses (BUR) und der Kühlhülsenlänge auf den maximalen Massedurchsatz (TM = 200 °C, TK = 40 °C, HFL = 40 cm, d = 120 µm, PKR = 100 %)

Abbildung 2 zeigt den Einfluss des Aufblasverhältnisses BUR und der Kühlhülsenhöhe HKH  auf den maximalen Massedurchsatz. Neben dem BUR beeinflussen die verschiedenen Kühlhülsenhöhen und die Blasenexpansion ebenfalls die Kühlung. Entgegen der Annahme, führt die längere Kühlhülse mit 74 mm im Vergleich zur 45-mm-Kühlhülse nicht zwangsläufig zu höheren maximalen Durchsätzen. Bei einem BUR von 3,02 erreichen beide Kühlhülsen im Vergleich zum Referenzdurchsatz (21,1 Prozent gegenüber 21,2 Prozent) die gleiche Erhöhung des maximalen Durchsatzes, während die kürzere Kühlhülse bei einem BUR von 3,58 (9,5 Prozent gegenüber 6 Prozent) höhere Durchsätze erreicht.

Ein möglicher Erklärungsansatz für dieses Ergebnis liegt in der Blasenexpansion. Wegen der kleineren Oberfläche, die für die Wärmeübertragung genutzt wird, ist die Kühlleistung der 45-mm-Kühlhülse niedriger als diejenige der 74-mm-Version. Infolgedessen kann die Ausdehnung der Blase, sofern eine kleinere Kühlhülse verwendet wird, früher beginnen. Daher ist die konvektive Kühlung effektiver, und es kann somit eine höhere Gesamtkühlleistung erreicht werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass vereinfachte Annahmen für eine Einschätzung geeigneter Kontaktkühlhülsen für verschiedene Blasfolienanlagen oder Prozesseinstellungen nicht funktionieren. Um diese Technik für verschiedene Blasfolienanlagen zu dimensionieren, ist folglich eine Methode zur Berechnung des Kühlhülsenverhaltens für bestimmte Prozesseinstellungen erforderlich.

Simulation der Kontaktkühlung

Eine Möglichkeit zur Berechnung des Abkühlverhaltens bieten Simulationsprogramme. Für die Berechnung der Folienabkühlung sowie der Temperaturverteilung wird das am IKV entwickelte Softwaretool Sheetcoolaix, das von Aixtrusion, Arnsberg, vertrieben wird und für die Simulation des Abkühlverhaltens in der Flachfolien- und Plattenextrusion ausgelegt ist, genutzt.


Marktübersicht Extrusionsanlagen für Blasfolien


Die Abkühlberechnung des Programms basiert auf den drei Wärmeübertragungsmechanismen Wärmeleitung, Konvektion und Wärmestrahlung. Um die Kühlung und die Temperaturverteilung im Schmelzeschlauch zu simulieren, werden zunächst die geometrischen Abmessungen der Kühlhülse in eine virtuelle Kühlwalze überführt. Die Abzugsgeschwindigkeit, die Schmelzeschlauchdicke und die Schmelztemperatur werden ebenfalls in das Kühlprozessmodell integriert. Aufgrund der  Topocrom-Oberfläche muss in der Simulation jedoch eine Änderung des Wärmeüberganges berücksichtigt werden. Der Wärmeübergangskoeffizient wird in Sheetcoolaix basierend auf der Foliendicke und der Temperaturleitfähigkeit berechnet [11]. Um die Simulation an unterschiedliche Prozessbedingungen anzupassen, bietet die Software die Möglichkeit, den Wärmeübergangskoeffizienten für die Wärmeleitung zwischen der Schmelze und der Kühlwalze mit einem Skalierungsfaktor Fα manuell anzupassen. Fα wird für die Simulation kalibriert und validiert. Für die Kalibrierung wurde die Temperatur des Schmelzeschlauchs nach dem Verlassen der Kontaktkühlhülse mit einem Pyrometer gemessen.

Abbildung 3_Simulation des Temperaturprofils der Innen- sowie Außenschicht verglichen mit der Temperaturmessung am Austritt der 74 mm Kühlhülse

Abbildung 3: Simulation des Temperaturprofils der Innen- sowie Außenschicht verglichen mit der Temperaturmessung am Austritt der 74 mm Kühlhülse

Abbildung 3 zeigt die simulierte Temperatur für die Innen- sowie für die Außenschicht des Schmelzeschlauchs für eine Kühlhülsenlänge von 74 mm bei einer Kühlhülsentemperatur von 50 °C. Zudem werden die gemessenen Temperaturen der Folien nach Verlassen der Kühlhülse aufgezeigt. Die Simulation erfolgt mit einem Skalierungsfaktor von Fα = 0,75. Es ist zu erkennen, dass die Außenschicht bereits innerhalb der Kühlhülse erstarrt. Die Innenschicht der Folie weist nach dem Verlassen der Kühlhülse eine wesentlich höhere Temperatur auf, wodurch die Außenschicht durch einen Temperaturausgleich erneut aufschmilzt und so eine Ausdehnung der Blase ermöglicht.

Durch den Vergleich der Temperaturprofile bei unterschiedlichen Kühlhülsenlängen (45 mm und 74 mm) in Abbildung 4 lassen sich die Effekte für die Erhöhung des maximalen Durchsatzes bei Einsatz einer 45 mm Kühlhülse erklären. Während der Unterschied der Folientemperaturen am Austritt der Kühlhülsen nur etwa 3 °C (86 °C gegen 83 °C) beträgt, reduziert die längere Kühlfläche der 74 mm Kühlhülse die Temperatur der Außenschichten deutlich. Bei Verwendung der 45 mm Kühlhülse hat die Außenseite des Schmelzeschlauchs bei Austrittshöhe der 74 mm Kühlhülse, aufgrund von Wärmetransport der Schlauchinnenseite, bereits die Schmelztemperatur überschritten, sodass eine frühere Blasenexpansion möglich ist. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Temperatur der Außenschicht des Schmelzeschlauchs in der 74 mm Kühlhülse noch unterhalb der Schmelztemperatur.

Die längere Kühlwirkung und die erstarrte äußere Folienschicht der 74 mm Kühlhülse verhindern somit die Blasenexpansion und reduzieren, wie bereits zuvor erläutert, die Gesamtkühlleistung des Verfahrens.

Potenzial aufgezeigt

Abbildung 4_Temperaturprofile für verschiedene Kühlhülsenlängen (TM

Abbildung 4: Temperaturprofile für verschiedene Kühlhülsenlängen (TM = 180 °C)

Mit den durchgeführten Versuchen kann das Potenzial für die Verwendung einer Kontaktkühlhülse in der Blasfolienextrusion aufgezeigt werden. So lässt sich der Durchsatz der Blasfolienanlage durch die Verwendung einer Kühlhülse abhängig von den Prozesseinstellungen und bei nahezu unbeeinflussten mechanischen Eigenschaften um bis zu 21 Prozent steigern. Während die Auswirkung auf die mechanischen Kennwerte kaum sichtbar ist, steigt die Trübung der Folien um etwa 10 Prozent (absolut) an. In weiteren Untersuchungen müssen daher die optischen Folieneigenschaften durch andere Oberflächenbeschichtungen verbessert werden. Durch den Aufbau einer Simulationsumgebung lässt sich der Abkühlvorgang der Kühlhülse darstellen und ermöglicht so eine Verifizierung der Extrusionsergebnisse bei Einsatz einer Kühlhülse. Die Simulation bietet zudem die Möglichkeit, eine erste Grunddimensionierung der Hülsengeometrie bereits vor Fertigung der Kühlhülse vorzunehmen.

Das IGF-Vorhaben 17511 N und 18248 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Neben diesen Institutionen danken die Autoren auch der Firma Dow Europe, Horgen, Schweiz für die Bereitstellung der Versuchsmaterialien.

 

Literatur

 
[1] Campbell G.A., Obot N.T., Cao B.: Aerodynamics in the Blown Film Process. Polymer Engineering and Science, 1992. 32(11): p. 751-759.

 

[2] Sidiropoulos V., Vlachopoulos J.: Temperature gradients in blown film bubbles. Advances in Polymer Technology, 2005. 24(2): p. 83-90.

 

[3] Zhang Z., Lafleur P.G.: Investigation of LDPE blown film instability induced by air cooling. Polymer Engineering & Science, 2008. 48(8): p. 1504-1510.

 

[4] Bussmann M.: Ein kalibrierbares integratives Modell zur Beschreibung des Schlauchbildungsprozesses in der Blasfolienextrusion. 2010: Universität Duisburg-Essen.

 

[5] Wenigmann S.: Der Einsatz feuchter Luft zur Beeinflussung der Kühlleistung von Blasfolienextrusionsanlagen. 2011: RWTH Aachen.

 

[6] Janas, M., Fehlberg L., Wortberg J.: Numerical and experimental investigation of a counter flow cooling system for the blown film extrusion. AIP Conference Proceedings, 2014. 1593: p. 534-538.

 

[7] Ohlendorf, F.: German Patent DE102007027280 B4, 2011.

 

[8] Hopmann, C., Windeck, C., Hennigs, M.: Increased output of blown film extrusion lines by using a cooling sleeve. AIP Conference Proceedings, 2014. 1593(1): p. 111-115.
[9] Hopmann, C., et al.: Effizienzsteigerung in der Folienextrusion, in Integrative Kunststofftechnik 2014, IKV 2014, Shaker: Aachen. p. 1-40.

 

[10] Hopmann, C., Hennigs, M.: Increased throughputs in blown film extrusion by using a contact cooling sleeve. In: Proceedings of the 75th Annual Technical Conference of the Society of Plastics Engineers, Indianapolis, USA, 23.-25.05.2016, p. 783-778.

 

[11] Wenigmann, S.: Simulation der Abkühlvorgänge bei der Folien- und Plattenextrusion, Proceedings „Folienextrusion – Rohstoffe, Verarbeitung, Anwendungen“, Aachen, 2003.

Kontakt

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen,

lars.kraus@ikv.rwth-aachen.de

 

ist Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen und Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV).

Lars Kraus ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKV und verantwortlich für den Bereich Blasfolienextrusion.

war bis 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKV und verantwortlich für den Bereich Blasfolienextrusion.

ist studentische Hilfskraft am IKV.

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

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