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Aussteller und Besucher diskutierten in den Pausen die Auswirkungen der Digitalisierung. (Bild: Oliver Lange/Redaktion Plastverarbeiter)

Zwei informative Tage erlebten die rund 350 Fachbesucher, die am 22. und 23. Juni ins Bergische Land gekommen waren. 25 Vortragende, 44 Aussteller und der Besuch des Barlog-Technikums machten das Informations- und Kommunikationsforum zu einer spannenden Veranstaltung. Der rote Faden, der sich durch die Vorträge zog, war das Thema Digitalisierung. Den Hype um das Trendthema mag mancher nicht mehr nachvollziehen, doch Peter Barlog, Veranstalter der Kunststoff-Technologie-Tage, stellte in seinem Eröffnungsvortrag die Fragen, die viele Kunststoffverarbeiter umtreiben: „Jeder der sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzt, stellt fest: Da tut sich was. Aber es ist sehr schwer abzuschätzen, welchen Einfluss die Digitalisierung auf uns, die kunststoffverarbeitende Industrie, hat. Ist es eher eine Chance, Dinge besser und anders tun zu können als der Wettbewerb? Oder ist es eher ein Risiko und läuft man Gefahr, abgehängt zu werden?“

Digitalisierung verändere den Alltag eines jeden Menschen. Am Beispiel des Navigationsgeräts erklärte Barlog, wie etwas analoges – eine Straßenkarte – erst digital aufbereitet wird und dann ein zusätzlicher Nutzen – die Navigation – entsteht. Barlog weiter: „Wenn man diese Idee weiterspinnt und mit Sensoren und Bildverarbeitungssystemen verknüpft, kommt am Ende das autonom fahrende Auto heraus. Das ist ein gutes Beispiel dafür, in welchen Strukturen man denken sollte, wenn man über Industrie 4.0 spricht.“

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Peter Barlog, Geschäftsführer von Barlog Plastics, meint in den meisten kunststoffverarbeitende Unternehmen hat in vielen Teilbereichen die Digitalisierung schon lange Einzug gehalten.(Bildquelle: Oliver Lange/Redaktion Plastverarbeiter)

Digitalisierung hat schon lange Einzug gehalten

In den meisten kunststoffverarbeitenden Unternehmen habe in vielen Teilbereichen die Digitalisierung schon lange Einzug gehalten, denn die Kunden würden transparente Prozesse, kurze Reaktionszeiten und unkomplizierte Abläufe erwarten. Die Fertigung sei in den meisten Betrieben schon lange hoch automatisiert, MES, ERP- oder BDE-Systeme allgemein verbreitet und der Austausch von digitalen Daten aus CAE- und Simulationssoftware mit Kunden und externen Dienstleistern längst Alltag. Was noch fehle, sei die durchgängige digitale Prozesskette. Barlog fasste zusammen: „Vieles ist digitalisiert und einiges miteinander verknüpft, aber von einer autonom fahrenden Produktion sind wir noch weit entfernt. Die Digitalisierung wird für weitere Effizienzsteigerung in der Produktion sorgen, es fehlen jedoch immer noch Ideen für neue Geschäftsmodelle in der Kunststoffbranche.“


K2016: Produktionsvernetzung der 2. Generation

Webbrowser basierende Software als Steuerzentrale (Bildquelle: RJG)

Marktübersicht Manufacturing Execution Systeme (MES)

Diese Marktübersicht enthält die wichtigsten MES, um die Fertigung in der Kunststoff-verarbeitende Industrie zu steuern, zu überwachen und zu regeln. Im Idealfall lassen sich damit die Fertigung effizienter gestalten und das Einhalten von Terminen vereinfachen. Die in der Marktübersicht enthaltenen MES-Anbieter lassen sich beispielsweise nach Einsatzbereich, Zielsetzung oder Funktionsumfang sortieren.

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Marko Gehlen vom Kunststoff-Institut für die mittelständische Wirtschaft NRW warf in seinem Beitrag einen eher skeptischen Blick auf die sogenannte vierte industrielle Revolution. Industrie 4.0 sei eine deutsche Wortschöpfung, die so im Rest der Welt nicht verwendet werde, erklärte er. Gehlen zitierte den Autor Wolfgang Halang, der den selbstreklamierten Anspruch der vierten industriellen Revolution als „sicher vermessen und unseriös“ kritisiert. Bemerkenswert ist die Tatsache, so zitierte Gehlen weiter, dass erstmals eine industrielle Revolution ausgerufen wird, noch bevor sie stattgefunden hat. Von Reinhard Clemens von T-Systems brachte Gehlen ein weiteres Zitat: „Außer Gremienarbeit und Maßnahmenempfehlungen gibt es bisher keine konkreten Ergebnisse und kein konzentriertes Vorgehen deutscher Unternehmen in Sachen Industrie 4.0.“

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Rund 350 Fachbesucher, 25 Vortragende und 44 Aussteller sorgten für interessante Technologietage. (Bildquelle: Oliver Lange/Redaktion Plastverarbeiter)

Produktionsprozesse bewerten und verbessern

Schon die heute verfügbare Datenmenge, die in den Betrieben gesammelt werde, sei enorm. Die erste Frage bei der Digitalisierung müsse daher lauten: Welche Daten soll man überhaupt nutzen, um Produktionsprozesse bewerten und verbessern zu können? „Der wichtigste Invest ist der in die Ausbildung der Mitarbeiter. Nur wenn alle in einem Unternehmen an einem Strang ziehen, kann Industrie 4.0 funktionieren“, schließt Gehlen ab.

Karl-Heinz Land, der sich selbst als digitalen Darwinisten und Evangelisten bezeichnet, ist der Gründer der Strategie- und Transformationsberatung Neuland. Mit seinem Vortrag „Dematerialisierung: Die Neuverteilung der Welt in Zeiten des digitalen Darwinismus“ malte er das ganz große Bild der Digitalisierung. „Digitaler Darwinismus entsteht, wenn sich Technologien und die Gesellschaft schneller verändern als die Fähigkeit von Unternehmen, sich an diese Veränderungen anzupassen“, führte er aus. „Adapt or die“, damit meinte Land, wenn sich Technologie und Gesellschaft schneller verändern, als sich Unternehmen darauf einstellen, komme es zum Aussterben, so brutal wie in der Evolution. Begonnen habe es mit Unternehmen wie Kodak und Neckermann, die den digitalen Wandel schlicht verschlafen haben. Sie haben zu spät erkannt, wie dramatisch und schnell sich neue Technologien und das Kundenverhalten verändert haben.

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Karl-Heinz Land, Geschäftsführer von Neuland, behauptet die Digitalisierung hat zu einer schnellen und radikalen Veränderung der ökonomischen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen geführt. (Bildquelle: Oliver Lange/Redaktion Plastverarbeiter)

Digitale Revolution greift in alle Lebensbereiche ein

Land erklärte: „Umfassender als jeder Technologiesprung zuvor greift die digitale Revolution in alle Lebensbereiche ein, und zwar nicht über Jahrzehnte hinweg, sondern innerhalb von wenigen Jahren. Wir leben in einer Zeit, in der Technologien aus Science Fiction-Filmen längst Realität geworden ist. Selbstverständlich sind für uns heute intelligent vernetzte Eigenheime, die den Energiehaushalt selbständig regeln. Das autonom fahrende Auto, der 3D-Drucker, der ganze Häuser druckt und Industrieroboter, die durch Gestenführung programmiert werden, sind greifbar. Diese Entwicklungen haben zu einer schnellen und radikalen Veränderung der ökonomischen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen geführt, deren Folgen wir heute in Gänze noch gar nicht einschätzen und bewerten können.“

Das Internet der Dinge sei eigentlich gar kein Internet der Dinge, so Land, sondern ein Internet der Services. Es sei die Infrastruktur, die die Prosperität und den Wohlstand von morgen definieren soll. Land weiter: „Bereits 2020 werden 30 Milliarden Dinge miteinander sprechen, werden 1,9 Billionen Dollar Wertschöpfung erzielt und 80 Prozent davon werden Software und Service sein. Wer also an den 1,9 Billionen partizipieren will, muss heute in Software und in Service denken.“

Es wurden aber nicht nur Daten und Prozesse zunehmend digitalisiert und damit mobil verfügbar gemacht. Auch physisch bereitgestellte Produkte verlieren ihre Körperlichkeit. Welche nachhaltigen Auswirkungen die Dematerialisierung auf ganze Branchen haben kann, hat sich laut Land deutlich an der Musik- und Zeitungsbranche gezeigt, in die der Darwinismus bereits sehr früh seine Spuren hinterlassen habe. Und es gehe immer weiter, sagte Land. „Jetzt dematerialisieren auch die anderen Dinge: Der Ausweis, das Geld, Kreditkarten, Kinotickets, Zugtickets, Flugtickets, Münzen, aber auch der Schlüssel sind zur App geworden.“

Die komplette Wertschöpfung verändere sich, behauptete Land. „Wenn der Schlüssel zur App wird, entfällt die Produktion der Schlüssel. Brauchen wir keine Schlüsselproduktion mehr, dann fällt auch die Produktion der Maschinen, auf denen die Schüssel produziert wurden, weg. Damit fallen dann auch die Maschinen, die die Teile für die Maschinen zur Schlüsselproduktion produziert haben, weg. Es entfallen Versand und Verteilung und letztendlich natürlich auch Arbeitsplätze.“

Zum Abschluss riet Land: „Es geht bei der digitalen Transformation eines Unternehmens beileibe nicht nur um eine verändernde Unternehmenskommunikation. Sie betrifft sämtliche Funktionsbereiche vom Service über Innovationsmanagement bis hin zum Personal. Die digitale Transformation betrifft und durchdringt das ganze Unternehmen. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Dringlichkeit des Handelns. Das einzige, was Unternehmen nicht haben, ist Zeit. Alle anderen Ressourcen sind zumeist ausreichend vorhanden. Dafür muss zunächst eine Vision entwickelt werden.“

ist freier Redakteur des Plastverarbeiter.

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