Galette zum Verstrecken von Fäden.

Galette zum Verstrecken von Fäden. (Bild: Fraunhofer IAP)

Die Nachfrage nach Synthesefasern in der Textilproduktion nimmt stetig zu. Gleichzeitig entwickeln sich die Produktionsverfahren kontinuierlich weiter, wodurch sich immer höhere Kapazitäten von textilen und technischen Fasern erzielen lassen. Umso mehr steht die Frage nach Rohstoffen und möglichen Alternativen im Raum. Zusammen mit einem wachsenden ökologischen Bewusstsein, führt dies zu einem wachsenden Interesse an bio- und teilbiobasierten Kunststoffen. Insbesondere in Kombination mit dem Schmelzspinn-Prozess eröffnen sich Möglichkeiten. Die Anwendungsgebiete der Synthesefasern liegen in textilen und technischen Bereichen, wobei letzteres mit höheren Anforderungen an die Fasern verbunden ist. Dabei müssen neben größeren textil-physikalischen Kennwerten wie der Zugfestigkeit und dem E-Modul Eigenschaften, wie Temperatur- oder Chemikalienbeständigkeit ebenfalls vorhanden sein. Nur so könnten sich daraus erzeugte Textilien für Applikationen wie etwa die Heißgasfiltration eignen.
Die Produktion auf Industrieanlagen mit dem Schmelzspinnprozess bietet wirtschaftliche Vorteile, bedingt durch hohe Prozessgeschwindigkeiten von bis zu 8.000 m/min und eine verbesserte Materialeffizienz. Gleichzeitig stellt der Prozess auch Ansprüche an die thermoplastischen Kunststoffe, die erheblichen Dehn- und Abkühlraten im Spinnprozess standhalten müssen. So streckt der Vorgang beispielsweise die Filamente, die aus der Düse treten, auf das bis zu 1.000-Fache bevor die Fäden aufgespult werden. Dieses spannungsbedingte Belasten des Materials im Schmelzspinn-Prozess gepaart mit den anschließenden alltäglichen Beanspruchungen der Synthesefasern durch mechanische, thermische oder chemische Einflüsse zeigen, dass Materialhersteller vor einer komplexen Aufgabe stehen: Sie müssen die Qualität der seit vielen Jahrzehnten ausgereiften konventionellen Kunststoffe auf (teil-)biobasierter Basis erreichen und gleichwertige Alternativen präsentieren.

Rizinus- statt Erdöl

Vor dem Aufspulen streckt der Spinnprozess die Filamente, die aus der Düse treten, auf das bis zu 1.000 fache. (Bildquelle: Fraunhofer IAP)

Vor dem Aufspulen streckt der Spinnprozess die Filamente, die aus der Düse treten, auf das bis zu 1.000-Fache. (Bildquelle: Fraunhofer IAP)

Grundsätzlich existieren dafür bei den Kunststoffherstellern mehrere Herangehensweisen. Die erste ist die Drop-In-Lösung: Hierbei erzeugen die Entwickler auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Monomere. Aus diesen werden dann mittels etablierter Syntheseverfahren biobasierte Kunststoffe als strukturelle Äquivalente hergestellt. Aktuelle Beispiele sind Bio-PE und Bio-PET. Eine zum konventionellen Gegenpart identische chemische und physikalische Struktur ermöglicht dabei Verarbeitungsverhalten und -parameter, die von den erdölbasierten Äquivalenten bekannt sind.
Neben dem Drop-In-Verfahren besteht auch die Möglichkeit bestimmte Elemente im Polymersynthese-Prozess durch Elemente aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen, was zu (teil-)biobasierten Kunststoffen führt. So entstehen beispielsweise auf Basis von Sebacinsäure, die aus Rizinusöl gewonnen wird, (teil-)biobasierte Polyamide (PA), wie PA 4.10 und PA 11. Diese unterscheiden sich deutlich von der chemischen Struktur der erdölbasierten PA 6 und 6.6. Das Besondere an PA 4.10 ist der geringe Carbon Footprint [1]. Zudem nehmen die (teil-)biobasierten Polyamide bei einer relativen Luftfeuchtigkeit (RH) von 50 Prozent weniger Feuchtigkeit auf, begründet durch den höheren aliphatischen Anteil im Polymergerüst. Diese Biokunststoffe haben – wegen der abweichenden chemischen Struktur – zum Teil niedrigere Schmelz- und Glasübergangstemperaturen im Vergleich zu PA 6 und PA 6.6.
Im Jahr 2013 startete das Verbundvorhaben „Verarbeitung von biobasierten Kunststoffen und Errichtung eines Kompetenznetzwerks im Rahmen des Biopolymernetzwerks der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), Gülzow-Prüzen“. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Vorhaben über die FNR als Projektträger. Ziel des Projekts ist es, Know-how hin­­sichtlich Verarbeitungs­­parametern und -verhalten von bio- und teilbiobasierten Kunststoffen in thermoplastischen Verarbeitungstechniken zu generieren. Dabei ist innerhalb des Verbundprojekts das Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung (IAP), Potsdam, verantwortlich für das Umformen von (teil-)biobasierten Polymeren zu Multifilamentgarn auf einer industrienahen Schmelzspinnanlage. Außerdem identifiziert das IAP die Verarbeitungs-Struktur-Eigenschaftskorrelationen anhand der resultierenden textil-physikalischen Kennwerte im Zusammenhang mit den supermolekularen Strukturen der Kunststoffe.

Milchsäure-Polyester als Alternative für den Textilbereich

Das produktive Verarbeiten auf Industrieanlagen mit dem Schmelzspinnprozess bietet deutliche wirtschaftliche Vorteile bei der Herstellung von Synthesefasern. (Bildquelle: Fraunhofer IAP)

Die Produktion auf Industrieanlagen mit dem Schmelzspinn-Prozess bietet wirtschaftliche Vorteile bei der Herstellung von Synthesefasern. (Bildquelle: Fraunhofer IAP)

Im Fokus dieser Untersuchungen standen biobasierte Spinntypen, die auf Polymilchsäure (PLA) basieren, ein aus Milchsäure synthetisierter biobasierter Polyester. Die Forscher analysierten Kunststoffe vom Typ Ingeo 6201D und Ingeo 6400D von Nature Works, Minnetonka, USA, sowie das Polyamid PA 11 Rilsan Bmno TL der Firma Arkema, Colombes, Frankreich, und das teilbiobasierte Polyamid PA 4.10 Eco-Paxx Q170E von DSM, Heerlen, Niederlande. Bei der Verspinnbarkeit hatten die Materialien ein gutes Fadenbildungsverhalten im Temperaturbereich von 210 bis 240 °C. Zudem ermöglichen sie hohe Verstreckgrade bei gleichzeitiger Prozessstabilität. Mit angepassten Galettengeschwindigkeiten, Lochfördermengen und Düsengeometrien ließen sich für weite Bereiche der Filamentfeinheit textil-physikalische Kennwerte einstellen.
Bei Kennwerten wie Reißfestigkeit und Bruchdehnung zeigen die (teil-)biobasierten Polyamide ähnliche Werte wie die Spinntypen PA 6 und PA 6.6. Ein Einsatz im technischen Bereich, beispielsweise im Reifencord, erfordert allerdings zusätzlich eine hohe thermische Beständigkeit, welche sich durch die Zugabe von Additiven erreichen lässt [3]. Bei PLA-Fasern könnten Faserstrukturen, die hinsichtlich des Kristallisationsgrads und der Stereocomplex-Bildung optimiert sind, dieses Problem eventuell lösen. Eine Additivierung wie bei (teil-)biobasierten Polyamiden ist ebenfalls möglich. Die erzielten textil-physikalischen Kennwerte der PLA-Faser sowie der biogene Ursprung des Materials lassen optimistische Prognose im Bereich textiler Anwendungen zu.
Weitere Verbundpartner sind außerdem: Das Kunststoff-Zentrum, Würzburg, die Professur Strukturleichtbau und Kunststofftechnik der TU Chemnitz und das Institut für Biokunststoffe und Bio­verbundwerkstoffe der Hochschule Hannover.

Halle/Stand 07/SC01

Literaturverzeichnis

[1] http://www.dsm.com/products/ecopaxx/en_US/cases.html

[2] Herstellerangaben (Evonik, DSM, Arkema)

[3] Vortrag – A. Flachenecker (PHP Fiber) – 1. Workshop Chemiefasern „Synthesefasern nach dem Schmelzspinnverfahren“

 

 

ist Abteilungsleiter der Abteilung „Fasertechnologie“ im Forschungsbereich „Biopolymere“ am Fraunhofer IAP in Potsdam.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Fasertechnologie“ am Fraunhofer IAP in Potsdam.

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