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Das Werkzeug enthält eine imadditiven Verfahren hergestellte konturnahe Kühlung, die den Prozess verkürzt.

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Die Geometrie des Formteils wurde nach der Spritzguss-Simulation für den Prozess optimiert. Bildquelle: Alle Dufner-MDT

Im Werkzeugbau kann der Blick ins Werkzeuginnere wertvolle Informationen zur technischen Auslegung und Gestaltung liefern – vorausgesetzt, man kann die Ergebnisse, die eine  Simulationssoftware bereitstellt,  richtig interpretieren. So lässt sich im Vorfeld zur Werkzeugumsetzung schon viel Zeit und Geld sparen, weil eventuelle Risiken und Optimierungspotenziale frühzeitig erkannt werden. Gerade bei komplexen Werkzeugen lohnt sich die Investition in die Simulation. Die Simulationsergebnisse können auch dazu führen, dass nicht nur das Werkzeug verbessert werden kann, sondern dass auch eine Modifikation des Produkts infrage kommt, um zum Beispiel die Zykluszeit zu verringern.

Gerade bei Formteilen mit hohen Anforderungen ist die Herstellung von Pilotwerkzeugen das klassische Vorgehen. Das kostet aber viel Zeit und Geld. Gernot Dufner, von Dufner-Mdt, Rottweil, meint: „Das wäre an sich nicht problematisch, da diese Werkzeuge nicht selten auch zur Vorserienproduktion eingesetzt werden. Wir stellen allerdings häufig fest, dass es im Werkzeugbau nicht selten versäumt wird, bereits in der Pilotphase verschiedene Optimierungspotenziale detailliert zu analysieren.

Wenn, anders als beispielsweise bei Braunform, dann die Auslegung oder gar Bauteile für die Serienwerkzeuge übernommen werden, bleiben Möglichkeiten zur Optimierung ungenutzt.“ Der Dienstleister nutzt bei der Entwicklung von Spritzgießformen von der Konstruktion über die Simulation und die Temperierung bis zum übergreifenden Engineering die Simulationssoftware Sigmasoft Virtual Molding von Sigma Engineering, Aachen.

Was die Simulation leisten kann

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Das Werkzeug enthält eine imadditiven Verfahren hergestellte konturnahe Kühlung, die den Prozess verkürzt.

Welchen Wert hat es, wenn ein neu entwickeltes Werkzeug auf Anhieb gute Teile produziert – ohne Nacharbeiten an Kavität, Anguss oder Temperierung? Natürlich einen hohen, möchte man sagen, wenn diese Fakten sich bereits vor dem Werkzeugbau ermitteln lassen. Und genau das kann das Simulationstool leisten, so der Softwareanbieter Sigmasoft, Aachen. „First Shot Good“-Erfolge. Die Software ist in der Lage, Werkzeuge und Prozesse detailliert zu analysieren und hinsichtlich Effizienz, Produktivität und Qualität zu optimieren. Gleichzeitig lassen sich so Entwicklungszeiten, Material- und Energieverbrauch reduzieren und Probleme erkennen, bevor sie entstehen. All das läuft auf das präventive Planen des späteren Produktionsprozesses parallel zur laufenden Artikel- und Werkzeugkonstruktion hinaus.

Spritzgießer und Konstruktionsbüros, die mit der Software arbeiten, ziehen Nutzen aus der Simulation, denn die Umsetzungszeiten werden geringer, ebenso wie die Kosten für die Herstellung und Optimierung der Spritzgießwerkzeuge. Ziel ist es, die ermittelten Ergebnisse aus der umfassenden Simulation in die Realität zu übertragen und das Werkzeug so zu konstruieren, dass es von Anfang an optimale Ergebnisse liefert. Wenngleich eine Simulation den Spritzprozess noch nicht Eins zu Eins abbilden kann, liegen die Vorteile dennoch auf der Hand. Wichtige Entscheidungen können vor der Konstruktion und dem Bau getroffen werden.

Rechnen und Ergebnisse richtig interpretieren

Für Gernot Dufner gibt es in dieser Frage keinen Zweifel: „Unser Anspruch liegt nicht darin, seitenweise bunte Bilder zu generieren, die letztlich abgelegt und vergessen werden, sondern darin, zu erfahren, was im Werkzeuginneren geschieht und, weitaus wichtiger, warum diese Ergebnisse so sind, wie sie sind. Also Antworten auf die Fragen nach dem Warum des Spritzvorganges zu finden. Das ist für unsere Kunden heute ein eminent wichtiger Faktor für effizientes und nachhaltiges Arbeiten. Was passiert warum beim Füllen der Kavitäten, was während der Nachdruckphase, was beim Abkühlen. Wir können diese Prozesse gezielt und detailliert analysieren sowie wichtige Einflussfaktoren ermitteln – und das, ohne ein Werkzeug physisch bauen zu müssen.“

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Die Verlaufskurven des Wärmestroms (in Kilowatt) der vier Temperierkreis AS, DS, Schieber 1 (SI1) und Schieber 2 (SI2). Der Wärmestrom steigt mit einer zeitlichen Verzögerung nach dem Einspritzen an, da die Wärme zuerst durch den Stahl der Werkzeugbauteile hin zum Kühlkanal strömen muss, um dort abgeführt zu werden.

Weitaus wichtiger ist nach Ansicht von Gernot Dufner jedoch, dass sich darüber hinaus generalisierbares Wissen aus diesen Feststellungen ziehen lässt. Die Daten lassen die Projektbeteiligten mehr über die Prinzipien des Spritzgusses lernen, die Erkenntnisse sich auch auf andere Fälle übertragen und vom konkreten Projekt auf die generelle Arbeitsweise zurückschließen. Werden die Erkenntnisse für die Kunden auch in diese Richtung aufbereitet, können Betriebe lernen, besser werden und sich so einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten oder weiter ausbauen. Simulation hat neben dem Basisanspruch, als Entscheidungshilfe Korrekturschleifen zu verringern und Validierungen nicht mehr extern, sondern im Haus durchführen zu können, viele weitere positive Nebeneffekte, die sich nutzen lassen. Vorausgesetzt, man ist über die Simulation und das aufgebaute Know-how umfassend in der Lage, dem Verarbeiter zu helfen. „Das fängt damit an“ so Gernot Dufner, „ehrlich zu sein.

Bei der Simulation von Spritzgießprozessen gibt es gewisse Unschärfen, die eine kritische Betrachtung der Ergebnisse erfordern. Bei komplexen Formteilen und Werkzeugen ist es in vielen Fällen nicht möglich, zu erkennen, ob Berechnungsergebnisse plausibel sind oder nicht. Es gibt eine Vielzahl an Einflussfaktoren, die sich bei kleinsten Schwankungen teilweise erheblich auf das Ergebnis auswirken können. Deshalb ist es so wichtig, die Basisfaktoren zu betrachten, da sich durch diese offenbart, ob bestimmte Ergebnisse plausibel sind oder nicht. Dazu bedarf es neben einer leistungsfähigen Softwarelösung und fundierter Erfahrung eines engen Dialogs mit den Fachbereichen auf Kundenseite.“ Hinzu komme das Bestreben, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich nicht mit den erstbesten Antworten zufrieden zu geben, meint der Simulationsexperte Dufner. „So bekommen Ergebnisbesprechungen Seminarcharakter. Oftmals sind weitere Analysen zu einem Projekt dann gar nicht mehr nötig, weil die besondere Charakteristik eines Spritzteils durch die Simulation deutlich wird und Modifikationen sowie deren Wirkung abstrahiert werden können.“

Wirksamkeitsprüfung der Temperierung

Dufner-MDT und Braunform, Bahlingen am Kaiserstuhl, arbeiten bereits seit über zehn Jahren eng bei Auslegung und Konstruktion von Spritzgießwerkzeugen zusammen. Inzwischen können die beiden Partner auf zahlreiche gemeinsame Projekte zurückblicken. Bei einem Projekt ging es um die Prüfung der Wirksamkeit der Werkzeugtemperierung. Im Zuge der Konstruktion für zwei Schwesterwerkzeuge kamen Zweifel auf, ob die angestrebte Zykluszeit erreichbar sein könnte. In der Angebotsphase für diese Werkzeuge wurde die gewünschte Zykluszeit des Verarbeiters überprüft und für machbar befunden. „Die geometrischen Verhältnisse und thermodynamischen Vorgänge waren allerdings schlicht zu komplex, um dies bei diesem Projekt ohne numerische Verfahren ausreichend genau berechnen zu können“, beschreibt Dufner die Situation. Das Werkzeug war außerordentlich komplex mit einer aufwendigen Segmentierung. Dies kam aufgrund hoher Genauigkeitsanforderungen bei der Herstellung sowie der Anforderungen an die Entlüftung zustande.

Bei einer Besprechung der gesamten Kavitätengruppe wurde auch die angestrebte Zykluszeit thematisiert. Dufner dazu: „Im Zuge der Besprechung kamen letztlich doch erhebliche Zweifel auf, ob diese Zykluszeit machbar sei.“ Die sehr aufwendige Segmentierung ließ eine intensive Temperierung in einigen sehr eng tolerierten Bereichen nicht zu. Im weiteren Verlauf wurden verschiedene Alternativen besprochen. Allerdings wurde schnell deutlich, dass keine Möglichkeit bestand, die Temperierung nachträglich zu ändern oder zu optimieren. „Wir könnten die gesamte Einsatzgruppe mit Sigmasoft thermisch analysieren und dann sehen wo wir stehen“, schlug Gernot Dufner als weitere Vorgehensweise vor.

Das Formteil und die Werkzeugbauteile wurden mit Hilfe einer Prozesssimulation analysiert. 3D-Temperierkanalgeometrie, die 3D-Geometrie der Formeinsätze, Schieber, Auswerfer sowie die wichtigsten Formplatten wurden in die Analyse einbezogen, um einen Berechnungslauf über mehrere Zyklen durchführen zu können. Dazu wurden die Werkzeugbewegungen ebenso zeitlich definiert wie auch die verschiedenen Stähle, die Wärmeübergangskoeffizienten zwischen Spritzteil und Formgeometrie sowie den Formkomponenten untereinander. Danach wurden thermische Berechnungen zum Aufheizen der Form und des Prozesses über mehrere Zyklen durchgeführt, um die quasistationäre Temperaturverteilung des Werkzeugs, auf die es sich nach einer bestimmten Betriebsdauer einstellt, zu ermitteln. Hinzu kamen noch die Berechnung der Formfüllung, der Nachdruckphase, der Formteilabkühlung, der Schwindung und des Verzugs.

Ergebnisse der Simulation zunächst nicht zufriedenstellend

Die Ergebnisse zeigten, dass die angestrebte Zykluszeit nicht erreichbar war, da bestimmte Wandstärken und Wandungsübergänge ein schlechtes Abkühlverhalten zeigten. Die aus der Simulation resultierende, also machbare Zykluszeit lag ganze acht Sekunden über der anvisierten. Somit war die Wirtschaftlichkeit des Werkzeugs und auch die des Schwesterwerkzeugs mit einer Geometrievariante nicht gegeben. „Die Skepsis war zunächst groß, da auch die Abweichung von der angestrebten Zeit sehr groß war“, betont der Dienstleister Dufner. „Es konnte jedoch mit Hilfe der Simulation dargelegt werden, dass die vorherrschenden Wärmeströme aufgrund der komplexen Formteil- und Werkzeuggeometrie in den kühlzeitbestimmenden Regionen negativ beeinflusst wurden. Vereinfacht gesagt war es so, als würde man einen Fluss durch Steine und Baumstämme blockieren, während ein Nebenfluss in den Hauptstrom fließt.“

Die Werkzeugtemperierung war durch gelötete Temperierkanäle jedoch ideal ausgelegt, was sich durch die gleichmäßige Temperaturverteilung auf Sollniveau zeigte. Gleichzeitig waren Variationen der Temperierung, um die Wärmeströme alternativ zu leiten, nicht effektiv genug. „Daraufhin war klar“, so Dufner weiter, „dass werkzeugseitig kein Optimierungspotenzial vorhanden war. Die einzige Ausnahme bildete ein Kern, der einen sehr genauen Durchmesser einformte und sich wider Erwarten auf relativ hoher Temperatur einpendelte. Wir mussten also die Artikelgeometrie in den Fokus rücken und diese modifizieren.“

Im Rahmen einer Webkonferenz mit allen Projektbeteiligten, dem Dienstleister Dufner-MDT, dem Werkzeugbauer Braunform, und dem Kunststoffverarbeiter Wild & Küpfer, Schmerikon, Schweiz, wurden basierend auf den Berechnungsergebnissen Artikelmodifikationen beschlossen, samt Anpassung der Werkzeugkonstruktion umgesetzt und durch eine weitere Berechnung validiert.

Zykluszeit reduziert

Im Zuge dessen wurde auch der kritische Formkern so modifiziert, dass er lasergenerativ hergestellt und mit einer Kühlung versehen wurde, die so mit anderen Verfahren nicht möglich gewesen wäre. Mit diesen Maßnahmen konnte die Zykluszeit um 7,5 s reduziert und der Verzug minimiert werden. Aufgrund der geringeren Gesamtwärmemenge und durch veränderte Wärmeströme, die sich in den neuen Berechnungsergebnissen zeigten, kühlten auch benachbarte Regionen besser ab. Bei der Bemusterung und späteren Produktion des Werkzeugs lag die tatsächliche Zykluszeit leicht unter der berechneten. Dies zeigt, wie genau die Simulation bei belastbaren Ausgangsdaten an die Wirklichkeit herankommt. Das reale Werkzeug lief auf Anhieb prozessstabil und es war nur eine Korrekturschleife erforderlich, bei der die vorgehaltenen Maße korrigiert wurden.

Komplexität mit Simulation beherrschen

aufgrund der enormen Komplexität der Einsatz- und Kerngeometrien sowie deren aufwendiger Segmentierung wäre es nachträglich nur mit erheblichem Kosten- und Zeitaufwand möglich gewesen, die Formkontur und somit bestimmte Formteilwandstärken zu optimieren. Laut Gernot Dufner hätten „diese Kosten die für die zweifache Simulation und den Änderungsaufwand in der Konstruktion bei Weitem überstiegen. Ganz zu schweigen von den Verzögerungen bis Produktionsstart.“

Die Investition in eine Simulationslösung scheint sich zu lohnen, doch Gernot Dufner warnt: „Die Anschaffungs- und vor allem Wartungskosten für ein System dieser Leistungsklasse und der entsprechenden Peripherie samt Mitarbeiter sind nicht unerheblich. Es gibt viele Betriebe, in denen der Gesamtaufwand den Nutzen übersteigt. Bei Aufgaben, die außerhalb des gewohnten Terrains liegen, wird es umso wichtiger, den Punkt zu erkennen, wo Unterstützung sinnvoll ist und wir als Dienstleister unseren Beitrag erbringen können.“

ist Inhaber von Ubcom Kommunikationsmanagement in Bad Endbach.

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