Entwicklung eines Kühlergrills aus Styrolkunststoff

Nachdem im Kühlergrill ABS und
ASA- Kunststoffe erfolgreich
eingesetzt wurden, hat sich VW
entschlossen, weitere Außenbauteile aus diesen Werkstoffen
zu fertigen. (Bild: VW)

Um Trends in der Fahrzeugentwicklung umzusetzen, werden immer wieder neue Materialien wie beispielsweise gewichtssparende Werkstoffe benötigt. Nichtsdestotrotz dürfen Faktoren wie Ästhetik, Leistung, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit durch den verstärkten Einsatz neuer Materialien nicht unberücksichtigt bleiben. Materiallieferanten spielen eine bedeutende Rolle für die Umsetzung innovativer Designs in der Automobilindustrie, die oft übersehen wird.

Den kreativen Designern von brillant konstruierten Autos wird häufig die Anerkennung zuteil, aber ohne die Bereitstellung entsprechender Materialen durch die Materialzulieferer, würde die Realisierung vieler Ideen scheitern. Für Volkswagen (VW), Wolfsburg, und Komponenten-Zulieferer Sole, Oderzo, Italien, ist die zentrale Rolle von Materiallieferanten für die Umsetzung innovativer Ideen im Fahrzeugdesign nicht neu. Für die Neugestaltung des VW Golf VII Kühlergrills arbeiteten sie daher mit Styrolution, einem Anbieter von Styrolkunststoffen, zusammen.

Einen Klassiker durch maßgeschneiderte Lösungen neu erfinden

Der VW Golf ist der Klassiker von Volkswagen. 1974 erstmalig in die Produktion gegangen, hat der Golf generationenübergreifenden Kultstatus erreicht. Im Laufe der Zeit sind die Ansprüche der Verbraucher gestiegen.

Sie fordern leichte, geräumige und langlebige Autos, die dennoch höchste ästhetische Ansprüche erfüllen. Für das Design der siebten Golfgeneration hat VW daher die Verwendung diverser bislang eingesetzter Materialien überprüft.

Eine dieser Komponenten war der vordere Kühlergrill, da VW seit den 1980er Jahren die gleichen Materialen für das Außenanbauteil verwendete. Gemeinsam mit Sole wurden Überlegungen angestellt, den Kühlergrill mittels eines leichten, kostengünstigen Kunststoffs zu optimieren, ohne auf Ästhetik, Haltbarkeit und Leistung zu verzichten. Der neue Materialanbieter Styrolution war in der Lage, entsprechende Kunststoffe zu produzieren, sowie gleichzeitig technische Unterstützung und Expertise in der Entwicklung maßgeschneiderter Produkte zu bieten.

Ziel war es, dauerhaft ansehnliche und langlebige VW Golf-Komponenten zu entwickeln. Die zuvor im Einsatz befindlichen Materialien im Kühlergrill büßten häufig im Laufe der Jahre Farbe und Glanz ein, da sie ständig der Sonne und der Witterung ausgesetzt waren. Daher arbeiteten Styrolution und VW in dem gemeinsamen Innovationsprozess daran, die UV-Stabilität zu gewährleisteten und die Kunststoffe so anzupassen, dass die brillanten Farben und der Glanz erhalten bleiben.

Gemeinsamer Innovationsprozess

Das Rohstoffunternehmen mit Fokus auf Styrolmonomer, Polystyrol, ABS Standard und Spezialitäten entwickelt eine Vielzahl an Materialien, die neue Anwendungen ermöglichen. Styrol-Kunststoffe sind in den Innen- und Außenbereichen von Fahrzeugen der weltweit größten Automobilproduzenten zu finden. Um die Entwicklung der optimalen Materiallösung  für VW zu gewährleisten, wurden technische Analysen zur Anwendung und Materialleistung durchgeführt. Nachdem die wichtigsten Nutzenversprechen definiert waren, folgten Testversuche mit technischer Unterstützung von VW und Sole. Die Kunststoffexperten erstellten daraufhin eine Versuchsmatrix in Kooperation mit den Partnern, die erfolgreich getestet wurde.

Ein enger Austausch wie im Falle dieser Kooperation wird bei Styrolution unter dem „Collaborative Innovation“-Prozess zusammengefasst und ist Teil der Unternehmensphilosophie. Das neue Material für den Kühlergrill sollte UV-Stabilität gewährleisten sowie langlebig und wirtschaftlich sein. Basierend auf diesen Anforderungen wurden drei Polymere für die Entwicklung des Kühlergrills für den Golf VII ausgewählt.

Wertschöpfung durch Styrol-Kunststoffe

Für das VW-Logo, das sich auf dem unteren Teil des Kühlergrills befindet, wurde Novodur P2MC verwendet, ein Spritzgusstyp, der eine hohe Fließfähigkeit bietet. Novodur ist ein Acrylonitril-Butadien-Styrol (ABS)-spezial-Copolymere. Die Produktlinie enthält Typen mit einer gut ausgewogenen Mischung an Eigenschaften für das Spritzgießen, einschließlich guter Schlagzähigkeit, Dimensionsstabilität und Wärmeformbeständigkeit. Die einfache Verarbeitbarkeit und ästhetisch-farbenprächtige Beschaffenheit der Oberfläche eigneten sich optimal als Materiallösung und ermöglichte VW, dem Logo das Aussehen von Chrom zu verleihen. Der Werkstoff bietet nach dem Beschichten eine hochwertigere Oberflächenbeschaffenheit, ist leichter und kostengünstiger als Chrom. Problemlos hat das ausgewählte Material aufgrund der Festigkeit und Haltbarkeit alle erforderlichen Leistungs- und Qualitätstests bestanden.

Die beschichteten Komponenten, das Logo und die untere Stange des vorderen Kühlergrills wurden in den Varianten lackiert und unlackiert entwickelt. Zu diesem Zweck wurden zwei verschiedene Materialien verwendet. Für die lackierte Version des Kühlergrills wurde Novodur H702 eingesetzt. Dieser Typ ist ein High-Heat-Spritzgusstyp mit hohem Glanz und sehr guten Fließeigenschaften, die die hohen Stabilitätsanforderungen von VW für thermisch beanspruchte Bauteile erfüllen. Die enormen hitzebeständigen Eigenschaften dieser Klasse, verbunden mit hoher Schlagfestigkeit und Stabilität, machten das ABS für VW zum Material der Wahl für die Anwendung.

Für die unlackierte Version des Kühlergrills wurde Luran S SPF30 778T, ein Styrol-Acrylonitril-Copolymere (ASA), verwendet. Das eingesetzte ASA ist ein Thermoplast für Spritzgießverfahren mit verbesserter Wärmebeständigkeit und guter Chemikalienresistenz. Die Kunststoffe zeichnen sich aus durch Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse, hohe Alterungsstabilität, Farbechtheit und Oberflächenqualität für bereits eingefärbte Außenanwendungen. Dadurch eignet sich ASA für Bauteile, die Regen, Wind und Wetter ausgesetzt sind und eine besondere Langzeitbeständigkeit aufweisen müssen.

Die Anwendung des SPF 30 Pakets erhält, im Vergleich zu anderen Materialien, Glanz und Farbtonbeständigkeit (UV-Stabilität) für deutlich längere Zeiträume. Darüber hinaus ergraut und vergilbt das Material nicht in Folge von Sonneneinstrahlung, sondern brillante Farben und Glanz bleiben erhalten. Außerdem lassen sich durch den Wegfall des Lackierungsprozesses Kosten sparen.

In Zukunft mehr Kunststoff bei VW

Die Partnerschaft zwischen VW und dem Materiallieferanten wurde nach der Markteinführung des Golf VII im Herbst 2012 erfolgreich fortgesetzt. Nachdem 2011 Luran S SPF30 bei VW eingeführt wurde, kündigte die Einkaufsabteilung des Unternehmens den Einsatz des qualitativ hochwertigen Materials ASA für alle Außenanbauteile an. Das Material ist Bestandteil von unlackierten Kühlergrillen, Spoilern, Fensterrahmen, Windläufen, Lufteinlässen und Kühlergrillen von VW-Transportern. Darüber hinaus stellt Novodur P2MC für VW das Material der Wahl für Chrom beschichtete Anwendungen im Außen- und Innenraumbereich dar. Durch den Einsatz der Kunststoffe konnten Kosten eingespart und Gewicht reduziert werden. Die Partnerschaft unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit von Materialherstellern, -zuliefern und -entwicklern, denn nur gemeinsam werden neue Materialien in der Automobilindustrie entwickelt und dadurch die Trends der Zukunft gesetzt.

 

Autor

Pierre Juan

ist Global Vice President Automotive bei Styrolution, Frankfurt am Main.

 

 

Kunststoff machts möglich

Panton Chair aus Acrylester-Styrol-Acrylnitril

Der Dänen Verner Panton entwarf den ersten Monoblock-Freischwinger aus dem Styrocopolymer Acrylester-Styrol-Acrylnitril (ASA). Bereits 1955 entstand als Teil eines ganzen Möbelprogramms ein S-förmiger Stuhl aus durchgängig geformtem Schichtholz in geschwungener Kontur. Doch Panton war fasziniert von den Möglichkeiten der neuen Kunststoffe, die dem Gestalter nur wenig materialbedingte Formen aufzwangen und preiswerte Produkte erwarten ließen. Daraus enstand der weltbrühmte Panton Chair. Das Besondere daran war neben dem ausgefallenen Design, dass der Stuhl aus einem einzigen geformten Stück Kunststoff bestand. Der Designer arbeitete mit dem Möbelhersteller Vitra in Basel sowie dem Chemieunternehmen Bayer zusammen und produzierte 1968 den Stuhl aus Polyurethan-Hartschaum Baydur in Serie.

1970 ersetzte Vitra die aufwendige Herstellungstechnik, bei der die Fertigungsdauer 30 Minuten pro Stück betrug, durch den Thermoplast- Spritzguss. Das durchgefärbte Granulat Luran-S der BASF erforderte werkstoffbedingte Verstärkungen des Randprofils und Verstärkungsrippen unterhalb des Sitzes. Das Material hielt jedoch auf Dauer den dynamischen Beanspruchungen nicht stand und Vitra stellte 1979 die Produktion ein. Die Lizenz ging zurück an Verner Panton, der den Stuhl ab 1983 wieder in Hartschaum bei Horn in Rudersberg fertigen und bis Ende der 80er Jahre über den WK Verband vertreiben ließ. Seit 1990 ist der Panton-Chair in Hartschaum als Reedition wieder bei Vitra im Programm. Auf Grundlage einer verfeinerten Spritzgusstechnik entwickelte der Möbelhersteller Ender der 1990er Jahre gemeinsam mit Verner Panton zusätzlich eine vierte Version des Stuhls aus verstärktem Polypropylen.

Quelle: www.design-museum.de, Mathias Remmele: Verner Panton – Das Gesamtwerk, Weil am Rhein 2000

 

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