Endlosfaserverstärkte thermoplastische Composite in Serienanwendung für Audi

Der neue Audi TT mit 2.0 TFSI‑Motor wiegt 1.230 Kilogramm. Das sind rund 50 Kilogramm weniger als sein Vorgängermodell, der bereits beim ersten Modellwechsel 2006 bis zu 90
Kilogramm Gewicht verloren hatte. (Bild: Audi)

Die Hybridbauweise mit endlosfaserverstärkten Polyamid-Composites spart im Leichtbau von Automobilen Gewicht ein. Wie ein Infotainmenthalter zeigt, den die Audi, Lanxess, KraussMaffei Technologies und der Modell- und Formenbauer Christian Karl Siebenwurst zur Serienreife entwickelt haben. „Der Prototyp ist gegenüber einer vergleichbaren Stahlkomponente fast um die Hälfte leichter, lässt sich leichter montieren und kann in einem großserientauglichen Prozess gefertigt werden“, so der Konstruktionsexperte Ulrich Dajek von Lanxess.

Umformen und Überspritzen in einem Werkzeug

Das Bauteil entsteht in einem One Shot-Prozess in nur einem Werkzeug. Zum Einsatz kommen dabei zwei Einleger aus dem Polyamid 6-Composite Tepex dynalite 102-RG600(2)/47% von Bond-Laminates. Sie werden erwärmt, im Spritzgießwerkzeug umgeformt und direkt mit dem leichtfließenden Polyamid 6 Durethan BKV 30 EF H2.0 überspritzt. Der One Shot-Prozess wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes Spriform entwickelt.

Hohe Festigkeit und Steifigkeit

Der Infotainmenthalter trägt einen Verstärker und optional einen TV-Tuner. Das Gewicht der montierten Geräte kann im Fahrbetrieb – besonders im Eigenschwingbereich – zu beträchtlichen Spannungen führen. Das gilt vor allem im Bereich der Anbindungspunkte zur Karosserie und den Anbauteilen. Diese Bereiche sind deshalb mit Tepex verstärkt und so ausgelegt, dass der Kraftfluss zwischen Krafteinleitungspunkten hauptsächlich über die Endlosfasern des Composite-Materials stattfindet. „Dies steigert die mechanische Performance des Trägerbauteils beträchtlich. Das Ergebnis ist eine sehr hohe Festigkeit im Bereich der Anbindungspunkte“, so Dajek.

Das Prototypbauteil ist das Ergebnis einer frühen und engen Zusammenarbeit der „Entwicklung Package Steuergeräte“ und der „Technologieentwicklung Faserverstärkte Kunststoffe“ von Audi mit den externen Partnern. Audi war für die Lastenheftanforderungen, die Bauteilkonstruktion und die Bauteilerprobung verantwortlich. Lanxess und Bond-Laminates haben in dem Gemeinschaftsprojekt unter anderem das Bauteil belastungsgerecht ausgelegt und strukturmechanische und prozesstechnische Analysen durchgeführt. „Dabei haben wir von vornherein die prozesstechnischen Besonderheiten der Verarbeitung von Tepex berücksichtigt“, so Dajek. So hat der Rohstoffhersteller das Umformen der aufgeheizten Composite-Einleger simuliert und daraus den passgenauen Zuschnitt der Einleger abgeleitet.

Nacharbeitsfreies Bauteil

„Ein besonderes Augenmerk musste dabei auf die Positionierung der Composite-Einleger im Werkzeug gelegt werden, weil dadurch das Umformen stark beeinflusst wird“, so Dajek. „Letztlich wurde sichergestellt, dass nach dem Überspritzen ein nacharbeitsfreies Bauteil entsteht.“ Außerdem dienten die Ergebnisse aus der Umformsimulation der Strukturanalyse. Die lokal unterschiedlichen Faserorientierungen im verformten Composite-Einleger können so in der Bauteilsimulation berücksichtigt werden.

Vollautomatisierte Fertigung

Dem Maschinenbauunternehmen in der Entwicklungspartnschaft gelang es, eine Produktionszelle zu entwickeln, die eine vollautomatische Fertigung des Infotainmenthalters in einer Zykluszeit von weniger als 60 Sekunden erlaubt. So erfolgt das Handling der aufgeheizten Composite-Einleger trotz sehr geringer Transferzeiten äußerst reproduzierbar über einen Linearroboter mit einem speziellen Greifer.

Vom Werkzeugbauer wurde das Werkzeug so konstruiert, dass spezielle Haltestifte die aufgeheizten Einleger exakt im Werkzeug positionieren. Die Löcher für die Verschraubungsaugen werden nach dem Umformen gewebeschonend gestochen, also nicht nachträglich gestanzt. Dadurch werden die Glasfasern im Composite-Einleger nicht durchtrennt, sondern in optimaler Weise verdrängt, so dass die mechanischen Eigenschaften im hochbelasteten Bereich der Anbindungspunkte erhalten bleiben und teilweise sogar verbessert werden.

Der Rohstoffhersteller erwartet für den Verbundwerkstoff weitere Anwendungen in Strukturbauteilen, die als Trägerkomponenten im Automobil ausgelegt sind. „Wir denken zum Beispiel an Halter für vormontierte elektrische und elektronische Module in Elektrofahrzeugen“, erklärte Dajek.

 

Autor

Udo Erbstößer
ist Pressesprecher Fachmedien bei
Lanxess, Köln.
udo.erbstoesser@lanxess.com

 

Fakuma 2014: Halle/Stand B4/4209

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