Juli 2014

Fenster- und Türprofile sind heute ausgefeilte Multifunktionsbauelemente für den Hausbau und die Gebäudetechnik. Seit mehr als 35 Jahren werden Fensterprofile aus PVC gefertigt. Kunststofffenster haben heute einen Marktanteil von etwa 60 Prozent. Dieser Siegeszug kommt nicht von ungefähr. Wie auch in anderen Anwendungen ersetzt hier Kunststoff andere Werkstoffe wie Aluminium oder Holz aufgrund seiner spezifischen Langlebigkeit und einem minimalen Reinigungs- und Instandhaltungsaufwand. Die Variabilität der Oberflächen von Kunststoffprofilen kommt dem Trend zu mehr Individualität entgegen. Allgemein schützen Kunststoffe im Bauwesen vor Hitze, Schall und vor allem gegen Kälte. Sie senken so den Energiebedarf und damit auch den Ausstoß von Kohlendioxid.

Etwa 20 bis 25 Prozent des in Deutschland und Europa verbrauchten Kunststoffs gehen in den Hoch- und Tiefbau. Das Material wird unter anderem als Fensterprofil, Kabelkanal, Dacheindeckung, Leitungsrohr, Dichtungsbahn, Bodenbelag oder Dämmstoff verarbeitet, so die Einschätzung von Plastics Europe, Frankfurt. Damit liegt die Bauindustrie – bezogen auf den Kunststoffverbrauch – nach der Verpackungsindustrie an zweiter Stelle. Den weitaus größten Anteil daran hat PVC, gefolgt von PE-HD sowie PS-E. Diese Rangfolge spiegelt sich so auch in der Menge der produzierten Bauteile wider. Etwa zwei Drittel der Halbzeuge sind Profile, etwa ein Viertel Rohre und knapp dahinter Dämmungen und Isolierungen.

Anforderungen an Profile steigen

Unter anderem die EnEV, deren aktuelle Neufassung am
1. Mai 2014 in Kraft getreten ist, hat dafür gesorgt, dass sich die Anforderungen an die Wärmedämmung der Fenster weiter verschärft haben. Außerdem sind die Endverbraucher ein nicht zu unterschätzender Innovationstreiber. Neue Produkte und Prozesse entstehen durch die steigende Nachfrage nach großen Fensterelementen, individuellen Farben und Formen sowie durch eine erhöhte Erwartungshaltung an Preis-Leistung und Optik.

Bei PVC-Fensterprofilen handelt es sich immer um Mehrkammerprofile. „Historisch waren es Zweikammerprofile. Heute haben wir Profile mit 7, 8 und mehr Kammern bei Bautiefen bis zu 100 mm und tiefer“, beschreibt Dr. Günter Nawroth, beim SKZ, Würzburg, verantwortlich für den Bereich Produktqualität, den Stand der Technik. „Im Hinblick auf die Verbesserung der Wärmedämmung sind aber der Kammeranzahl aus physikalischer Sicht Grenzen gesetzt“, schränkt er ein. „Für bessere Wärmedämmung und damit verbesserte U-Werte sorgen deswegen heute intelligente Profilgeometrien mit kleineren Bautiefen und das Ausschäumen der Profilkammern mit einem speziellen PUR-Schaum“, ergänzt Carsten Schäfer, Sales Operation Manager bei Aluplast, Karlsruhe. Dank neuer Werkstoffkombinationen und der Klebetechnologie könne heute im Inneren der Profile auf Stahlarmierungen verzichtet werden. Schäfer weiter: „Mit dem Stahl fällt ein Wärmeleiter weg. Nebenbei ergibt sich so auch eine beträchtliche Gewichtseinsparung.“

Für FVK fehlt (noch) der Recycling-Kreislauf

Der Stahl im Profil dient zum Stabilisieren bei der Aufnahme von statischen und dynamischen Wechsellasten, insbesondere bei Flügelprofilen. Um auf ihn verzichten zu können, setzen Profil-Hersteller auf einextrudierte Aluminiumstege oder – je nach Anwendung – auch auf das direkte Verkleben der Isolierverglasungen mit den PVC-Fensterprofilen. Daneben verwenden einige Profilhersteller mittlerweile glasfaserverstärkte Materialien, um die gewünschte Stabilität der Profile auch ohne Stahlarmierung zu erreichen. Diese Werkstoffe bringen außerdem weitere Gewichts-einsparungen mit sich. Doch ihre flächendeckende Markteinführung ist von der Einrichtung einer Branchenlösung abhängig, die das Recycling dieser Profilabschnitte und später auch der ausgebauten Fenster sicherstellen kann.

Noch zeichnet sich hier keine gangbare Lösung ab, obwohl offensichtlich die Zeit drängt. Denn neben den Profilen kommen diese Materialien auch bei Rollladen-Profilen, Bodenschwellen, speziellen Armierungen und anderen Bauteilen zum Einsatz. Die Bedeutung einer solchen flächendeckenden Recycling-Lösung ergibt sich zwingend aus den Erfahrungen, die die Branche vor etwas mehr als zehn Jahren mit dem Werkstoff PVC gemacht hat.

PVC-Recycling – eine Erfolgsgeschichte

Das Material PVC für Profile bei Fenstern und Rollläden war und ist aus umwelttechnischen Gesichtspunkten umstritten. Vor zwölf Jahren schlossen sich daher führende deutsche Kunststoffprofilhersteller zu einer gemeinsamen Initiative unter dem Namen Rewindo zusammen. Deren Ziel war, die Recyclingquote ausgebauter Fenster, Rollladen und Türen aus Kunststoff zu erhöhen und ressourceneffizientes Wirtschaften zu fördern. Die Idee mauserte sich zur Erfolgsgeschichte: 2013 wurden über 22.000 Tonnen PVC-Rezyklat aus Post-Consumer Profilen wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Konsequenterweise hat sich auch der Anteil an Rezyklat in den Fensterprofilen deutlich erhöht. Knapp 80.000 Tonnen werden von den Profilherstellern direkt wieder verwendet, sodass die Menge an rezykliertem PVC 2012 und 2013 erstmals über die 100.000 Tonnen-Marke sprang.

„Für den Einsatz von PVC-Recyclingmaterial gelten strenge technische Regeln, um eine Gleichwertigkeit zu Profilen aus 100 Prozent Frischmaterial sicherzustellen“, betont Dr. Nawroth. Dies ist unabdingbar, denn in dieser Branche steht und fällt der Erfolg des Werkstoffkreislaufs mit der Akzeptanz durch den Endverbraucher. „Je nach Profiltyp und -geometrie liegt der Recyclinganteil heute zwischen 30 und 100 Prozent“, berichtet Schäfer aus der Praxis seiner Profilproduktion. Dabei zählen nicht nur die ökologischen Vorteile, sondern es ergeben sich auch Kostenvorteile für die Produktion – nicht unwichtig in Zeiten erhöhten Konkurrenzdrucks.

Stand der Technik: Co-Extrusion

Ein höherer Rezyklat-Anteil, geringere Materialkosten durch Füllstoffe, kurzfaserverstärktes PVC oder langglasfaserverstärkte Kunststoffe, dünnwandigere Profile – Anforderungen, die auch die Fähigkeiten und Bauweisen der Extrudertechnologie verändern. Beim Einsatz von Rezyklat entstehen auf der Maschinenseite höhere Kosten durch die teurere Co-Extrusion und durch eine sorgfältige Aufbereitung. Letzteres allerdings nur eingeschränkt, denn wenn es sich nicht um eigene Produktionsabfälle handelt, so übernimmt die Initiative zur Wiederverwertung von Alt-PVC das Aufbereiten der Post-Consumer-Abfälle. Als Co-Extrusion bezeichnet man das Zusammenführen zweier Kunststoffschmelzen vor dem Verlassen der Profildüse – in diesem Fall zum Beispiel von Frischware und Recyclingmaterial, heute in der PVC-Profilherstellung bereits State-of-the Art.

Dennoch: „Beim Einsatz von Rezyklaten spielen immer wieder die Druckstabilität bei hohen Ausstößen der Co-Extruder, die Qualität der Rezyklate, und damit verbunden der im Prozess auftretende Verschleiß sowie die räumlichen Verhältnisse in den vorhandenen Fertigungshallen eine nicht zu unterschätzende Rolle“, so
Peter Oswald, Leiter des Produktmanagements bei Krauss Maffei Berstorff, München. Sind die Platzverhältnisse beengt, bieten sich Huckepack-Lösungen der verschiedenen Extruder an, die von einigen Maschinenherstellern angeboten werden.

Individualität heißt Flexibilität in der Produktion

Die Co-Extrusion eignet sich neben dem kombinierten Verarbeiten von PVC und PVC-Rezyklat auch zum kontinuierlichen Auftrag von Dichtungen aus PVC-P oder TPE oder für wechselnde Oberflächen-Farben aus PVC oder anderen Polymeren. Diese Möglichkeit wird bisher jedoch nur von wenigen Profilherstellern genutzt, die meisten farbigen Fensterprofile werden noch foliert.

Die Flexibilität der Extruder im Hinblick auf wechselnde Rezepturen spielt jedoch eine immer wichtigere Rolle. Für die Verkürzung der Stillstandszeiten beim Produktwechsel arbeitet man zum Beispiel in München bei Krauss Maffei an der Optimierung von Schnellwechsel- und Schnellstecksystemen – und das offensichtlich im Sinne der Verarbeiter, denn „der Trend geht eindeutig weg von den sehr hohen Ausstoßleistungen – etwa 1.000 kg/h – hin zu mehr Flexibilität, sodass die Ausstoßleistungen aktuell bei ungefähr 600 kg/h liegen“, bestätigt Schäfer als Anwender.

Energiekosten mit steigendem Anteil am Ergebnis

Neben den Rohstoffkosten spielen auch die Energiekosten eine immer wichtigere Rolle bei anstehenden Investitionsentscheidungen, die im Falle eines Extruders langfristig sind. Da der Anteil der Energie- an den Gesamtkosten in den Unternehmen weiterhin steigen wird, steigt auch das Potenzial zur Verbesserung des Betriebsergebnisses, wenn auf Energieeffizienz geachtet wird. Dr. Karsten Kretschmer, verantwortlich für den Bereich Forschung und Entwicklung am SKZ, Würzburg, rechnet es vor: „In einem Beispielunternehmen mit einer angenommenen Umsatzrendite von sieben Prozent liegt der Energiekostenanteil bei fünf Prozent. Wenn nun durch gezielte Maßnahmen die Energiekosten um 30 Prozent reduziert werden können, so sinkt deren Anteil auf 3,5 Prozent.

Diese 1,5 Prozent weniger an Energiekosten gehen direkt in das Betriebsergebnis ein. Um ein vergleichbares Ergebnis ohne Energiekostenreduzierung zu erzielen, wären 20 Prozent mehr Umsatz erforderlich. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die genannten 30 Prozent Energiekosteneinsparung kein unrealistisches Ziel darstellen.“ Für eine Gesamt-Energieeffizienz muss allerdings immer die komplette Linie betrachtet werden: der Extruder mit Antriebstechnik sowie der Extrusionsprozess an sich im Zusammenspiel mit den Nachfolgen.

Beim Extruder sei, so Oswald, die Ausstattung mit AC-Motoren die Regel. Ebenso wird eine Isolierung des Heizbereichs zunehmend zum Standard. „Während beim Extruder hierbei der Fokus auf dem Betrieb im optimalen Betriebspunkt liegt, müssen im System alle Komponenten, wie Kühlstrecke und Abzug, sowie die Kombination Werkzeug und Kühlaggregate, zueinander passend ausgelegt werden“, rät Oswald. „Denn nur wenn das Werkzeug optimal und energieeffizient abgestimmt ist, kann im Kalibriertisch auch mit energieoptimierten Vakuum- und Kühlaggregaten das Energieverbrauchsniveau möglichst niedrig gehalten werden.“ Dazu gehören seiner Ansicht nach ein niedriges Vakuum sowie eine optimierte Kühlungsführung.

Produktion im optimalen Betriebspunkt als künftige Herausforderung
Schäfer sieht dagegen weiteren Handlungsbedarf: „Bei den Extrusionswerkzeugen sehen wir die Notwendigkeit, die Entwicklung effektiver Kühl- und Vakuumsysteme fortzusetzen. Durch einen geschlossenen Wasserkreislauf kann weiter Energie eingespart werden.“ Doch nicht nur dort sieht er Arbeit auf die Ausrüster zukommen. Eine Herausforderung für viele Extrudeure ist der Betrieb im optimalen Betriebspunkt, denn nur dort arbeitet die Linie wirklich energieeffizient. „Durch intelligente Softwareprogramme werden die effektivsten Prozessparameter immer wieder neu definiert und ein optimaler Master festgelegt. Doch speziell für die Extrusionsnachfolgen sind die verfügbaren Automatisierungstools noch verbesserungswürdig“, gibt Schäfer den Ausrüstern eine Aufgabe für die Zukunft.

 

Nachgehakt

In einigen Forschungsprojekten der Extrusions-Branche wird derzeit an der Simulation der Prozesse gearbeitet. Dr. Karsten Kretschmer vom SKZ – Das Kunststoff-Zentrum, Forschung und Entwicklung, Peter Oswald von Krauss Maffei Berstorff und Carsten Schäfer von Aluplast erklären warum.

Welche Rolle spielt die Produktentwicklung für eine
kosteneffiziente Profilextrusion?

Dr. Kretschmer: Um eine wirklich kosteneffiziente Extrusion zu realisieren, müssen alle Schritte entlang des Produktlebenszyklus und auch entlang der Produktion perfekt zusammenpassen. Fehler, die in der Produktentwicklung gemacht werden, sind in nachfolgenden Schritten kaum und nur mit sehr viel Aufwand zu korrigieren. Auf der anderen Seite stellen Profile, die an die „Grenze des technisch Machbaren“ konstruiert wurden, hohe Anforderungen an die Maschinentechnik und auch an die Fähigkeiten der Einrichter und Maschinenbediener.

Genügen die existierenden Simulationswerkzeuge, mit deren Hilfe das Produkt Fensterprofil und sein Herstellungsprozess im Hinblick auf Material- und Energieeffizienz optimiert werden kann, den Anforderungen der Verarbeiter?

Schäfer: Leider sind die Simulationsprozesse in der Extrusion noch weit von anderen Simulationsprozessen, beispielsweise im Spritzguss, entfernt. Ziel muss seitens der Extrusionsindustrie sein, die Forschung und Entwicklung von Simulationsprozessen schnell zur Produktionsreife zu entwickeln und entsprechend einzusetzen.

Oswald: Aus unserer Sicht stehen hier bei der verfahrenstechnischen Auslegung der Prozesseinheit immer noch die Mittel Erfahrung und Versuch im Vordergrund. Wir haben hierfür sogar mit einer speziell konzipierten Labormaschine reagiert, die innerhalb kürzester Zeit Aussagen über die Qualität von Rezepturen zulässt. Ebenso kann mit diesem Extruder die Auslegung von Verfahrenseinheiten deutlich beschleunigt beziehungsweise verbessert werden. Hintergrund dieses Ansatzes ist, dass jeder unserer PVC-Kunden seine eigene Rezepturentwicklung betreibt und somit keine branchenweit standardisierten Materialien oder Rezepturen vorhanden sind.

Dr. Kretschmer: Bei Extrusionsprozessen werden heute eine Reihe von Simulationswerkzeugen schon tatsächlich eingesetzt, wobei allerdings festzustellen ist, dass diese meist noch nicht den Stand – vor allem im Punkt Benutzerfreundlichkeit  – haben, wie Simulationswerkzeuge für die Auslegung von Spritzgießwerkzeugen. Dennoch sind in den letzten Jahren hier erhebliche Fortschritte im Extrusionsbereich zu beobachten, die dann einen vermehrten Einsatz von Simulationsprogrammen für die Auslegung, beispielsweise von Extrusionsdüsen, finden. Gegen einen flächendeckenden Einsatz sprechen heute allerdings noch die nur bedingt verfügbaren Materialdaten, die die notwendige Grundlage einer Simulation darstellen.

 

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