MedPLAST 14 2014

Mit der Dynamisch-Mechanischen Analyse (DMA) werden Kunststoffe hinsichtlich ihrer
visko-elastische Eigenschaften charakterisiert. Zu sehen ist hier der Prüfaufbau im Zugmodus. (Bild: B.Braun Melsungen)

In europäischen Krankenhäusern besteht heute ein Großteil aller medizinischen Kunststoffprodukte aus Polyvinylchlorid (PVC), so auch in der Infusionstherapie. Die Infusionsschläuche werden dabei nicht nur für die reine Schwerkraftinfusion genutzt, sondern finden ihre Anwendung ebenso bei der Infusion mittels volumetrischer Peristaltikpumpen. Dabei walkt eine Finger-Peristaltik wellenförmig auf dem Infusionsschlauch, um dadurch die Flüssigkeit vom Infusionsbehälter zum Patienten zu fördern. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich Migration der enthaltenen Weichmacher in PVC steigt die Nachfrage nach alternativen Materialien. Thermoplastische Elastomere könnten solch eine Alternative darstellen. Allerdings sind deren Eigenschaften hinsichtlich ihrer Eignung in diesem Bereich noch wenig untersucht. Eine Prüfmethodik zur Charakterisierung der visko-elastischen Eigenschaften ist die Dynamisch-Mechanischen Analyse (DMA).

Die DMA liefert Informationen über den Verlauf mechanischer Eigenschaften bei kleinen, sinusförmigen, dynamischen Belastungen als Funktion über Zeit, Temperatur oder Frequenz. Dabei werden der Speicher- und Verlustmodul, sowie der komplexe Elastizitätsmodul und der mechanische Verlustfaktor des Materials betrachtet. Der Verlustfaktor ist dabei ein Maß für die mechanische Dämpfung eines Materials. Da die DMA auf Unterschiede im Steifigkeitsverhalten sehr empfindlich reagiert, ist sie gut zur Charakterisierung der visko-elastischen Eigenschaften von Polymerwerkstoffen geeignet.

Charakterisierung der visko-elastischen Eigenschaften

Verschiedene styrolbasierte thermoplastische Elastomere (TPS) für medizinische Anwendungen wurden daher mit Hilfe einer Netzsch DMA 242C charakterisiert und in ihren Eigenschaften dem Weich-PVC (PVC-P) gegenübergestellt. Dabei wurden TPS Materialien unterschiedlicher Materialhersteller in verschiedenen Shore-Härten untersucht. Als Referenzmaterial dienten zwei Weich-PVC Typen (PVC-P) mit 74 und 82 Shore A, wie sie heute üblicherweise für Infusionsschläuche eingesetzt werden. Die unterschiedlichen Materialien wurden als Schlauchmuster mit den folgenden Einstellungen bei der DMA untersucht:

  • Lastfrequenz 1Hz,
  • Maximale Amplitude 100 µm,
  • Maximale dynamische Kraft 6,6 N,
  • Temperaturbereich 16 bis 40 °C und
  • Heizrate 2 K/min.

Der Temperaturbereich sowie die Frequenz wurden dabei aus der Praxisanwendung übernommen. Ziel der Untersuchungen war es, einen vermuteten Zusammenhang zwischen der Shore-Härte und dem visko-elastischen Materialverhalten wiederzugeben.

Im Vergleich zu den TPS Materialien weist das PVC-P einen wesentlich höheren mechanischen Verlustfaktor und damit eine höhere Dämpfung während eines Deformationszyklus auf. Im Vergleich der TPS Materialien ist bei dem Material TPS A ein deutlicher Unterschied zum Rest der TPS Gruppe zu erkennen. Diese Materialtype verhält sich im Bereich der Dämpfung eher wie die PVC-P Typen.

Im Verlauf des komplexen Moduls zeigt sich ebenso ein Unterschied zwischen PVC P und TPS. Auch innerhalb der TPS Gruppe ist ein Unterschied beim komplexen Modul zwischen den Materialtypen zu erkennen: Die Materialtype TPS B weist im Vergleich zum TPS A einen mehr als doppelt so hohen Komplexmodul auf, obwohl beide Typen die gleiche Shore Härte besitzen. Im Vergleich zu PVC-P zeigt der komplexe Modul bei den TPS-Proben im untersuchten Temperaturbereich eine wesentlich geringere Abhängigkeit von der Temperatur. Gerade in Hinblick auf die Praxisanwendung ist ein solches Materialverhalten wünschenswert.

Shore Härte alleine ist kein geeignetes Kriterium

Anhand der Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Materialtypen PVC-P und TPS zwei komplett unterschiedliche Materialgruppen bilden, welche in ihren visko-elastischen Eigenschaften sehr verschieden sind. Ebenso wurde ersichtlich, dass sich die Materialgruppe der TPS in den hier untersuchten Eigenschaften inhomogen verhält. Weiterhin ging aus den Untersuchungen hervor, dass die Shore-Härte als Materialkriterium offensichtlich nicht geeignet ist, da ein PVC-P Schlauch mit beispielsweise 74 Shore A ein anderes Materialverhalten als ein TPS Schlauch mit 75 Shore A besitzt.

In nachfolgenden Untersuchungen sollen nun die visko-elastischen Eigenschaften bei konstanter Temperatur über einen längeren Zeitraum von bis zu 24 Stunden untersucht werden, um das zeitabhängige Verhalten der PVC-P Materialien mit der Materialgruppe TPS besser vergleichen zu können. Abschließend lässt sich feststellen, dass mit Hilfe der dynamisch-mechanischen Analyse (DMA), anders als zum Beispiel bei einfachen Härtemessungen, wesentlich umfassendere und an die Anwendung angepasste Materialkennwerte bestimmen lassen.

 

Technik im Detail

Die dynamisch-mechanische Analyse (DMA)

Die dynamisch-mechanische Analyse misst die viskoelastischen Eigenschaf­ten meist polymerer Werkstoffe während eines kontrollierten Tempera­tur- und/oder Frequenzprogramms. Während der Messung wird eine sinusförmige Kraft (Spannung, engl. stress) auf die Probe aufgebracht, die eine sinusförmige Deformation (Dehnung, engl. strain) zur Folge hat. Polymere zeigen ein viskoelastisches Verhalten. Sie weisen sowohl elasti­sche (entsprechend einer idealen Feder) als auch viskose (entsprechend eines idealen Dämpfers) Eigenschaften auf. Aufgrund dieses viskoelastischen Verhaltens ist die Deformation (Antwort) gegenüber der Kraft (Anregung) zeitlich verschoben. Diese Abweichung bezeichnet man als Phasenverschiebung. Mittels Fourier-Transformation wird das Antwortsignal in einen „In-Phase“- und einen „Außer-Phase“-Anteil aufgeteilt. Aus dieser mathematischen Berech­nung resultieren der Speichermodul E‘ (bezieht sich auf den reversiblen, elastischen Anteil „In-Phase“) und der Verlustmodul E‘‘ (bezieht sich auf den irreversiblen, viskosen Anteil „Außer Phase“). Der Verlustfaktor tan ergibt sich aus dem Verhältnis von Verlust- und Speichermodul (tan = E‘‘/E‘). Allgemein repräsentiert der Speicher­modul (E‘) die Steifigkeit eines Materials, während der Verlustmodul (E‘‘) ein Maß für die Schwingungsener­gie ist, die in Wärme umgewandelt wird. Tan charakterisiert die mechani­sche Dämpfung oder innere Reibung eines viskoelastischen Systems.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Netzsch Gerätebau GmbH

Wittelsbacherstraße 42
95100 Selb
Germany