April 2014

Mit dem Hintergrundwissen als Systemlieferant für Automobilindustrie und Medizintechnik hat sich Bdtronic, Weikersheim, den Anforderungen an Prozessüberwachung, Rückverfolgbarkeit und Dauerbetrieb für alle Produktionsprozesse gestellt, um den Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen gerecht zu werden. Dementsprechend müssen alle Prozesse für die Anlagen robust aufgebaut sein. Um eine reproduzierbare Fertigungsqualität sicherzustellen, benötigt man ein kontinuierliches Monitoring der relevanten Prozessdaten, integrierte Regelfunktionen und kalibrierte Werkzeuge.

Das Unternehmen – ehemals Bartec Dispensing Technology – beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit dem Aufbereiten, Mischen und Dosieren von ein- und mehr-komponentigen Reaktions-Gießharzen, Dichtmaterialien, Klebstoffen, Schäumen und Wärmeleitpasten. In den vergangenen 10 Jahren erweiterten vier neue Technologien das Produktportfolio rund um das Vergießen und Fügen von Automobilbauteilen, sodass heute neben der Automatisierungstechnik für komplette Fertigungslinien, der Imprägniertechnologie von Motorwicklungen, der Plasmavorbehandlung von Oberflächen auch das Kunststoffumformen dazu zählt.

Aktiv und dynamisch in Millisekunden geregelt

Der robuste Anlagenaufbau mit kontinuierlichem Monitoring und integrierten Regelfunktionen bedeutet für das Heißnietverfahren: Überwachung, Darstellung, Analyse und Speicherbarkeit der Temperatur-, Strom-, Leistungs- und Gasflusswerte sowie die Zeit-Weg-Messung der Stempelposition. Wesentliches Merkmal ist jedoch die aktive dynamische Temperaturregelung im Millisekunden-Bereich, die unabhängig von Ausgangstemperaturen und Umgebungsbedingungen die Prozesswiederholbarkeit und Genauigkeit sicherstellt. Eine intuitive Prozess-einstellung mit der windowsbasierten Steuerungs-Software über Aktionslisten macht den Ablauf für den Bediener transparent und einfach anzupassen.

Für jede Verbindungstechnologie gibt es relevante Normen zu Maßen und Kräften. Sei es die Größe der Schrauben, die Breite der Klebstoffraupe oder die Anzahl der Nietpunkte: das Bauteil muss bestimmte Kräfte und Umwelteinflüsse aushalten. Die bestehende Normenlage zu Kunststoff-Nietverfahren bietet heute keine ausreichende Grundlage mehr und so kursieren viele proprietäre Richtlinien. Darüber hinaus sagt uns ein Materialdatenblatt nicht, in welchem Temperaturbereich ein Heißvernietung durchzuführen ist.

Das hat die Weikersheimer veranlasst, gemeinsam mit einem namhaften Hersteller von Engineering Plastics und der Professur Kunststoffe an der TU Chemnitz eine Grundlagenuntersuchung durchzuführen. Deren Ziel war es, beispielhaft an den typischen bei Elektroniken zum Einsatz kommenden Materialien PBT und PA66 mit Glasfaseranteilen von 30 Prozent die optimalen Prozesswerte zu Verstemmdruck, Temperaturbereich, Nietdomgeometrie, Stempelform und Heizzeit zu finden. Mit den BHS Verfahren war es aufgrund der exakten Temperaturmessung und -regelung erstmals möglich, den Prozess und die relevanten Daten genau abzubilden, und somit reproduzierbare Prozessfenster abzuleiten, denn diese Materialien gehören zur Gruppe der teilkristallinen Thermoplaste, die über sehr kleine Prozessfenster zwischen fest und flüssig verfügen.

Um die bestmöglichen Gefügeeigenschaften und Abzugswerte zu erreichen, zeigten die vergleichenden Versuchsreihen, dass bei optimaler Wahl der Prozessparameter und dem Prozessverlauf, das BHS Hot Stamp-Verfahren als Kontakt-Nietverfahren mit über 750 N für einen 3 mm Durchmesser-Vollniet die höchsten Abzugswerte erzielte.

Bestmögliche Gefügeeigenschaften

Dieses Ergebnis überrascht insofern, dass Kunststoffe als schlecht leitende Materialien erfahrungsgemäß sehr homogen bis zur Umform-Temperatur erhitzt werden sollten, um ein maximales Volumen zu schmelzen und somit die optimale Gefügestruktur erreichen zu können. Hierfür wird üblicherweise das Heißluftverfahren verwendet, mit dem ein homogenes Plastifizieren des gesamten Nietdoms ermöglicht wird. Das Heißstempel-Verfahren ermöglicht hingegen mit gängigen Prozessabläufen lediglich das Aufschmelzen und Verdrängen des Materials über die Kontaktfläche an der Nietspitze. Der entstandene Nietkopf weist so bei nicht-optimalem Ablauf Schwachstellen auf. Dass der Prozessablauf und die richtige Wahl der Geometrie zu einer mehr als 300%igen Festigkeitsverbesserung führen kann, zeigt, wie wichtig es ist, die Einflüsse der Prozessparameter zu verstehen und bereits in der Konstruktionsphase zu berücksichtigen.

Thermisch und mechanisch schonend

Das Heißluft-Nietverfahren wird gerne bevorzugt, um strukturelle Verbindungen mit sehr guten Gefügestrukturen mit Spaltfüllung und Spielfreiheit zu erreichen. Es ist thermisch und mechanisch besonders schonend und benötigt wenig Sperrbereich. Es findet beispielsweise Einsatz zum Fügen von Leiterplatten, Deckeln, Verschließen von Öffnungen, Einbetten von Optiken oder für Kunststoff-Kunststoff-Verbindungen.

Mit den Heißniet-Verfahren BHS Hot Stamp (Heißstempel-Nieten) und BHS Hot Jet (Heißluft-Nieten) bieten sich Systeme an, die mittels einer aktiven dynamischen Temperaturregelung auch teilkristalline Thermoplaste sicher, energieeffizient und reproduzierbar in Prozessfenstern von +/- 5 bis 10 °C verarbeiten können. Als 1-Takt-Verfahren mit integrierter Kühlung und Z-Hub werden keine Achsbewegungen benötigt, sodass die Systeme platzsparend integrierbar sind und keinen riskanten Verzug zwischen Heizen und Formen annehmen. Der Schnellwechsel-Stempel mit langer Lebensdauer verfügt zudem über eine Anti-Haft-Schicht.

Als Fazit konnte eine neue Kon-struktionsrichtlinie abgeleitet werden, die einen optimalen Kompromiss zwischen minimaler Taktzeit und maximaler Festigkeit darstellt. Und eines sollte noch angemerkt werden: die äußere Optik gibt keine Aussage über die Festigkeit der Nietverbindung. Das Forschungsprojekt mit der TU Chemnitz um weitere Materialien und Einflussfaktoren zu untersuchen, ist bereits weiter fortgeschritten.

 

Technik im Detail

Das Heißnieten – auch Heißverstemmen oder Warmumformen genannt – ist ein form- oder stoffschlüssiges nicht lösbares Fügeverfahren: ein thermoplastisches Kunststoffbauteil erhält beim Spritzguss Dome, der Fügepartner wird auf die Dome aufgesteckt, über Energieeinkopplung werden diese geschmolzen und dann mit einem Stempel umgeformt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden keine Verbrauchsmaterialien wie Schrauben benötigt – das spart Kosten und Logistikaufwand. Es bilden sich keine Späne – das hält den Prozess sauber. Außerdem ist das Fügen unterschiedlicher Materialpaarungen möglich: ein Fügepartner ist ein Thermoplast, der zweite frei wählbar.

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