Oktober 2013

Herbert Kraibühler,
Technischer Geschäftsführer, Arburg, Loßburg

2012 erhielt Herbert Kraibühler den Georg Menges Preis mit dem seine herausragenden Verdienste um die Umsetzung von Erkenntnissen aus Forschung und Entwicklung sowie sein Einsatz für eine kontinuierliche Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gewürdigt wurden. Seine Leistungen verdeutlichen auf besondere Art, dass nur durch die konsequente Umsetzung gewonnener Erkenntnisse innovative Produkte entstehen können.


Herr Kraibühler, können Maschinenhersteller aus eigenen Erfahrungen schöpfen, wenn sie das Thema Produktionseffizienz ihren Kunden näher bringen wollen?

Kraibühler Ein klares Ja. Da wir uns selbst sehr stark mit der eigenen Produktion und deren Effizienz auseinandersetzen sowie kontinuierlich Optimierungspotenziale suchen und umsetzen, haben wir auch einen fundierten Hintergrund für das, was wir unseren Kunden vermitteln. Wir haben uns zum Beispiel bereits frühzeitig mit der ISO 50001 auseinandergesetzt. Seit Juli 2012 sind wir zertifiziert. Hierfür haben wir eine Pyramide erarbeitet, die alle Prozesse einschließt und mit deren Hilfe wir die eigene Effizienz verbessern können. Die Grundlage bildet auch bei uns das Produktdesign. Wir entwickeln unsere Maschinen komplett selbst und sind in der Lage, alle wichtigen Teile auch selbst herzustellen. Der nächste Schritt betrifft die Produktionstechnik. Wir setzten uns aufgrund der hohen Eigenfertigungstiefe intensiv mit der Herstellung der Teile auseinander. Der nächste Baustein ist die Gebäudetechnik, unter dem wir die gesamte Fabrik subsummieren.

Das heißt aber, dass Sie sich nicht nur als Maschinen- sondern als Systemlieferant sehen?

Kraibühler Ja. Selbstverständlich kennen wir das Produkt, das wir anbieten. Vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz. Aber wir beraten auch zunehmend über unsere  Maschinen und deren Auslegung hinaus. Dabei werden alle Faktoren mit einbezogen, die für die wirtschaftliche Produktion eines Kunststoffteiles relevant sind.

Ihr Kunde möchte aber doch in erster Linie eine Maschine kaufen. Wie weit lässt er die Beratung überhaupt zu?

Kraibühler Die Bereitschaft wird stärker und das Angebot stößt zunehmend auf Akzeptanz und Interesse. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Kunden hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre deutlich verstärkt.

Geht das tatsächlich soweit, dass Sie für den Verarbeiter  alle Bereiche als Beratungsleistung anbieten?

Kraibühler Ja, wir sind Beratungspartner. Denn es geht nicht nur um die Produktionstechnik. Bei der Prozessoptimierung sind wir ebenfalls wieder mit im Boot. Und zur Beratungsleistung gehört auch, dem Verarbeiter die Möglichkeit zu geben, auf Maschinen mit unterschiedlichster Technik das eigene Werkzeug zu testen und Messungen durchzuführen, um produktspezifisch die optimale Lösung zu finden.

Zu etwa 80 Prozent sind ihre Maschinen kundenspezifisch. Geht die Modularität tief genug, um die ideale Produktionseffizienz für den Verarbeiter herstellen zu können?

Kraibühler Ja. Die hochflexible Modularität unserer Spritzgießmaschinen ist bekannt und die Basis für eine effiziente Spritzgießfertigung. Wichtig im Hinblick auf unsere eigene Produktionseffizienz ist, dass wir nicht jede einzelne Maschine nach Kundenwunsch neu entwickeln, sondern aufgrund einer sehr tiefgehenden Modularität die verschiedenen Baugruppen sehr flexibel kombinieren können.

Jede einzelne der bei uns gebauten Maschine entsteht im Kundenauftrag. Die Voraussetzungen, die wir diesbezüglich haben, sind sehr gut. Doch es ist sicher immer noch Luft nach oben.

In welchen Bereichen ist die Modularität von Vorteil?

Kraibühler Nehmen wir als Beispiel eine Hybridmaschine . Diese setzt sich unter anderem zusammen aus einer elektrischen Werkzeugschließeinheit, die hohe Dynamik und Genauigkeit bietet, und einer Spritzeinheit, deren Schnecke elektrisch mit einem Servomotor angetrieben wird. Eingespritzt wird aber hydraulisch über einen Speicher, so dass dank der Hydraulik dort mit sehr hohen Einspritzgeschwindigkeiten gearbeitet werden kann. Diese Kombination für hohe Produktionsleistung bei kurzen Zykluszeiten ist im Bereich Dünnwandtechnik gefragt.


Heben sich die Effekte in Bezug auf die Energieeffizienz nicht gegenseitig auf, wenn beide Technologien kombiniert werden?

Kraibühler Rein von der energetischen Seite betrachtet kann das der Fall sein. Relevant ist aber letztendlich die gesamte Produktionseffizienz im Prozess. Die Dank der schnellen Einspritzung reduzierte Wandstärken bedeuten weniger Material, kürzere Abkühlzeiten und im Endeffekt auch schnellere Zyklen.

Aber für Produktionseffizienz sind doch noch wesentlich mehr Faktoren relevant. Ist nicht das Herzstück für den Prozess das Werkzeug?

Kraibühler Ich denke, man muss immer alle Bereiche sehen. Die gesamtheitliche Betrachtung beginnt nicht bei den Maschinen, sondern auch für unsere Kunden beim Produktdesign, also beim Kunststoffteil. Und folgt als nächste Stufe die Umseztung dieses Produktdesigns für die Herstellung, die Konstruktion des Werkzeugs. Den Schwerpunkt allein auf das Werkzeug zu richten, wäre ebenfalls zu einseitig. Wichtig ist, dass alle Einflussfaktoren berücksichtigt werden, um die effizienteste Lösung zu finden.

Zurück zu ihrem eigenen Produktdesign: Könnte ein Ansatz für  noch mehr Energieeffizienz eine Bauweise mit anderen Strukturen, zum Beispiel Leichtbau sein?

Kraibühler Ja, wir sehen die Ansätze bei den Elektromotoren, deren Massen reduziert werden können, um die Trägheitsmomente dort zu beeinflussen. Weniger Ansatzpunkte sehen wir bei den Massen der Maschine, zum Beispiel der beweglichen Werkzeugplatte.

Ist es nicht einfacher, konstruktiv an die Maschinen ranzugehen?

Kraibühler Natürlich haben wir uns mit diesen Themen intensiv auseinandergesetzt. Bei näherer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass die große Einsparpotentiale dort nicht zu holen sind. Aber wir setzen CAD-Berechnungen ein, um im Sinne von Bionik, den Materialeinsatz auch bei den Werkzeugplatten so zu minimieren, dass man das Maximum exakt an der Stelle hat, wo es benötigt wird. Ziel ist vor allem eine geometrische Optimierung, nicht eine materialtechnische. Denn wir haben gesehen, dass der Einfluss der Masse relativ gering ist.

Rüstzeiten spielen bei der Produktionseffizienz ebenfalls eine Rolle. Ist das vor allem für den kleinen Lohnfertiger ein Thema?

Kraibühler Es ist ein Thema für alle, die häufig umrüsten müssen. Videoanalysen der Vorgänge sind in diesem Fall sehr hilfreich, stoßen aber häufig auf Vorbehalte. Wichtig ist, möglichst früh miteinander zu reden und alle Beteiligten von Anfang an einzubinden. Wir können nur von positiven Erfahrungen berichten – vor allem in der eigenen Produktion, aber auch bei unseren Kunden.

Wie häufig beraten sie Ihre Kunden in Bezug auf das Retrofitting älterer Maschinen?

Kraibühler Es ist eine unserer Stärken, moderne Funktionalitäten an älteren Maschinen nachzurüsten. Das beginnt bei Kernzugfunktionen, geht aber auch bis hin zum Aufrüsten zum Beispiel im Bereich der Maschinensteuerung.

Ist es nicht einfacher, eine neue Maschine zu verkaufen?

Kraibühler Das ist eine berechtigte Frage. Für uns steht jedoch die Beratung im Vordergrund. Unsere Anwendungstechniker schauen sich zusammen mit dem Kunden einen Produktionsvorgang an. Gemeinsam wird dann überlegt und abgewogen, ob es günstiger ist, bestehende Fertigungseinrichtungen weiter zu nutzen und aufzurüsten. Oder ob es langfristig mehr Sinn macht, in neue Maschinen zu investieren und bei der neuen Planung und Auslegung die Produktionseffizienz als Maxime über das Projekt zu stellen.

Sie fertigen die Schnecken selbst. Ist die Schnecke das verschleißanfälligste Teil in einer Spritzgießmaschine und häufigster Anlass für Anfragen an Ihren Service?

Kraibühler Die verschleißanfälligste Baugruppe ist in der Tat die Plastifiziereinheit, also Schnecke, Zylinder und Düse. Doch der am häufigsten vorkommende Anlass für einen Serviceeinsatz ist ein Maschinenstillstand –  und dazu führt ein Schneckenverschleiß nicht direkt. Bei einem Maschinenstillstand greifen wir mit unserem Kundendienst unmittelbar ein, da dem Verarbeiter durch nicht verfügbare Maschinen sofort Kosten entstehen. Wir haben verschiedene Stufen. Zunächst die Hotline, die tagsüber kostenlos zur Verfügung steht. Bis zu acht Mitarbeiter versuchen per Telefon, zusammen mit dem Kunden das Problem zu analysieren und weiterzuhelfen, was in vielen Fällen bereits erfolgreich ist. In einer zweiten Stufe wird der Servicetechniker vor Ort eingesetzt, um die Maschine wieder ans Laufen zu bringen.

Wie weit geht Ihr Onlinezugriff auf die Daten bei Ihren Kunden, den Verarbeitern?

Kraibühler Wenn es der Kunde zulässt und die technischen Voraussetzungen gegeben sind, geht der Onlinezugriff sehr weit. Aber es ist ein sehr kritisches Thema. Wir haben wenige Kunden, die es uns erlauben, online auf die Daten der Maschine zuzugreifen. Häufig ist es so, dass die entsprechenden Schnittstellen an der Maschine vorgesehen sind und der Kunde im Bedarfsfall die Verbindung herstellt. Sobald das Problem gelöst ist, kann er die Verbindung dann wieder unterbrechen.

Auf wie viele Jahre Erfahrung können Sie zurückgreifen?

Kraibühler Seit mehr als 40 Jahren ist Effizienz für uns ein wichtiges Thema insofern, dass wir mit allen Ressourcen sparsam umgehen. Zum Beispiel war es in unserer eigenen Produktion in den 70er Jahren schon selbstverständlich, die Wärme aus dem Kühlwasser der Maschinenkühlungen zu nutzen. In unserem Gebäude, das 1974 gebaut wurde, sind die Tragelemente für die Fensterfassade aus Hohlprofilen.  Genau dort wurde dieses Wasser hindurch geleitet, um es im Winter zum Heizen zu nutzen. Bis zur Nutzung der Geothermie – genau hier unter uns in diesem Gebäudekomplex, in dem auch das Kundencenter beheimatet ist – wurde der Effizienzgedanke kontinuierlich weiterentwickelt und umgesetzt. Unsere Erfahrungen zu diesem Thema geben wir gerne an unsere Kunden weiter.

 

Das Interview führten Harald Wollstadt und Christine Koblmiller

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