Oktober 2012

Der Kunststoff-Geruch ist nur ganz schwach wahrnehmbar. Eigentlich riecht es in der sehr sauberen Produktionshalle mehr nach Papier. Kein Wunder, schließlich produziert die Weidenhammer Packaging Group, Hockenheim, vor allem Kombidosen auf Basis von Recycling-Karton mit – und hierin steckt ebenfalls viel Know-How des familiengeführten Unternehmens – Wiederverschluss-Deckeln aus Kunststoff.

Die Produktion unterscheidet sich allerdings deutlich von dem Ambiente in einer reinen Spritzgießerei. Viele unterschiedliche Maschinen sind zu sehen, nur etwa die Hälfte der Produktionsfläche wird von den Spritzgießmaschinen eingenommen. Wenige Maschinen aus der Waschmittelzeit „Klementine“ laufen noch immer, aber vor allem sind moderne Maschinen mit hohem Automatisierungsgrad zu sehen. Viele Förderbänder, auf denen in hoher Geschwindigkeit Deckel oder Kombidosen in Reih und Glied von einem Produktionsschritt zum nächsten wandern. Aus Kartonröhren werden Zuschnitte, diese werden mit einem ansprechenden Etikett versehen – laminiert, bedruckt, beklebt, gebördelt – und anschließend erhalten sie eine Membrane aus Aluminium, die fest mit der Dose verbunden, eingesiegelt, ist.

Diese dient dem Inhalt als Aromaschutz und Originalitätsverschluß. Der Kunststoffdeckel als i-Tüpfelchen übernimmt später beim Verbraucher nach Teilentnahme des Doseninhalts die Funktion des Wiederverschlusses: Den Schutz des in der Verpackung verbliebenen Produkts. Dicht muss er folglich sein. Passgenau. Nur geringste Toleranzen sind zulässig. Außerdem muss er eben sein. Topf-eben. Denn er wird auf den automatisierten Produktionslinien mit hoher Geschwindigkeit verarbeitet. Kleinste Ungenauigkeiten, unwesentlich mehr Gewicht, leichter Verzug führen zum Maschinenstillstand. Daraus ergeben sich sehr hohe Anforderungen an Spritzgießmaschine, Werkzeug und Automation.

Verdeckter Praxistest erfolgreich absolviert

In der Verpackungbranche kommt es auf Höchstleistungen an, bei Maschinen und Handling. Zykluszeiten spielen aufgrund der Menge der produzierten Artikel, ähnlich wie im Thermoformen, die Hauptrolle. Denn Stückkosten sind aussschlaggebend für die Wirtschaflichkeit – und bei großen Mengen fallen hier selbst Zehntel-Cent-Beträge ins Gewicht.
Besucher, die vor etwa einem Jahr, kurz nach der Aufstellung der ersten Maschine der F-Serie Typ F 160 von Ferromatik Milacron, Malterdingen, die Produktion betraten, nahmen sicher ebenfalls den schwachen Kunststoff-Geruch wahr, nicht aber die neue elektrische Spritzgießmaschine, die im „alten Design“ gehalten und so unauffällig verpackt war. Von diesem Projekt, eine Spritzgießmaschine als Erlkönig in die Produktion zu nehmen und unter realen Bedingungen zu testen, profitierten beide Partner. Der Verarbeiter musste sich nicht auf die Leistungsdaten verlassen, die sonst unter realitätsnahen Bedingungen zugesagt werden, und konnte sich gleichzeitig an der Weiterentwicklung der elektrischen Maschine beteiligen. Die Produktionsdaten der Maschine wurden lückenlos mit einem BDE/MDE-System von MPDV aufgezeichnet, so dass jegliche Störung dokumentiert war. Hiervon wiederum profitierte der Maschinenhersteller, der direktes Feedback bekam und so die Maschine kontinuierlich verbesserte.

Wie bei jeden neuen Produkt, das noch nicht in Serie hergestellt wird, gab es auch beim Erlkönig Startschwierigkeiten. Zum Teil waren es einfache Defekte wie beispielsweise ein ausgefallenes Netzteil, zum Teil aber auch besondere Herausforderungen aufgrund der kurzen Zykluszeiten, wie beispielsweise der Wärmetransport oder die Steuerung. „Die Servicetechniker waren – auch aufgrund der örtlichen Nähe – immer sehr schnell bei uns, so dass wir die Probleme gemeinsam rasch lösen konnten“, zeigte sich Jakob Breuer, Betriebsleiter eines der beiden Werke der WPG in Hockenheim, zufrieden mit der Zusammenarbeit. Entscheidend war letztlich, dass die Maschine nach den ersten Abstimmungen problemlos rund um die Uhr durchlief. „Der Erlkönig hatte eine technische Verfügbarkeit von fast 96,7 Prozent. Umgerechnet auf die Gesamtanlagen-Effektivität sind es etwa 93 Prozent, was weit über den marktüblichen 85 Prozent liegt“, lobt Breuer die Ausfallsicherheit.

Zykluszeiten im Grenzbereich

Auch heute noch steht die Nachfolgemaschine, eine vollelektrische F 200, eher unscheinbar als letzte in einer Reihe, auch wenn jetzt ihr modernes Design in der Halle eher auffällt. Sie soll künftig hochvolumige Produkte produzieren. Derzeit läuft sie noch in Testreihen mit einem 8-fach-Werkzeug und Zykluszeiten um fünf Sekunden. Unter anderem sollen auf ihr Deckel für Tabak-Kombidosen und Instantgetränke-Dosen gefertigt werden. Hier sind die Eigenschaften vollelektrischer Maschinen wie Leistungsfähigkeit und der Betrieb ohne Hydraulikaggregate Voraussetzung. Hinzu kommt speziell bei der getesten Maschine eine intuitive, einfache Bedienung.

In Bezug auf die Zykluszeiten werden auf dieser Baureihe in partnerschaftlichem Miteinander die Grenzbereiche ausgelotet. Die Grenze für die Zykluszeit liegt bei etwa drei Sekunden. In dieser kurzen Zeit muss der Deckel exakt ausgeformt und plan aus dem Werkzeug entnommen werden können. Die Farbdurchmischung muss einwandfrei und die Temperatur des Deckel bereits wieder so niedrig sein, dass er sich beim Abpacken in die Kartons nicht verzieht. „Deswegen versuchen wir den letzten Rest nicht nur aus der Mechanik, sondern auch aus der Software herauszuholen. Denn oft ist nicht die Mechanik das limitierende Element, sondern die Kommunikation zwischen Maschine und Automation“, beschreibt Robert Trube, Vertriebsleiter bei Ferromatik Milacron, einen wichtigen Ansatzpunkt.

Ein weiterer limitierender Faktor bei kurzen Zykluszeiten ist die Werkzeugkühlung. In Zusammenarbeit mit einem namhaften Werkzeugbauer wurde die Kühlung im Werkzeug dorthin gelegt, wo sie wirklich von Nöten ist. „Ohne diese Technologie hätten wir keine Chance, den Grenzbereich auch wirklich zu nutzen“, stellt Breuer deren Bedeutung heraus. Werden die Deckel noch warm aus dem Werkzeug entnommen werden, verformen sie sich schnell.

Qualitätssicherung trotz hoher Präzision unabdingbar

Da der Deckel bei der Kombidose erst dann aufgesetzt wird, wenn der größte Teil der Wertschöpfung abgeschlossen ist, kommt der Produktqualität eine besondere Bedeutung zu. Die Dosen werden später andernorts beim Befüllen per Ansaugung am Deckel gefasst. Daher müssen diese dicht und fest schließen. Andernfalls drohen Maschinenstillstände. Aus diesem Grund werden die Deckel auch nicht lose geschüttet in Kartons verpackt, sondern deutlich abgekühlt – Schicht für Schicht – von einer Entnahmestation in Kartons gepackt.

Für die Qualitätssicherung im Prozess werden bereits an der Maschine die wichtigsten Prozessparameter abgenommen. Dazu gehören Druck, Temperatur, Volumina und Durchfluss. Sobald einer der Parameter nicht im Sollbereich liegt, wird der jeweilige Deckel vollautomatisch ausgeschleust. Daneben entnimmt der Maschinenbediener regelmäßige Stichproben, die dann mit einem optischen Messsystem geprüft werden. Stimmen die Parameter nicht, hat der Maschinenbediener die Chance, schnell auf Materialschwankungen zu reagieren.

Zusätzlich werden die Deckel nach 24 Stunden nochmals vermessen: Außen- und Innenmaße, der Deckelsitz, werden geprüft ebenso das Gewicht. Ein hoher Aufwand für ein vermeintlich einfaches Kunststoff-Teil. Doch er rechnet sich. Nicht umsonst bringt der Verpackungshersteller die Produktion laufend auf den neuesten technischen Stand – auch mit vollelektrischen Maschinen. Fest im Blick hat der Betriebsleiter dabei Schließkräfte von 100 bis 350 Tonnen der getesteten Serie. Die neuen Maschinen werden dann nicht mehr – wie der Erlkönig – verborgen in einer Ecke stehen, sondern die saubere Produktionsfläche dominieren. Aber eines wird bleiben: der schwache Geruch nach heißem Kunststoff.

 

Unternehmen im Detail

Weidenhammer Packaging Group (WPG)

Das familiengeführte Unternehmen fertigt auf etwa 70 Spritzgießmaschinen (100 bis 600 t). Alle Maschinen sind für den Dünnwand-Spritzguss ausgerüstet, die Zykluszeiten liegen zwischen 3 und 15 s, meist unter 5 s. In der Gruppe werden pro Jahr etwa eine Milliarde Dünnwand-Deckel, meist aus PP, gefertigt. Hierfür und für neue Produkte werden die Maschinen zunehmend mit Entnahmerobotern oder IML-Handling ausgestattet. Beteiligt sind mehrere Robotik-Anbieter. Die Werkzeuge für den Dünnwand-Spritzguss haben 2 bis 48 Kavitäten und werden zugekauft, wobei die hohen Qualitätsanforderungen hauptsächlich von Werkzeug-Herstellern aus Deutschland und der Schweiz umgesetzt werden können.

 

Nachgehakt

„Wir benötigen hohe Maschinen-Verfügbarkeiten und kurze Zykluszeiten.“
Herr Breuer, die Maschinen-Verfügbarkeit spielt für Sie eine besondere Rolle. Warum?

Jakob Breuer Wir liefern an unsere Kunden Just-in-time. Das bedeutet, dass wir einen steten Vorrat an Deckeln benötigen. Die große Fläche unserer Werke besteht zu zwei Dritteln aus Lagerhaltung. Unsere Maschinenkapazität liegt etwa 30 Prozent über unseren Abnahmen, gerechnet auf eine 7-Tage-Woche. Wegen der Deckelproduktion darf keine Kombidosen-Maschine stehenbleiben. So ist die Produktion ein stetes Auffüllen der Vorräte. Um Vorläufe zu schaffen sind wir auf diese hohe technische Maschinenverfügbarkeit angewiesen, um in Kombination mit den sehr kurzen Zykluszeiten unsere Produktion abzusichern.

Frau Zöbele, welche Bedeutung haben Biokunststoffe für Sie?

Martina Zöbele Kontinuierliche Materialentwicklungen hinsichtlich Qualität, Umweltverträglichkeit und Kosten sind generell wichtige Themen. Was Biokunststoffe betrifft so haben wir hier verschiedene Materialien getestet und könnten auch Deckel damit herstellen.

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Unternehmen

Ferromatik Milacron GmbH

Brühlstraße 10
79331 Teningen
Germany