Juni 2012

Die Weiterentwicklung technischer Kunststoffbauteile fordert verstärkt hochintegrative Lösungen und Materialien mit komplexen Eigenschaftsprofilen. Seit langem werden daher unterschiedliche Materialien kombiniert, um die positiven Eigenschaften der Ausgangsstoffe nutzen zu können. So ist es möglich, durch Zusätze an magnetischen Füllstoffen (Metalle oder Ferrite) Kunststoffcompounds magnetisch auszurüsten.

Bei den ferromagnetischen Füllstoffen wird zwischen hart- und weichmagnetischen Werkstoffen unterschieden. Während kunststoffgebundene Hartmagnete bereits in zahlreichen technischen Anwendungen im Bereich der Elektronik und Elektrotechnik sowie der Mechatronik zum Einsatz kommen [1], sind Weichmagnete als Füllstoffe aufgrund ihrer schwächeren anziehenden Wirkung auf dem ersten Blick weniger attraktiv. Aufgrund geringer Hystereseverluste beim Magnetisieren und Entmagnetisieren sind diese aber zum einen prädestiniert für den Einsatz bei häufigen Schaltwechseln in Bereichen der Sensorik, der Antriebstechnik und bei Relais [2-4]. Dank ihrer hohen relativen Permeabilität können Weichmagnete zum anderen ein magnetisches Feld verstärken, sodass sie in Verbindung mit Dauermagneten als „magnetischer Leiter“ fungieren können.

Das IKV beschäftigt sich im Rahmen des BMBF-Forschungsvorhabens „Mikromag“ zusammen mit den Firmen Siemens, Oechsler und Arburg mit der Weiterentwicklung weichmagnetischer Compounds, die im Spritzgießverfahren wirtschaftlich zu beliebig komplex geformten Magnetkörpern in einem Fertigungsschritt verarbeitet werden können [5]. Simulationsergebnisse der Oechsler AG in Bild 1 zeigen das Potenzial von spritzgegossenen Weichmagneten in Kombination mit Dauermagneten auf. Durch den zusätzlichen Einsatz eines Weichmagneten kann die magnetische Flussdichte eines mehrpoligen Dauermagneten um 50 bis 60 % in einem engen Fenster angehoben werden, was die Leistungsfähigkeit bzw. Genauigkeit eines Sensors verbessert. Für die Verstärkung eines magnetischen Feldes werden vergleichsweise hohe relative Permeabilitäten von etwa 15 bis 20 benötigt. Dies setzt einen entsprechend hohen Füllgrad und geeignete Füllstoffe voraus. Die Simulationsergebnisse konnten durch Praxisversuche anhand des im Projekt aufgebauten Demonstrators (siehe Bild 1 rechts) nachgewiesen werden.

Materialauswahl und Verarbeitung weichmagnetischer Compounds

Am IKV wurden hierzu unterschiedliche weichmagnetische Eisen-, Eisennickel- sowie Eisensiliziumpulver von Höganäs AB, Höganäs, Schweden, und ein nanokristallines Eisensilizium (Vitroperm) von Vacuumschmelze, Hanau, in einem niedrigviskosen Polyamid 6 (Schulamid 6 NV 12) von A. Schulman, Kerpen, bei unterschiedlichen Füllstoffanteilen analysiert. Die eingesetzten Füllstoffe mit zugehöriger Partikelverteilung sind anhand von Rasterelektronenmikroskopiebildern in Bild 2 dargestellt. Die reinen Eisenpulver (AT 500 und ASC 100) weisen eine irreguläre (spratzige) Gestalt auf und unterscheiden sich nur in ihrer Partikelgrößenverteilung. FeSi 6.8 hat dagegen eine kugelförmige, glatte Partikeloberfläche, während die Vitroperm-Partikel plättchenförmig sind. Die verschiedenen Füllstoffformen sind auf die unterschiedlichen Herstellungsprozesse zurückzuführen.

Die Compounds wurden auf einem dichtkämmenden, gleichsinnig drehenden Doppelschneckenextruder ZSK 26 der Firma Coperion GmbH, Stuttgart, hergestellt. Anschließend erfolgte eine Weiterverarbeitung im Spritzgießen zu einfachen Probeplatten (80 x 80 x 2 mm³), Fließspiralen (Fließquerschnitt 14,2 x 1,5 mm², maximale Fließlänge 445 mm) und Ringen (Außendurchmesser 38 mm, Innendurchmesser 30 mm, Dicke 3 mm). Für die Bestimmung der weichmagnetischen Eigenschaften von spritzgegossenen Proben steht dem Institut ein Hysteresegraph (MPG 100 D) von Dr. Brockhaus, Lüdenscheid, zur Verfügung [6]. Neben der Messung von bewickelten Ringen nach DIN EN 60404-6 können mit Hilfe eines speziellen Messjochs auch flache Probekörper (maximaler Probenquerschnitt 15 x 2 mm², optimalen Länge 30 bis 32 mm) direkt vermessen werden.

Vergleich der weichmagnetischen Eigenschaften

Bei einem Vergleich der Hystereseverläufe von einem gepressten Ring aus AT 500 (Reineisen, ca. 99 % Eisenpulver) und spritzgegossenen Ringproben weichmagnetischer Kunststoffcompounds bei unterschiedlichen Füllstoffanteilen, zeigt sich, dass die Steigung der Hysteresekurven und somit die relativen Permeabilitäten der Kunststoffcompounds im Vergleich zum Reineisen erheblich reduziert sind. Auch ist ein verhältnismäßig starker Einfluss des Füllstoffanteils aber auch des Füllstoffes erkennbar.

Während Vitroperm die beste Verstärkung des äußeren Feldes zeigt, sind die Verläufe der FeSi 6.8-Compounds vergleichsweise flach, was auf die relative Permeabilität der Füllstoffe zurückzuführen ist. Vergleichbar sind dagegen die gemessenen Koerzitivfeldstärken sowie die Hystereseverluste bei den Kunststoffcompounds und dem Reineisen bei gleicher Sättigungsinduktion. Weiterhin ist die Abhängigkeiten der Permeabilität von der magnetischen Feldstärke deutlich reduziert auch in den Compounds wiederzuerkennen.

Hochgefüllte Compounds weisen ein spezielles Füll- bzw. Fließverhalten auf

Aus Untersuchungen zu hoch gefüllten elektrisch leitfähigen Kunststoffen ist bekannt, dass sich die Füllstoffe nicht gleichmäßig im gesamten Bauteil verteilen, sondern es zu einer Füllstoffanreicherung entlang des Fließweges kommt [7]. Das Füllverhalten ist in Bild 3 links anhand zweier Füllbilder von Probeplatten dargestellt. Während un- oder niedrig gefüllte Thermoplaste eine nahezu gleichmäßige Formteilfüllung über der Probenbreite aufweisen, zeigen hochgefüllte Compounds eine meist nicht parallele Formteilfüllung, was auf die reduzierte Schmelzeelastizität sowie die schnellere Materialerstarrung zurückzuführen ist [7].

Deutlich ist zudem eine Füllstoffanreicherung am Fließwegende sowie einige Zentimeter hinter der eigentlichen Fließfront eine Verdichtungslinie zu erkennen. Der erhöhte Metallanteil an der Fließfront beruht auf den Strömungsverhältnissen, da sich die Füllstoffe tendenziell eher in der Mittelzone ansammeln und somit in der schmelzeflüssigen Seele weiter zum Fließwegende transportiert werden [7].

Die verstärkte Anlagerung der Füllstoffe in der Mittelzone wird auch an der Metallverteilung über der Bauteildicke an unterschiedlichen Positionen entlang des Fließweges deutlich (Bild 3 rechts). Die Fließfähigkeit der Compounds ist neben dem Füllstoffanteil auch stark von der Partikelform der Füllstoffe abhängig. Compounds mit sphärischen Füllstoffpartikeln weisen im Vergleich zu Compounds mit irregulären Füllstoffen deutlich längere Fließweglängen auf, was mit einem besseren Abgleiten und einer geringeren Verklammerung der Füllstoffe zu erklären ist.

Magnetischen Eigenschaften sind abhängig von der Bauteilgeometrie und -position

Da der Metallanteil entlang des Fließweges kontinuierlich zunimmt, sind auch die magnetischen Eigenschaften nicht homogen im Bauteil, sondern nehmen wie die lokale Dichte zum Fließwegende hin kontinuierlich zu (siehe Bild 4). Die Messergebnisse von flachen Proben bestätigen die höchsten Permeabilitäten für Vitroperm. Aber auch große Eisenpartikel (AT 500) und das Permalloy (Fe81Ni) führen zu ausreichend hohen weichmagnetischen Eigenschaften in Kunststoffcompounds. Grundsätzlich sind die gemessenen Werte an flachen Proben im Vergleich zu bewickelten Ringen leicht reduziert. Dies ist auf den magnetischen Fluss bzw. die magnetischen Feldlinien im Messjoch zurückzuführen. Während im Ring der magnetische Fluss nur im Bauteilinneren vorliegt, wird dieser bei der Messung an Probeplatten über ein unteres und oberes Messjoch erzeugt. Dies führt dazu, dass faserarme Randschichten oder kleinere Luftspalte zwischen Probe und Messjoch die magnetischen Eigenschaften reduzieren. Dennoch ist dieses Messsystem zur Prozessanalyse sehr gut geeignet.

Einfluss integrierter Magnetspulenbei weichmagnetischen Kunststoffcompounds

Durch den Einsatz von integrierten Magnetspulen können kunststoffgebundene Hartmagnete direkt im Spritzgießwerkzeug magnetisiert werden [1, 8]. Inwieweit eine Ausrichtung der weichmagnetischen Füllstoffe im Spritzgießprozess und eine gezielte Verbesserung der magnetischen Eigenschaften in Magnetfeldrichtung möglich ist, wurde mit einem von Oechsler gebauten Spritzgießwerkzeug mit integrierten Magnetspulen (siehe Bild 5, maximales Magnetfeld 2 T) analysiert. Als Geometrie wurde eine einfache, vertikal angespritzte Probeplatte (30 x 30 x 2 mm³) gewählt.

Anhand von Füllstudien zeigt sich ein deutlich verändertes Füll- und Fließverhalten bei Einsatz eines Magnetfeldes (siehe Bild 5 oben am Beispiel von FeSi 6.8). Mit Magnetfeld sind eine deutliche Verästelung der Fließfront sowie eine Ausbildung von säulenartigen Strukturen in Magnetfeldrichtung zu erkennen. Diese Säulenstrukturen, die auf eine kettenförmige Anordnung der Füllstoffe in Magnetfeldrichtung zurückzuführen sind, können aber nur ausgeprägt an der Fließfront detektiert werden. Dies lässt vermuten, dass der Nachdruck bzw. der lokale Druck in der Schmelze eine Ausbildung dieser Säulenstrukturen im Bauteilinneren verhindert. Die Auswertung der Füllstofforientierung bzw. -ausrichtung am Beispiel von Vitroperm in Bild 7 unten zeigt ausgeprägte Randbereiche (Schichten 1 bis 3, 8 bis 10), die nicht durch das Magnetfeld beeinflusst werden.

Dagegen können in den mittleren, länger schmelzeförmigen Schichten 4 bis 7 die Füllstoffe gezielt in Magnetfeldrichtung ausgerichtet werden. Grundsätzlich lässt sich aber die relative Permeabilität nur unwesentlich, um maximal 0,5 in Magnetfeldrichtung unabhängig vom Füllstoff verbessern.

Fazit und Ausblick

Die Verarbeitbarkeit hoch gefüllter weichmagnetischer Kunststoffcompounds ist je nach Partikelform und -größe bis zu einem maximalen Füllgrad von 60 Vol.-% im Spritzgießprozess möglich. Die Fließfähigkeit ist bei irregulären, großen Füllstoffpartikeln im Vergleich zu sphärischen Partikeln deutlich reduziert. Das Füllverhalten dieser Compounds unterscheidet sich deutlich von un- bzw. niedriggefüllten Polymerschmelzen. Die erzielbaren weichmagnetischen Eigenschaften sind neben dem eigentlichen Füllstoff und dem Füllstoffanteil stark von der Bauteilposition abhängig. Ein Werkzeug mit integrierten Magnetspulen beeinflusst zwar das Fließverhalten der weichmagnetischen Compounds, aber nur unwesentlich die resultierenden weichmagnetischen Eigenschaften. In weiteren Untersuchungen wird das Fließverhalten durch eine gezielte Anpassung der Prozess- und Werkzeugtechnik weiter optimiert.

 

Erhöhte Marktchancen

Erhöhte Leistungsfähigkeit durch Weichmagnete

Die erzielbare magnetische Flussdichte eines spritzgegossenen Hartmagneten kann gezielt durch die Integration eines kunststoff-gebundenen Weichmagneten als „magnetische Lupe“ erhöht werden.

Dies kann zu einer Leistungsverbesserung heutiger kunststoffgebundener Magnete führen und ferner neue E/E-Anwendungen ermöglichen.

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Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

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