MedPLAST 2012

Die behördlichen Anforderungen an die Pharmaindustrie werden immer größer. Dabei sind im weiteren Sinne neben der reinen Wirkstoffherstellung das Arzneimittel inklusive der Produktionsanlagen, das Packmittel und gegebenenfalls die zugehörigen Medizinprodukte zu betrachten. Boehringer Ingelheim microParts fertigt und vertreibt den Respimat Soft Inhaler als Medizinprodukt zur Verabreichung von Medikamenten für Patienten mit Atemwegserkrankungen. Anwendungsgebiete finden sich im Bereich der Asthma- und der COPD- (chronic obstrucive pulmonary disease = chronisch obstruktive Bronchitis) Behandlun

26 Einzelteile ermöglichen die sichere Anwendung

Zur Behandlung von Atemwegserkrankungen können inhalative pulverförmige oder flüssige Arzneimittel verschrieben werden. Der Respimat Soft Inhaler mit seiner speziellen Zerstäubertechnik ist ein Flüssigkeitszerstäuber, der gegenüber alternativen Aerosolinhalatoren Vorteile aufweist. Dabei werden zum einen sehr fein zerstäubte Tropfen generiert, die bis tief in die Lunge eingeatmet werden können, zum anderen wird durch den lang anhaltenden sanften Sprühstoß erreicht, dass das Medikament angenehm zu inhalieren ist. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Dosiergenauigkeit jeder einzeln abgegebenen Arzneimitteldosis, bis hin zur letzten Inhalation. Diese werden dem Patienten nicht batteriebetrieben und ohne Treibmittel zur Verfügung gestellt.
Das aktive Medizinprodukt besteht aus 26 Einzelteilen aus Metall- und Kunststoffbauteilen. Neben der Düsenherstellung werden Bauteile im Präzisionsspritzguss in Reinräumen unter pharmazeutischer Reinraumklasse D hergestellt. Metall- und Gehäuseteile unterliegen als Zukaufteile strengen Wareneingangskontrollen, die Montage des Komplettgeräts erfolgt ebenfalls unter gleicher Reinraumklasse.

Sicherheit des Patienten hat höchste Priorität

Bei der Bereitstellung von Werkzeugen zur Herstellung von Bauteilen im regulierten Bereich gibt es kein richtig oder falsch. Durch systematische Herangehensweise kann eine maximal hohe Sicherheit erreicht werden, mögliche Gefahren vom Patienten abzuwehren. Dieses ist auch der Leitsatz der amerikanischen Gesundheitsbehörde, der Federal Food and Drug Administration, kurz FDA genannt.

Im Folgenden wird beschrieben, wie ein Spritzgießwerkzeug beschafft wird. Dabei sind die Ausführungen kein Fahrplan zur erfolgreichen Registrierung von Medizinprodukten. Die Beschreibung dient als Hinweis, die Beschaffung zu systematisieren und zu dokumentieren.

Ohne Spezifikation kein Werkzeugbau

Der Beschaffungsprozess kann als Qualifizierung bezeichnet werden. Unter Qualifizierung ist die dokumentierte Beweisführung, dass Ausrüstungsgegenstände einwandfrei geplant und errichtet sind, einwandfrei arbeiten und zu den erwarteten Ergebnissen führen, zu verstehen.

Zu Beginn wird die Spezifikation erstellt. Darin wird beschrieben, was geplant ist und erreicht werden soll. So ist die erste wichtige Beschreibung, dass Bauteile mit dem Spritzgießprozess hergestellt werden sollen. Weiterhin können Angaben zur Verfügbarkeit, der Stückzahl und zur Zykluszeit getätigt werden. Genauere Angaben zum Bauteil werden in der mitgelieferten Zeichnung aufgezeigt. Dieses Dokument muss geprüft werden, bevor die Anfrage zum Werkzeugbau starten kann. So ist auf dem Dokument neben dem Ersteller auch die Unterschrift des Prozess- und Produktverantwortlichen zu erscheinen, bevor abschließend von Quality ebenfalls die Prüfung erfolgt.

Wenn nun die Wahl auf einen Hersteller gefallen ist, kann die Erstellung des nächsten Dokuments beginnen. Mit der nun folgenden Design Qualification (DQ) soll geprüft werden, ob bei der Konstruktion des Komplettwerkzeugs alle Punkte umgesetzt wurden, die in der Spezifikation stehen. So beinhaltet dieses Dokument genaueste Angaben zum Werkzeug, die auf den Zeichnungen geprüft werden können. Darunter zählen zum Beispiel das Vorhandensein von Heißkanälen mit Nadelverschlussdüsen oder die Darstellung der Temperierkanäle inklusive der Anschlüsse und Beschriftung. Der Plan zur Design Qualification muss neben dem Ersteller vom späteren Systemeigentümer und durch Quality geprüft und schriftlich freigegeben werden.

Wenn die Zeichnungen vorliegen, werden an Hand des DQ-Plans sämtliche beschriebenen Punkte geprüft und die sogenannte DQ-Durchführung beginnt. Am Beispiel der genannten Prüfpunkte muss nun auf den Zeichnungen kontrolliert werden, ob alle geforderten Bereiche berücksichtigt wurden. Dabei muss klar zu erkennen sein, dass beispielsweise Nadelverschlussdüsen vorgesehen sind oder der Ein- und Auslass der unterschiedlichen Temperierkanäle neben den Anschlüssen gekennzeichnet sind. Bei Vorhandensein aller Anforderungen kann die DQ als bestanden abgeschlossen werden. Der DQ-Bericht wird mit dem Abzeichnen aller Prüfpunkte und der Unterschrift des Durchführenden, des Systemeigentümers und abschließend von Quality beendet. Es kann vorkommen, dass zu diesem Zeitpunkt eine oder mehrere Vorgaben eventuell nicht eingehalten worden sind. In dem Fall wird die DQ mit einem Mangel abgeschlossen, der behoben werden muss.

Jetzt kann die nächste Phase der Qualifizierung beginnen, die sogenannte Installation Qualification (IQ). In der IQ wird geprüft, ob die in der DQ geforderten und geplanten Bereiche im Werkzeug auch tatsächlich umgesetzt wurden. Der IQ-Plan wird vom Ersteller, dem Systemeigentümer und von Quality erstellt, geprüft und freigegeben. Im IQ-Plan muss enthalten sein, dass am späteren Werkzeug zum Beispiel das Vorhandensein der Heißkanäle und die Beschriftung der Temperierkanäle geprüft werden soll. Die werkzeugspezifischen Bereiche werden erweitert, indem auch das Kunststoffteil begutachtet wird. Mit dem Erstmusterprüfbericht werden die Maße am Teil kontrolliert. Bei positivem Ergebnis wird mit gleicher Unterschriftenregelung der IQ-Bericht und somit die Qualifizierung abgeschlossen.

Prozessbereitstellung

Mit der Prozessbereitstellung beginnt die Validierung. Die Validierung ist die dokumentierte Beweisführung in Übereinstimmung mit den gültigen Gesetzen und Regelwerken, dass Prozesse, die verwendeten Einrichtungen und Materialien so geplant, errichtet, betrieben und erhalten werden, so dass mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die spezifizierten Ergebnisse erreicht werden. Die Validierung wird in zwei Phasen – Operational Qualification (OQ) und Performance Qualification (PQ) – unterteilt.

Die OQ-Phase dient dem Finden eines sicheren Prozessfensters. Hierin werden Einflussfaktoren untersucht, die den Spritzgießprozess beeinflussen können. So müssen zum Erstellen des OQ-Plans Fachleute den späteren Prozess beurteilen und entscheiden, welche Einflussfaktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Bauteile haben. Die wichtigsten Prozessparameter müssen sodann auf die Auswirkungen am Bauteil überprüft werden. Mit verschiedenen Hilfsmitteln wie der Design of Experiments (DoE) können mehrfaktorielle Versuchspläne aufgestellt werden und die Auswirkungen auf die Bauteilqualität statistisch abgesichert ermittelt werden. Im OQ-Plan werden die geplanten Versuche dargestellt und der Umfang beschrieben. Wie in der Qualifizierung so ist auch der OQ-Plan vom Ersteller und zwei weiteren Personen zu erstellen, zu prüfen und freizugeben. Jetzt erst dürfen die Versuche beginnen.

Maschinen-Einstellbereiche müssen abgesichert werden

Nach dem Auswerten der Versuche und Darstellen der Ergebnisse kann die OQ-Durchführung abgeschlossen werden. Als Ergebnis werden Prozessparameter gefunden, die zu einer guten Bauteilqualität führen. Doch die aus dem DoE-Ansatz untersuchten Eckpunkte des Versuchsraums können nicht die Grenzen der späteren Maschinen-Einstellbereiche sein. Mit den Grenzpunkten wird zwar eine gute Qualität nachgewiesen, Prozessschwankungen können jedoch später Bauteile liefern, die außerhalb des untersuchten Raums liegen. Daher werden die tatsächlich später freigegebenen Einstellparameter statistisch abgesichert eingeengt und liegen innerhalb des abgeprüften Raums.

Nach der OQ-Phase folgt die PQ-Phase, denn während der Produktion können neben Prozessschwankungen auch Langzeiteinflüsse einwirken, wie zum Beispiel der Einsatz von unterschiedlichen Materialchargen, regelmäßig durchzuführende Werkzeugreinigungszyklen und auch der Bedienerwechsel. Die PQ beschäftigt sich mit diesen Fragen.

Im PQ-Plan werden die Einflussfaktoren benannt und die Fertigung von mehreren tausend Teilen, das heißt einer repräsentativen Stichprobengröße, abgedeckt. Hier ist der Plan ebenfalls auf gleicher Weise zu erstellen, also nach der Erstellung mit Prüfung und Freigabe durch Quality.

Vor Beginn der PQ-Durchführung müssen erst alle vorangegangenen Dokumente geprüft werden und alle offenen Mängel spätestens jetzt behoben sein. Die Durchführung der PQ entspricht prinzipiell der späteren Produktion. An einem Beispiel soll hier jedoch gezeigt werden, dass erst nach Abschluss der PQ, die Freigabe zur Produktion erfolgen kann. Bis dahin sind alle gefertigten Teil zu sperren. So kann es vorkommen, dass die Prozessfähigkeit ausgewählter Bauteilemaße nicht überall erreicht wird. Aus Nest 2 könnte zum Beispiel an einem Maß der CpK-Wert kleiner als der geforderte Wert von 1,66 sein. Das Werkzeug muss in diesem Bereich nachgearbeitet werden. Bauteile aus dem Nest 2 mit der Cpk-Verletzung müssen vernichtet werden. Auf die Nacharbeit folgt eine neue Fertigungskampagne. Nachdem damit nachgewiesen werden konnte, dass die Bauteile aus Nest 2 jetzt die Anforderung erfüllen, können alle Bauteile freigegeben werden. Dieser Nachweis ist der wichtigste zum Abschluss der PQ-Phase. Mit der Darstellung der Ergebnisse kann der Bericht erstellt und abschließend freigegeben werden.

Behördliche Prüfungen mit positiver Bewertung bestätigen die GMP-gerechte Herangehensweise und ermöglichen so die Fertigung und den Vertrieb von qualitativ hochwertigen Medizinprodukten.

 

Erhöhte Marktchancen

GMP-Nutzen

Bei der Werkzeugbeschaffung sind die Phasen Qualifizierung und Validierung zu durchlaufen. Alle darin erstellten Berichte müssen änderungssicher (manipulationssicher) abgelegt werden. Diese Herangehensweise ist für die Arbeit nach GMP (good manufacturing practice) notwendig. Innerhalb der Validierphasen wird nachgewiesen, dass der Prozess heute und auch zukünftig unter Berücksichtigung unterschiedlichster Einflussfaktoren zu qualitätsgerechten Bauteilen führt. Dieses dient der Sicherheit des Patienten und hat den positiven Nebeneffekt der eigenen Produktsicherheit. Unvorhergesehene negative Einflüsse auf den Prozess und somit auf das Bauteil werden minimiert beziehungsweise vermieden. Positiv verlaufende Audits und offizielle Zulassungsschreiben der Behörden sind der Lohn für die umfangreichen Arbeiten.

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