August 2011

Verbunde aus thermoplastischen Elastomeren und harten Thermoplasten sind allgegenwärtig. Ihren Einsatz finden Sie vor allem dort, wo Soft-Touch-Effekte, Griffigkeit oder eine Sicherung gegen Verrutschen gefordert sind. Auch bei Formteilen, die gegen Flüssigkeiten abdichten müssen oder als Schwingungs- und Dämpfungselemente eingesetzt werden, werden TPE´s anstelle von Elastomeren eingesetzt. Ein wesentlicher Grund für die breite Verwendung der TPE´s ist, dass sie wie Thermoplaste mit den gleichen Maschinen und Werkzeugen in einem Prozessschritt verarbeitet werden können. Je nach Anforderungen an ein Bauteil, stehen unterschiedliche TPE-Klassen (TPE-S, TPE-V, TPE-U, TPE-E, TPE-A) mit einer Vielzahl von Typen und möglichen Hart-/Weichverbindungen zur Verfügung. Diese Vielzahl wird zusätzlich erhöht, da Materialkombinationen nicht von Natur aus miteinander kompatibel sein müssen, sondern Haftungsmodifikationen zur Steigerung der Verbundhaftung in einem weiten Rahmen möglich sind.
Für alle Anwendungen ist eine ausreichend hohe Verbundhaftung entscheidend. Welche Haftung sich zu einem Kontaktpartner ausbildet und welche Eigenschaften ein Verbund aufweist, kann im Vorfeld meist nur unzureichend abgeschätzt werden. Erschwerend kommt für die Kunststoffverarbeiter hinzu, dass bisher kein einheitlicher Prüfkörper mit einem genormten Prüfverfahren vorhanden ist. In vielen Fällen besitzen die Rohstoffhersteller, aber auch einige Verarbeiter, eigene Werkzeuge mit denen Prüfkörper hergestellt und anschließend die Verbundhaftung bestimmt wird. Die Unterschiede in den Prüfkörpergeometrien, den Werkzeugen und Prüfanordnungen gestattet bisher aber keine Vergleichbarkeit der ermittelten Werte.

Die Herausforderungen bei der TPE-Verarbeitung

Die Verarbeitung von TPE´s stellt immer wieder eine Herausforderung dar, denn jede TPE-Klasse stellt ihre eigenen Anforderungen an Werkzeug und Spritzgießprozess. Bekannte Probleme sind beispielsweise Entformungsprobleme infolge der Anhaftung am Werkzeug, hohe Fülldrücke infolge einer hohen benötigten Scherung (Einspritzgeschwindigkeit), Belagbildung in der Werkzeugkavität, Haftungs-, Druck-, Massepolster- und Dosierschwankungen, die Entlüftung des Werkzeuges, das sporadische Auftreten von Über- und/oder Unterspritzungen oder allgemein Chargenschwankungen.
Die Herstellung und Prüfung der Haftung von 2K-Verbunden ist im SKZ seit langem ein Schwerpunkt in der Forschung und Entwicklung. Mit eigenen Prüfkörpern konnten in dieser Zeit umfangreiche Erfahrungen durch Arbeiten mit und für die Industrie ge-sammelt werden. Diese Erfahrungen wurden im Rahmen eines Entwicklungsprojektes genutzt, um ein Verfahren zur sicheren und reproduzierbaren Herstellung von Prüfkörpern sowie zur Ermittlung der Verbundhaftung zu erarbeiten.
Das Verfahren muss universell für alle TPE-Klassen, einem weiten TPE-Härtebereich sowie für hohe und niedrige Dehnungen und Verbundhaftungen geeignet sein. Dieses Ziel wurde zusammen mit einem möglichst einfachen und kostengünstigen Werkzeugaufbau definiert. Die Vergleich- und Reproduzierbarkeit erfordert einen optimalen Prüfkörper, ein entsprechendes Prüfkörperwerkzeug und einen Prozess, mit dem sich Prüfkörper aus den unterschiedlichsten Materialien sicher herstellen lassen. Weiterhin notwendig ist eine geeignete Prüfmethode zur Ermittlung der Verbundhaftung und über alle Teilbereiche hinweg eine zweckmäßige und vollständige Dokumentation.
Der 2K-Schälprüfkörper und das Werkzeug wurden mit thermischen, rheologischen und mechanischen FEM-Simulationen ausgelegt. Detaillösungen, wie beispielsweise die Füllbarkeit, die Anschnittposition und -gestaltung oder die Fixierung des Hartteils in der Kavität wurden in Vorversuchswerkzeugen betrachtet. Das Prüfkörperwerkzeug selbst wurde mit über 20 Materialkombinationen abgemustert (Auszug siehe Tabelle). Mit den dabei entstandenen Prüfkörpern konnten abschließend drei unterschiedliche Prüfanordnungen auf ihre Eignung hin bewertet werden.

Der neue Schälprüfkörper und das Prüfkörperwerkzeug

Die Grundgeometrie des neu entwickelten 2K-Schälprüfkörpers (Bild 1a/1b) ist eine Weiterentwicklung eines früher verwendeten Prüfkörpers des SKZ (Bild 2). Eine Besonderheit des neuen Prüfkörpers stellen die „Füßchen“ dar, die an der vorderen Stirnseite gegenüber der Überspritzfläche eingebracht wurden (Bild 1b, rechts); sie besitzen drei Funktionen:

  • 1. Aufgrund der einfachen Plattengeometrie des Hartteils, die eine störungsfreie Überspritzfläche gewährleistet, kann ein undefiniertes Schwinden in der Kavität stattfinden. Es würden Spalte entstehen in die das TPE eindringen kann. An der vorderen Stirnseite ist dies jedoch unbedingt zu verhindern, da ein garantiertes und reproduzierbares Anrissverhalten die Vorraussetzung für eine Schälprüfung darstellt. Liegt im Grenzfall die Verbundhaftung und die Festigkeit des TPE´s eng beieinander, würde infolge der Schwimmhautbildung ein Abreißen der TPE-Lasche auftreten bevor ein Abschälen einsetzen kann. Die Füßchen halten das Hartteil auch nach dem Schwinden in der Kavität, damit die vordere Stirnseite dicht und spaltfrei an der Kavität anliegt.
  • 2. Das Werkzeug bietet die Möglichkeit den Prüfkörper im Einlegeverfahren herzustellen. Zunächst wird hierbei das Hartteil gefertigt, entnommen und nach einer Lagerzeit beziehungsweise Zwischenbehandlung wieder eingelegt und mit TPE überspritzt. Die genaue Positionierung und Fixierung des Hartteils beim Einlegen in die Kavität erfolgt dabei durch die Füßchen.
  • 3. In der Prüfanordnung A (Bild 3), dienen die Füßchen als Anschlag für eine reproduzierbare Einspannung des Prüfkörpers in den Schlitten.

Die Füßchen wurden schrittweise eingebracht und das Hartteil thermografisch analysiert. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass keine Temperaturerhöhung aufgrund der Masseanhäufung durch die Füßchen im Überspritzbereich auftritt.
Das Prüfkörperwerkzeug nutzt die Core-Back-Technik zur Erzeugung der Kavität der Weichkomponente und besitzt daher einen hydraulischen Kernzug. Im Werkzeug wurden jeweils im Angussystem der Hart- und Weichkomponente ein Werkzeuginnendrucksensor sowie insgesamt drei Thermoelemente vorgesehen. Ein Thermoelement wurde dabei oberflächennah im Kern positioniert. Über einen Austausch des Kerns können zudem unterschiedliche Oberflächenrauhigkeiten in der Verbundfläche erzeugt werden.

Sichere und reproduzierbare Herstellung von Prüfkörpern

Die Verbundhaftung beziehungsweise die Ausbildung von Haftungsmechanismen ist maßgeblich von der resultierenden Kontakttemperatur abhängig, die sich im Moment des Überspritzens mit TPE in der Grenzfläche zum Hartteil einstellt. Diese ist an eine Vielzahl von Parametern gekoppelt und muss von Zyklus zu Zyklus konstant gehalten werden. Temperierung, Prozessführung und Werkzeug bestimmen die Zeit bis zum Erreichen eines thermischen Gleichgewichts. Bis dahin verändern sich die Werkzeug(oberflächen)temperaturen deutlich. Es ist daher wichtig zu wissen, ab welchem Zeitpunkt beziehungsweise nach welcher Zyklenzahl mit der Entnahme des Prüfloses begonnen werden kann und wie konstant der Prozess verläuft. Durch die vollautomatische, handlingunterstützte Fertigung, die Nutzung der Temperaturfühler im Werkzeug und der Inline-Thermografie konnte dies sichergestellt werden. Die Inline-Thermografie bietet zudem die Möglichkeiten, eine automatische Gut-/Schlecht-Weiche einzurichten und/oder Unterspritzungen automatisch zu erkennen.
Neben den im Werkzeug integrierten Sensoren, wurde am Aggregat der Weichkomponente ein zusätzliches Wegmesssystem installiert. Hiermit war es möglich, den Verlauf des Schneckenweges kontinuierlich aufzuzeichnen und zu analysieren. Der Einspritzvorgang, das Erreichen des Umschaltpunkts und der Verlauf der Dosierphase können so für jeden Prüfkörper dokumentiert werden. Bewährt hat sich die Schneckenwegmessung vor allem bei sehr hohen Einspritzgeschwindigkeiten beziehungsweise bei schwer fließenden TPE´s, die einen hohen Druckverlust bewirken. Die eingestellte Einspritzgeschwindigkeit kann nie sofort erreicht werden, da die entstehende Geschwindigkeitsrampe bis zum Erreichen des Einstellwertes abhängig vom Schneckenantrieb und den Widerständen (beispielsweise Reibung, Masseträgheiten, Fließfähigkeit des TPE´s, Geometrie des Anschnitts) ist.

Die Messung der Schälkraft und Dokumentation der Messwerte

Um die optimale Versuchsanordnung zur Bestimmung der Schälkraft zu ermitteln, wurden die hergestellten Prüfkörper mit drei unterschiedlichen Vorrichtungen geprüft. Prüfanordnung A (Bild 3) entspricht dabei einer Weiterentwicklung der früheren SKZ-Variante; B und C (Bild 4a/4b) sind Rollenschälversuche die in Anlehnung an Normen für die Prüfung von Verklebungen gefertigt wurden. Zusätzlich ist der Einfluss verschiedener Prüfgeschwindigkeiten und Lagerzeiten von der Prüfkörperherstellung bis zur Prüfung im Normklima auf die Verbundkraft ermittelt worden.
Eine umfangreiche Dokumentation von Messwerten, Maschineneinstellungen, der Materialvorbehandlung, der Temperierung sowie Prüfkörperlagerung und -prüfung hat sich im Verlauf des Projektes als unerlässlich herausgestellt.
Infolge der unzähligen möglichen Materialkombinationen aus den Typen der TPE-Klassen und Hartkomponenten, ergibt sich ein breites Spektrum an Schälkraftverläufen. Von der Materialvorbehandlung bis zur Ermittlung des Schälkraftverlaufs, haben eine Vielzahl von Parametern einen signifikanten Einfluss auf die resultierende Verbundhaftung. Unterschiedliche Materialkombinationen reagieren dabei auf einzelne Parameter unterschiedlich stark. Durch die Kenntnis der wesentlichen Einflussgrößen und einer geeigneten Dokumentation, kann die Reproduzierbarkeit des gesamten Prozesses sichergestellt werden. Hierzu zählt auch, neben der Angabe der Schälkraft als reinem Zahlenwert, die Beschreibung des Kurvenverlaufes, der charakteristisch für den vorliegenden Verbund ist.

Neue Technologie
Reproduzierbare Bestimmung der 2K-Verbundhaftung

Ein neuentwickeltes Verfahren des SKZ in Würzburg ermöglicht die vollautomatische Fertigung von 2K-Prüfkörpern, mit denen die Haftkräfte zwi-schen zwei Materialien (Thermoplast und thermoplastisches Elastomer) reproduzierbar ermittelt werden können. Das Verfahren setzt sich zusammen aus einem Schälprüfkörper, einem Probekörperwerkzeug, der Prüfkörperherstellung, der Prüfung der Schälkraft und einer geeigneten Dokumentation mit zusätzlicher Messtechnik seitens des Prüfkörperwerkzeuges sowie der Spritzgießmaschine.
Die bislang in diesem Projekt ermittelten Mess- bzw. Kunstoffkennwerte der verschiedenen Kunststofftypen wurden den beteiligten Rohstoffherstellern mitgeteilt; die genaue Bezeichnung der Kunststofftypen wird in den öffentlichen Projektberichten des SKZ nicht genannt, sondern bleibt den Rohstoffherstellern überlassen.

 

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Unternehmen

SKZ KFE gGmbH Kunststoff Forschung und Entwicklung

Friedrich-Bergius-Ring 22
97082 Würzburg
Germany