Juli 2011

Die steigende Verbreitung hochgefüllter Compounds oder Faserverbundwerkstoffe, wie sie beispielsweise in der Automobilindustrie zunehmend eingesetzt werden, stellt neue und höhere Anforderungen an die Prozesstechnik. Der Werkzeugtemperierung kommt hier eine zentrale Bedeutung zu, um diese Materialien verarbeiten zu können – natürlich mit technisch beziehungsweise wirtschaftlich vertretbarem Aufwand.
Für ein schnelles Aufheizen der Kavitätsoberfläche von Werkzeugen bietet die induktive Erwärmung aufgrund der hohen erreichbaren Wärmeübertragungsraten ein enormes Potential zur Verkürzung der Heizzeiten. In Verbindung mit einer konturnahen Kühlung ist eine deutliche Reduzierung der Zykluszeiten und damit eine Steigerung der Produktivität auch bei variothermer Werkzeugtemperierung möglich.
Problematisch bei Werkzeugen mit integrierter induktiver Temperierung ist häufig die Unterbringung einer Vielzahl unterschiedlicher funktioneller Komponenten in der Kavitätsplatte wie zum Beispiel Induktionsheizung, Kühlung, Sensorik und Auswerfer. Neben der notwendigen Anpassung des Induktors an das jeweilige Bauteil muss auch die Kühlung optimal an die Prozessanforderungen angepasst werden. Während bei der fluidvariothermen Temperierung meist ein und derselbe Kreislauf im Werkzeug zum wechselseitigen Heizen und Kühlen verwendet wird, sind bei der Werkzeugtemperierung mit integriertem Induktor Heiz- und Kühlelement prinzipbedingt getrennt. Am Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik (IKFF) der Universität Stuttgart ist es gelungen diese Trennung aufzuheben und den Induktor als kombiniertes Heiz-/Kühlelement zu einzusetzen.
Grundsätzlich lassen sich bei Werkzeugen mit integrierter induktiver Beheizung (Bild 1) drei Arten der konturnahen Kühlung unterscheiden.

  • 1. Konturnahe Fluidkühlung, welche vor der Heizphase ausgeblasen wird, um ein Verdampfen des Kühlmediums zu verhindern.
  • 2. Kühlung durch die Innenkühlung des Induktors (Bild 2).
  • 3. Innengekühlter Stranginduktor welcher in die Kühlkanäle integriert ist. Dieser stellt eine Kombination aus den beiden erstgenannten Konzepten dar (siehe Bild 3).

Klassische konturnahe Fluidkühlung mit induktiver Heizung

Bei der klassischen konturnahen Fluidkühlung werden zusätzlich zum Induktor konturnah Temperierkanäle in das Werkzeug eingebracht. Die Besonderheit der konturnahen Kühlung bei der Verwendung flüssiger Kühlmedien ist, dass aufgrund der mit der Induktion im Werkzeugkern während der Aufheizphase hohen erreichbaren Temperaturen die Temperierkanäle entleert werden müssen. Andernfalls kann es zum Verdampfen des Kühlmediums kommen, was die Heizleistung wegen der hohen Verdampfungsenthalpie massiv herabsetzt.
Bewährt haben sich hier Ausblastemperiergeräte, welche von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Der große Vorteil der konturnahen Fluidkühlung ist die mit diesem Verfahren erreichbare hohe Kühlrate. Abhängig von der Lage der Kühlung und der Art und Temperatur des Kühlmediums sind Abkühlraten von mehreren Kelvin/Sekunde (K/s) an der Kavitätsoberfläche möglich. Alternativ kann auch eine Verdampfungskühlung, beispielsweise mit Kohlendioxid, eingesetzt werden, um die Kühlzeiten weiter zu verkürzen. Nachteilig ist allerdings der durch die konstruktive Trennung von Heizung und Kühlung erhöhte Platzbedarf innerhalb der Kavitätsplatte. Häufig müssen hier Kompromisse bei der Platzierung des Induktors, der Kühlung oder anderer Funktionsträger wie beispielsweise der Auswerferstifte eingegangen werden. Zudem muss der Induktor wesentlich komplexer gestaltet werden, um Platz für die zusätzlichen Kühlkanäle zu schaffen.

Kühlung über einen mit Keramik vergossenen innengekühlten Induktor

Am IKFF wird derzeit neben der eben beschriebenen konturnahen Fluidkühlung eine Technik eingesetzt, die es ermöglicht, den Induktor als zusätzliches Kühlelement einzusetzen. Die Grundidee dabei ist, die permanente Innenkühlung des Induktors, welche vom Generator zur Verfügung gestellt wird, zur Werkzeugkühlung zu nutzen. Dabei wird der elektrisch und thermisch isolierende Luftspalt zwischen Induktor und Werkzeug mit einer thermisch sehr gut leitenden Keramik fest im Werkzeug vergossen. Durch diese thermische Kontaktierung ist es nun möglich, die über die Induktion in das Werkzeug eingebrachte Wärme über die Induktorinnenkühlung wieder abzuführen. Dadurch entfällt die konturnahe Ausblaskühlung. Der Induktor wird in seiner Funktionalität vom reinen Heiz- zum vollständigen Temperierelement erweitert. Dadurch ergeben sich für die integrierte induktive Beheizung eine Reihe konstruktiver Vorteile. Durch die so gewonnenen konstruktiven Freiheiten in der Gestaltung des Induktors und der Positionierung anderer Funktionsträger, wie Auswerferstifte, ist eine wesentlich bessere geometrische Anpassung des Induktors an die Anforderungen des Bauteils möglich. Zudem können Induktor und Werkzeugplatte wesentlich flacher ausgeführt werden, womit sich das thermische Volumen deutlich reduziert. Die erreichbaren Kühlraten liegen allerdings abhängig vom Induktorquerschnitt und der Kühlwassertemperatur beziehungsweise dem Durchfluss mit unter 1?K/s deutlich unter denen der konturnahen Fluidkühlung. Aber natürlich bieten erhöhte Durchflussmengen und verminderte Kühlwassertemperaturen ein Potenzial, die Kühlraten weiter steigern zu können. Diese Kühltechnik über den innengekühlten Induktor wurde vom IKFF in bereits in der Industrie und Forschungsprojekten erfolgreich eingesetzt.

Der außengekühlte Stranginduktor vereint die Vorteile zweier Techniken

Der außengekühlte Stranginduktor ist eine Weiterentwicklung der Induktorkühlung und vereint die Vorteile der konturnahen Fluidkühlung (hohe Heiz-/Kühlraten) mit denen der Induktorkühlung (geringer Platzbedarf). Bei dieser Anordnung wird ein vom Generator mit Kühlwasser versorgter Induktor in die Kühlkanäle eingebracht. Der Kühlkanal wird wie bei der eingangs beschriebenen Fluidkühlung ausgeblasen, um während der Heizphase die elektrische und thermische Isolation sicherzustellen. Zum Kühlen wird dann der Luftspalt mit Kühlmedium geflutet, um die eingebrachte Wärme möglichst schnell aus dem Bauteil abzuführen; die Kühlraten sind mit denen der konturnahen Fluidkühlung vergleichbar, der Platzbedarf im Werkzeug entspricht allerdings dem der Induktorkühlung.
Bei Wasser als Kühlmedium ist eine Beschichtung der Kühlkanäle mit einer geeigneten Korrosionsschutzschicht wie chemisch Nickel zu empfehlen. Werden nicht korrosive Kühlmedien wie Kohlendioxid verwendet, so kann auf den Korrosionsschutz verzichtet werden.
Diese Kühltechnik ist aktuell Gegenstand eines Forschungsprojektes, insbesondere auch zur Herstellung von Brennstoffzellen, bei dem hochviskose Compounds mit kurzen Zykluszeiten verarbeitet werden; allerdings liegen derzeit noch keine Ergebnisse über Kühlraten vor. Diese sind aber natürlich auch vom Abstand der Kühlkanäle zur Kavität abhängig.
Ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet für diese Art von Induktoren ist das Vorheizen großer Spritzgusswerkzeuge aufgrund der sehr einfachen planaren Bauweise des Induktors.

Generator und Kühlsystem direkt in die Maschinensteuerung integriert

Neben der Verkürzung der Zykluszeiten ist die Integration der für die variotherme Werkzeugtemperierung notwendigen Gerätetechnik in die Maschinensteuerung von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz dieser Technik. Auf den Arburg Technologie-Tagen im März dieses Jahres wurde neben der Induktorkühlung vom IKFF erstmals eine temperaturgesteuerte induktiv-variotherme Prozessführung mit vollständiger Integration in die Selogica-Maschinensteuerung von Arburg vorgestellt (Bild 4). Damit ist es möglich, sowohl den Generator, als auch die für die Kühlung notwendige Peripherie direkt in die Ablaufsteuerung zu integrieren. Alle für den Prozess notwendigen Mess- und Steuersignale werden von der Spritzgießmaschine ausgelesen und weiterverarbeitet.
Durch das Einbringen eines Thermoelementes unmittelbar hinter die Kavität kann eine Temperaturüberwachung während des Aufheiz- und Abkühlvorgangs mit einfachsten Mitteln realisiert werden. Damit ist erstmals eine vollständig temperaturgesteuerte Prozessführung mit definierter Einspritz- und Entformungstemperatur ohne separaten Leitrechner möglich. Ist die Zieltemperatur erreicht, wird der Generator abgeschaltet und der Einspritzvorgang gestartet. Analoges gilt für das Abkühlen auf Entformungstemperatur. Die Kühlung wird so lange aufrechterhalten, bis die zuvor an der Maschine eingestellte Entformungstemperatur erreicht ist. Erst beim Unterschreiten dieser Temperaturschwelle wird die Kühlung unterbrochen und das Bauteil entformt.
Diese Art der Prozesssteuerung lässt sich mit allen drei hier vorgestellten Varianten der konturnahen Kühlung realisieren. Bild 5 zeigt die sehr gute Reproduzierbarkeit des Temperaturverlaufs zweier aufeinanderfolgender Spritzzyklen. Dadurch, dass nicht nur auf eine definierte Einspritztemperatur aufgeheizt wird, sondern anschließend auch der Abkühlvorgang temperaturüberwacht gefahren wird, ist ein „Weglaufen“ der Werkzeugtemperatur im Verlauf der Produktion ausgeschlossen.

Neue Technologie
Variotherm-Prozesse induktiv Beheizen und konturnah Kühlen

Eine Induktionsheizung für Werkzeuge kann auch zu Kühlzwecken gewissermaßen missbraucht werden, wenn man Kühlwasser durch das Induktorrohr leitet. Das wirkt aber nur dann, wenn man das Induktorrohr möglichst nahe unter der Kavitätsoberfläche führen kann und zudem thermisch leitend mit der Kavität in Kontakt bringt. Oder man führt den Induktor durch den Kühlkanal, aber dann muss vor dem Heizen das Kühlwasser zuerst wieder ausgeblasen werden. Die Stoßrichtung dieser Techniken ist, die im Vergleich zu Isotherm-Prozessen normalerweise längeren Zykluszeiten von Variotherm-Prozessen wieder zu verkürzen. Während die Werkzeugkühlung über einen innengekühlten Induktor bereits in einem Projekt erfolgreich eingesetzt wurde, ist der innengekühlte Stranginduktor noch Gegenstand eines aktuellen Projektes beim IKFF an der Universität Stuttgart. Neben der verfahrenstechnischen Machbarkeit ist für die Kunststoffverarbeiter aber auch eine relativ einfache technische Umsetzung in die Praxis wichtig, die mit einem möglichst stabilen Prozess einhergeht. Das zu zeigen, ist jetzt gelungen: Mit der hier beschriebenen Integration des Generators und der Kühlung in die Ablaufsteuerung einer Spritzgießmaschine wurde eine vollständig temperaturgesteuerte induktiv-variotherme Prozessführung ermöglicht, die reproduzierbare und definierte Einspritz- und Entformungstemperaturen aufweist.

InfoDIRECT
Weitere Infos zum Download

Über die induktive Beheizung von Werkzeugen hat der Plastverarbeiter bereits in den Ausgaben 11/2010 und 5/2011 berichtet. Mit der Sichwortsuche PV1107Induktion auf der Homepage www.plastverarbeiter.de kommen Sie auf diesen Fachbeitrag und erhalten erhalten damit auch die direkten Links auf die beiden anderen Fachartikel:

  • In der November-Ausgabe 2010 wurde ein Überblick über die drei verschiedenen Beheizungsarten – externe induktive Beheizung, vollintegrierte induktive Beheizung sowie die halbintegrierte induktive Beheizung – gegeben als auch deren Einsatzmöglichkeiten skizziert, die sich unter anderem auf die Verarbeitung hochgefüllter, hochviskoser Compounds erstrecken.
  • In der Mai-Ausgabe 2011 wurde ein einfaches und erprobtes Messsystem für eine zuverlässige Temperaturbestimmung an der Kavitätsoberfläche von Spritzgießwerkzeugen mit induktiver Zusatzheizung vorgestellt. Dadurch wird eine temperaturgesteuerte, variotherme Prozessführung ermöglicht.

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